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Manhattan Transfer. Daddy Felix (Bill Murray) führt Laura (Rashida Jones) in noble New Yorker Clubs aus und bringt ihr das Pfeifen bei.

© Apple

Vater-Tochter-Komödie von Sofia Coppola: In "On The Rocks" spielt Bill Murray den redseligen Dandy

Regisseurin Sofia Coppola arbeitet sich in ihrer Komödie an der Figur des narzisstischen Übervaters ab, mit herrlich coolen New York-Bildern.

Okay, er hat ständig nur Machosprüche drauf, aber die Einzeiler sitzen. Und wer wünschte sich Bill Murray nicht als Vater und Gefühlskrisenmanager, wenn es im Privatleben knirscht? Wer ginge nicht allein wegen ihm ins Kino, diesem Mann mit dem herrlich zerknautschen Gesicht, diesem miesepetrigen Zeitschleifen-Gefangenen aus „Und täglich grüßt das Murmeltier“ und wortkargen Whiskey-Tester in „Lost in Translation“?

17 Jahre nach Sofia Coppolas in Tokio angesiedeltem Kultfilm ist „On The Rocks“ nun der zweite Spielfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin mit dem Hollywood-Komödianten. Wobei sie Murray diesmal einen redseligen Playboy auf den Leib geschrieben hat. Nach „Somewhere“ von 2010 ist es zudem ihre dritte, mal indirekte, mal offene Vater-Tochter-Story, in der die eigene Biografie als Tochter von Francis Ford Coppola durchscheint.

Das Alter Ego der heute 49-jährigen Coppola heißt Laura, eine glücklich verheiratete Schriftstellerin und reichlich eingespannte Mutter zweier Kinder, gespielt von der etwas braven Rashida Jones (im wirklichen Leben die Tochter von Quincy Jones). Ein rich girl mit Nobelappartement in Soho, allerdings auch mit akuter Schreibblockade und wachsendem Misstrauen gegenüber ihrem Ehemann Dean (Marlon Wayan), der vor lauter Karriere und Dienstreisen nicht mal mehr Zeit für ihren Geburtstag findet. Hat er womöglich eine Affäre mit seiner tollen neuen Mitarbeiterin?

Prompt taucht Vater Felix auf, der seine Tochter schon in der Audio-Rückblende im Vorspann mit Ratschlägen versorgt. „Merk dir, verlier dein Herz nicht an die Jungs. Du gehörst mir, bis du verheiratet bist. Und wenn du verheiratet bist, auch noch.“ Felix alias Murray, ein so jovialer wie fürsorglicher Dandy und Daddy kutschiert sie in seiner Limousine (mit Chauffeur, versteht sich) durchs nächtliche Manhattan.

Der pensionierte, gleichwohl passionierte Kunsthändler mit besten Beziehungen zur amerikanischen Upperclass schürt Lauras Misstrauen im Hinblick auf Dean nach Kräften. Er setzt Leute auf Dean an, beschattet ihn gern auch mal selbst, ungeheuer diskret im knallroten, lärmenden Cabrio. Schließlich folgt er dem Verdächtigen bis ins mexikanische Luxusresort, mit Laura im Gepäck, der er außerdem das Pfeifen beizubringen versucht.

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So weit, so komisch. Und so cool. Der Titel „On The Rocks“ ist Programm. Die Kamera fungiert als smooth operator und surft durch das nächtliche New York der Clubs und Edelrestaurants.

Cocktailgläser klingeln, an den Wänden hängen millionenteure Gemälde von Monet oder Twombly, und Chet Baker singt „I get along without you very well“. Sofia Coppola versieht die Bilder mit einem exquisiten, altmodischen Softlook à la Woody Allen, und ganz Manhattan dazu.

Sie kann den Blues, kann wunderbar sentimentale Stimmungen zaubern. Wobei man sich die Bilder mitunter etwas weniger verschattet, ja fast düster wünscht. Und man fragt, ob Coppola es nicht doch leise ironisch meint, in eigener Sache.

Ständig wird über Dominanz diskutiert

Klar, in dieser romantischen Komödie wird keine Ehekrise verhandelt, sondern eine Vater-Tochter-Beziehung. Aber warum nur arbeitet sich Sofia Coppola immer wieder an solchen Figuren wie diesem hoffnungslosen Narzissten und Übervater ab? Warum bleibt Laura so blass, so defensiv?

Der alte Mann und das Mädchen: Monogamie, Dominanz, Eifersucht, Ehebruch und die überkommenen Rollenmuster für Männer und Frauen werden zwar unentwegt diskutiert, aber niemals durcheinandergewirbelt oder elegant ausgehebelt. Schade, der Film lässt es sonst ja an Coolness nicht fehlen.

Bill Murrays Sottisen, etwa die, wonach Männer seit Urzeiten vor allem Frauen begehren, die von kleiner Statur sind, glatte Haut, große Brüste und keinen Bart haben, werden als geschliffene Pointen präsentiert. Coppolas Drehbuch gönnt Laura nicht eine einzige gewitzte Replik.

Auch wenn sie ihrem Dad irgendwann eine Standpauke hält, von wegen wie er damals die Mutter, und mit ihr die Kinder, verließ und nie für sie da war. Aber Felix hat das letzte Wort, kontert mit der Erinnerung an jenes Leuchten in den Augen, das seine Frau bald nur noch für die Kids übrig hatte und nicht mehr für ihn. Anders als seine Sekretärin. Der Arme.

Eine Cartier-Uhr zur Versöhnung, ach je

Achtung, Spoiler. Armbänder seien besitzanzeigende Ketten, führt Felix aus und schenkt Laura zum Geburtstag seine alte Uhr, die sie als Kind so geliebt hat. Beim nachgeholten Geburtstagsdinner wartet Ehemann Dean dann mit einer Cartier-Uhr auf, nachdem er Laura erst mit einem Thermomixer beglückt hatte. Schmuck statt Küchenutensilien, so ist es richtig. Die eine Uhr wird abgestreift, die andere angelegt, und Laura wechselt den Besitzer.

Ironie ist hier kein bisschen im Spiel. Es sei denn, Sofia Coppola will auf die Unausweichlichkeit der weiblichen Unterwerfung hinaus. Dann wäre „On The Rocks“ eine sarkastische Tragödie über das Scheitern einer Frau. Statt das Pfeifen zu lernen, sollte Laura lieber auf Männer wie ihren Vater pfeifen.
OmU in den Berliner Kinos Babylon, Delphi Lux, Filmkunst 66, Filmtheater am Friedrichshain, International, Odeon, Passage. OV: Rollberg. Ab 23. Oktober auf Apple TV

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