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Die 35-jährige Melissa Viviane Jefferson (Lizzo) widmet sich in Ihren Songs Themen wie Diversität und Body Positivity.

© REUTERS/BRENDAN MCDERMID

Vorwürfe gegen die Sängerin Lizzo: Enttäuschung mischt sich mit Schmerz

In der Popmusik ist die Identifikation mit dem Künstler-Image Teil des Geschäfts. Darum fühlen sich die Vorwürfe gegen die Vorbild-Künstlerin Lizzo besonders bitter an.

Von Andreas Busche

Popmusik ist ein Markt, auf dem nicht nur Songfiles, Tonträger und Konzertkarten verkauft werden. Das wichtigste Kapital einer Künstlerin oder eines Künstlers bleiben das Image und die Glaubwürdigkeit. Ein Negativbeispiel hierfür lässt sich aktuell an den Reaktionen der Rammstein-Fans ablesen, die – unberührt von den Vorwürfen gegenüber Frontmann Till Lindemann – weiter zu den Konzerten pilgern und sich immer stärker in einer „wir gegen die anderen“-Mentalität einkesseln. Es ist, unabhängig davon, ob an den Vorwürfen etwas dran ist, aktuell ein gutes Beispiel für Fan-Treue und Künstler-Identifikation.

Vielleicht reagieren die Fans auch deswegen gerade so bestürzt auf die Vorwürfe gegen die Popsängerin und -musikerin Lizzo, die seit Dienstag einem Gericht in Los Angeles vorliegen. Weil die 35-jährige Melissa Viviane Jefferson mit ihrer Musik, ihrer Botschaft und ihren Live-Auftritten nicht nur eine neue Sorte Popstar verkörpert.

Missbrauch am Arbeitsplatz

Sie steht auch für einen Paradigmenwechsel in der gegenwärtigen Popmusik, in der großenteils immer noch traditionelle Geschlechtermodelle vorherrschen. Lizzo hat ihren Körper voller Selbstbewusstsein präsentiert und zum Thema ihrer Songs gemacht – und damit Millionen junger Mädchen als Vorbild gedient. Ihre Konzerte sind regelrechte Messen, in denen Body Positivity und Selbstliebe gefeiert werden.

Man kriegt darum die Vorwürfe ihrer ehemaligen Tänzerinnen Arianna Davis, Crystal Williams und Noelle Rodriguez nur schwer zusammen mit dem Image, für das die Musikerin seit Jahren gefeiert wird. Die Frauen werfen Lizzo, ihrer Produktionsfirma und der Tanzchefin Shirlene Quigley unter anderem „sexuelle, religiöse und rassistische Belästigung, Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung“ vor, außerdem die Schaffung eines feindlichen Arbeitsumfelds.

Zur Anzeige stehen damit, im Juristenjargon, Verstöße gegen das kalifornische Arbeitsrecht. Doch die Angelegenheit ist viel komplizierter, emotionaler. Natürlich ist die Unterhaltungsbranche zunächst ein Ort einer Erwerbstätigkeit. Aber es geht auch um Werte und Ideale – und immer öfter heutzutage um eine Solidarität mit der richtigen Sache. Dieses Vertrauen ist momentan massiv erschüttert.

Lizzo auf dem Glastonbury Festival.

© dpa/Yui Mok

Lizzo hat die Vorwürfe der Frauen am Donnerstag auf Instagram als „falsch“ bezeichnet und betont, wie wichtig ihr ein professionelles Klima am Arbeitsplatz, sprich: auf der Bühne, sei. In ihrem Post beschreibt sie die letzten Tage als „herzzerreißend schwierig und überwältigend enttäuschend“. Diese Enttäuschung beruht allerdings auf Gegenseitigkeit, denn von Respekt und der Bereitschaft, anderen zuzuhören, zeugt ihr unterkühltes Statement nicht.

Mehr als nur eine Diva?

Das Interview der drei Frauen auf CNN vom Donnerstag gibt erschütternde Einblicke in das Arbeitsklima auf dem Set. Unter anderem berichten sie, dass Lizzo vor ihnen mit Fäusten herumgefuchtelt haben soll. Ein körperlicher Übergriff, das sollen andere Crew-Mitglieder bezeugen, hätte aber gerade noch abgewendet werden können.

Zudem gab es den Tänzerinnen zufolge auf Lizzos Welttournee einen Streit um die Vergütung. Weiße Manager der Firma hätten den Frauen zufolge „den schwarzen Mitgliedern des Tanzteams“ vorgeworfen, faul und unprofessionell zu sein und eine schlechte Einstellung zu haben.

Sollte an den Anschuldigungen etwas dran sein, was nun die Gerichte zu klären haben, würde das dem Image Lizzos, das so auf Solidarität setzt, schweren Schaden zufügen. Im Pop, mit seinem hohen Grad an Identifikation, schmerzen die persönlichen Enttäuschungen eben besonders.

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