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 Der Style von Yo-Yo (Teyonah Parris), Slick Charles (Jamie Foxx) und Fontaine (John Boyega) stammt aus den 1970ern, aber die Bedrohung ist gegenwärtig.

© PARRISH LEWIS/NETFLIX

„They Cloned Tyrone“ auf Netflix: Verschwörung des weißen Amerikas

Die schwarze Bevölkerung wird durch Klone ersetzt: Das Drehbuch von Juel Taylors Science-Fiction-Satire kursierte lange in Hollywood. Jetzt hat Netflix es produziert.

Von Andreas Busche

Der Abstieg in die Unterwelt der afroamerikanischen Nachbarschaft The Glen beginnt in einer Kirche, ihr Ausgang mündet direkt in einen Stripclub. Wahlweise gelangt man auch über ein Fastfood-Restaurant in die unterirdische Zentrale, in der Männer in Kitteln weiße Pulver mischen und menschliche, in Cryokontainern konservierte Körper überwachen.

Der „weiße Mann“ hat alle neuralgischen Punkte des schwarzen Alltags – zumindest gemäß einer rassistisch stereotypisierten Pop-Ikonografie – unter Kontrolle gebracht: Die Konnotation dieses Szenarios ist so offensichtlich, dass die Sexarbeiterin Yo-Yo (Teyonah Parris), die sich nebenbei als Hobby-Detektivin versucht, nur kurz genervt die Augen verdreht.

Hollywood hat die „post-rassistische“ Erzählung entdeckt

Es gibt kein Geheimnis in der Netflix-Produktion „They Cloned Tyrone“, die Mystery in Juel Taylors Science-Fiction-Mystery-Komödie verrrät schon der Titel. Seit dem Erfolg von Jordan Peeles „Get Out“ hat die US-Filmindustrie das Genrekino als neues Format für „post-rassistische“ Erzählungen entdeckt. Der Horror von Polizeigewalt, Diskriminierung und Gentrifizierung hat in der Neuverfilmung von „Candyman“ oder in Boots Rileys absurder Satire „Sorry to Bother You“ über einen jungen Schwarzen, der in einem Call-Center seine „weiße“ Stimme mit einem me­phis­to­phe­lischen Deal erkauft, sehr einleuchtende Metaphern für den weiterhin omnipräsenten Rassismus in Amerika hervorgebracht.

Dass eine schwarze Nachbarschaft als Spielfeld für sozioökonomische Experimente herhalten muss, hat einen realen Hintergrund. In den 1980er Jahren fluteten Drogen aus Nicaragua und Panama die verarmten Nachbarschaften amerikanischer Metropolen: mit finanzieller Unterstützung der US-Regierung, der jedes Mittel Recht war, den Einfluss linker Regierungen im Hinterhof der USA einzudämmen.

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„They Cloned Tyrone“ fungiert sozusagen als Komplementärfilm zur Netflix-Dokumentation „Crack: Cocaine, Corruption, & Conspiracy“ von 2021 – mit dem kleinen Unterschied, dass Taylor sich einer anderen Verschwörungstheorie bedient, die einen rassistischen Ursprung hat: dem großen Bevölkerungsaustausch. Auch eine Option kultureller Aneignung.

Fastfood und Haarpflegemittel sedieren die schwarze Bevölkerung

Eines Morgens schreckt der Drogendealer Tyrone Fontaine (John Boyega) panisch aus dem Schlaf hoch: Er ist überzeugt, in der Nacht zuvor von einem Konkurrenten erschossen worden zu sein. Der Zuhälter Slick Charles (Jamie Foxx) und „sein“ Mädchen Yo-Yo bestätigen seine Erinnerung; auch, dass es in The Glen nicht mit rechten Dingen zugeht. Bewohner werden bei helllichtem Tag in schwarze Limousinen gezerrt („die Autos von Hip-Hoppern und Footballern“), Fastfood-Ketten, Haarpflegemittel-Hersteller und Priester sedieren die Bevölkerung.

Solange die Bewohner des Viertels mit sich selbst beschäftigt sind, ist Amerika unter Kontrolle. Und sollten sie sich doch gegenseitig umbringen, werden sie über Nacht durch Klone aus einem unterirdischen Labor ersetzt. Bis das Gen extrahiert ist, das „den Mensch vom Ghetto trennt“, so Kiefer Sutherland in der Rolle des Handlangers sinistrer Regierungseugeniker.

Der hirnrissige Plot von „They Cloned Tyrone“ wird noch verstärkt durch sein Personal, das direkt aus dem Blaxploitationkino der 1970er Jahre stammt; oder aus einem Film der Coen-Brüder. Der Narr mit seiner beschränkten Weltsicht ist dazu prädestiniert, Verschwörungen aufzudecken; selbst wenn er die meiste Zeit im Dunkeln – beziehungsweise durch lichtdurchflutete Korridore und Häuser mit Geheimtüren – tappt.

Das Skript von Regisseur Taylor stand jahrelang auf der Liste der besten unverfilmten Ideen Hollywoods, bis Netflix zuschlug. Zum Leben erweckt hat es allerdings erst die komische Energie von Boyega, Foxx und vor allem Parris, die ungehemmt gegen jedes rassistische Klischee anspielen.

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