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Stefania Sandrelli in „Io la conoscevo bene“, mit dem Antonio Pietrangeli 1965 die Ausbeutung in der Filmbranche thematisierte.

© Arsenal

Werkschau von Antonio Pietrangeli: Der gute Geist des italienischen Kinos

Der Regisseur Antonio Pietrangeli ist das Bindeglied zwischen Neorealismus und den gesellschaftskritischen Komödien der 1960er. Das Arsenal widmet dem zu früh Verstorbenen eine Werkschau.

Nachts belebt sich der Palazzo des in die Jahre gekommenen Principe Annibale di Roviano inmitten Roms. Wenn der schratige Adelige sich zur Nacht legt, ziehen zahllose Geister im Haus umher, genießen die abendliche Kühle auf dem Dach, beobachten Passanten in den Straßen und erinnern sich an bessere Zeiten. Tagsüber begleiten die Geister den Principe auf seinen Besorgungen in der Stadt. Dann stirbt Annibale di Roviano und sein Erbfolger plant auf dem Grundstück des Anwesens einen Supermarkt zu errichten. Die Geister des Hauses nehmen die Herausforderung an.

Ein Wegbereiter für den Übergang

Antonio Pietrangelis „Fantasmi a Roma“ (deutscher Titel „Das Spukschloß in der Via Veneto“) ist eine leichte Komödie mit fantastischen Elementen, der Soundtrack ist jazzig, die Ausstattung der Produktion opulent. Mit ihr nahm 1961 seine Regie-Karriere Fahrt auf – kurz nachdem die restaurative Ära des Neorealismus in den späten 1950er Jahren langsam zu Ende gegangen war. Pietrangelis Filme stehen für eine Neuausrichtung des italienischen Kinos. Nun zeigt das Arsenal zwölf Filme des Regisseurs, der in Deutschland immer noch als Nebenfigur im italienischen Kino wahrgenommen wird.

Pietrangelis Debüt „Il sole negli occhi“ („Sonne in den Augen“) von 1953 über eine junge Frau, gespielt von Irene Galter, die aus ihrem Dorf nach Rom zieht und dort als Hausmädchen arbeitet, verortete der Autor Alberto Moravia noch in der Tradition des Neorealismus, „in der der Rhythmus, der Schwung, die Eleganz der Regie die Oberhand über die Authentizität gewinnen“. Tatsächlich sind aber schon Pietrangelis Anfänge eher dem Sozialrealismus verbunden. Direkt nach dem Krieg schreibt er das Drehbuch zu einem kurzen Dokumentarfilm Alberto Lattuadas über das Italian Liberation Corps, eine italienischen Einheit, die sich nach der Kapitulation im September 1943 der britischen Armee angeschlossen hat. Kurz darauf wirkt er am Drehbuch zu Luchino Viscontis „La terra trema“ (1946) mit.

Marcello Mastroianni und Sandra Milo in „Fantasmi a Roma“ (1965) von Antonio Pietrangeli.
Marcello Mastroianni und Sandra Milo in „Fantasmi a Roma“ (1965) von Antonio Pietrangeli.

© Arsenal

Wie viele der Filme Pietrangelis ist „Fantasmi a Roma“ ein Beispiel für den Generationenwechsel und die visuelle Neuausrichtung des italienischen Kinos Anfang der 1960er Jahre. Der Film basiert auf einer Idee von Sergio Amidei, der nach einigen populären Filmen während des italienischen Faschismus zu einem zentralen Autor des Neorealismus werden sollte.

Ettore Scola, der 1964 sein Regiedebüt feierte und in den 1970er Jahren mit seiner Aktualisierung der neorealistischen Tradition auf internationalen Filmfestivals Erfolge feierte, arbeitete am Drehbuch mit.

Als Pietrangelis Hauptwerk gilt sein letzter von ihm fertiggestellter Film „Io la conoscevo bene“ (Ich habe sie gut gekannt) aus dem Jahr 1965, eine Variation seines Debüts. Wieder kommt eine junge Frau (Stefania Sandrelli) aus dem Dorf nach Rom und möchte Schauspielerin werden. Sie trifft auf Männer, die der jungen Frau Versprechungen machen und sie ausnutzen.

Mit einer Riege junger Stars des europäischen Kinos von Sandrelli über Karin Dor, Ugo Tognazzi bis zu Mario Adorf zeigt Pietrangelis Film die ausbeuterischen Machtverhältnisse in der Filmindustrie. In einer Nebenrolle ist Franco Nero zu sehen, ein Jahr bevor er mit „Django“ zum Star wird.

1968 stirbt Antonio Pietrangeli mit gerade einmal 49 Jahren bei einem Badeunfall, sein letzter Film „Come, quando, perchè“ wird von Valerio Zurlini fertig gestellt. Auch wenn Pietrangelis Werk schmal blieb, haben seine Filme im italienischen Kino einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Sie begleiteten den Wandel der italienischen Gesellschaft zu Beginn der 1960er Jahre so kritisch wie komisch: die Modernisierung, den wirtschaftlichen Aufschwung, die sich verändernde Rolle der Frauen. Mit der Retrospektive schließt das Arsenal nun eine Wissenslücke.

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