zum Hauptinhalt
Meister des Gegensätze. Dani Karavan arbeitete mit Stahl, Glas, Natur.

© dpa

Zum Tod des israelischen Bildhauers Dani Karavan: Wege ins Nichts und die Weite

Dani Karavan verstand es Gegensätze zu vereinen. Seine Gedenkstätten für die Opfer des Holocaust sollten Freude, nicht Trauer auslösen.

Eigentlich hatte Dani Karavan Maler werden wollen und ging deshalb im Anschluss an sein Studium an der Bezalel School of Art and Design in Jerusalem nach Florenz an die Kunstakademie, um Freskomalerei zu studieren. Dort begann sich für ihn die Wandmalerei jedoch zu verselbstständigen. Stattdessen entstanden zweidimensionale Wandgemälde, abgestimmt auf die architektonische Umgebung, aus denen sich schließlich begehbare Skulpturen entwickelten.

Aus dem jungen Maler sollte der bedeutendste Environment-Künstler Israels werden, der überall auf der Welt skulpturale Anlagen schuf, die sich vor allem durch eines auszeichnen: Es sind Erinnerungsorte. Die meisten finden sich heute in Deutschland. In Berlin, Nürnberg, Regensburg, Köln, Duisburg schuf Dani Karavan Monumente des Gedenkens, insbesondere an die Opfer des Holocaust. Auch in seiner eigener Familie fanden viele Mitglieder den gewaltsamen Tod durch die Nationalsozialisten.

Seine Gedenkorte nannte er selbst lieber „Hommagen“

Und doch zeichnen sich Karavans Gedenkorte, die er selbst lieber „Hommagen“ nennt, nicht durch Anklage, sondern sanfte Nachdenklichkeit aus. Das mag auch daran liegen, dass sie stets die Annäherung an ihre Umgebung suchen, sich harmonisch einschmiegen in die Topographie der Städte, ja zu eigenen Gärten werden.

„Meine Memorials lösen nie Trauer aus, eher Freude“, hat der Bildhauer dem Tagesspiegel in einem Interview anlässlich seiner Retrospektive 2008 im Gropius Bau gesagt. „Es sind lebendige Orte, an denen Kinder spielen könnten.“ Ihre Leichtigkeit gewinnen diese Plätze auch durch das Zusammenspiel mit der Natur, den Einsatz von Gras, Zypressen, Bäumen. Das Gespür dafür dürfte er durch seinen Vater bekommen haben, einen Gartenarchitekt.

Um das Mahnmal für die Sinti und Roma kämpfte Karavan immer wieder

Vor seinem damaligen Berlin-Besuch hatte Karavan noch gehofft, dass zur Ausstellungseröffnung auch das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas nahe dem Reichstag eingeweiht werden würde, um das es zuvor jahrelanges Tauziehen gegeben hatte. Doch die Übergabe fand erst vier Jahre später statt.

Noch zuletzt gab es wieder Ärger, weil die Bauarbeiten für den Ausbau der S-Bahn 21 vom Potsdamer Platz zum Hauptbahnhof mitten durch das Areal mit dem kreisrunden Wasserbecken führen sollten. Kämpferisch hatte Karavan gedroht, dass er den Gedenkort unter Einsatz seines eigenen Körpers verteidigen würde. Dazu kam es glücklicherweise nicht, die Parteien einigten sich. Der stille Hain blieb unangetastet.

Karavan vereinigte beide Eigenschaften in sich, Sanftmut und Hartnäckigkeit. Dies lässt sich auch in seinen Arbeiten ablesen, die mit massiven Materialien arbeiten – Beton, Holz, Glas und Stahl –, aber durch die geometrischen Formen poetisch abstrahieren.

Das Memorial für Walter Benjamin führt die Besucher an den Abgrund

Meisterlich gelang ihm die Verbindung des Gegensätzlichen mit seiner 1994 entstandenen „Passage“ im Pyrenäendorf Portbou in Erinnerung an den Philosophen Walter Benjamin, der sich hier 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten das Leben genommen hatte. Ein tunnelartiger, von Eisenplatten eingefasster Weg führt an der katalanischen Küste bis nach unten über die Gischt, wo eine Glasplatte den Besucher vom Abgrund trennt. Der Weg ins Nichts führt zugleich in die Weite.

Glas ist auch das wichtigste Material für das andere Denkmal Karavans in Berlin: die Skulptur „Grundgesetz 49“ von 2002, die aus 19 Scheiben besteht. Auf jede der drei Meter hohen Glaswände an der Spreepromenade, die einen Außenhof des Jakob-Kaiser-Hauses zum Ufer hin abgrenzen, sind auf Augenhöhe 19 Grundrechtsartikel eingraviert. Allerdings des Grundgesetzes in der Fassung von 1949.

Karavan gründete als junger Mann mit anderen einen Kibbuz

Karavan dürfte gerade die Erinnerung an die Gründerzeit der Bundesrepublik gefallen haben, gehörte er doch selbst zur Generation junger Israelis, die einen Staat aufbauten. So gründete er als junger Mann mit anderen einen Kibbuz. Im Alter von 90 Jahren ist Dani Karavan am Samstag in seiner Geburtsstadt Tel Aviv gestorben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false