zum Hauptinhalt
The War on Drugs in der Berliner Verti Music Hall.

© imago/Carsten Thesing

The War on Drugs live in Berlin: Rock ’n’ Roll ohne Aufschneidertum

Heartland-Rock à la Bruce Springsteen, mit einigen störrischen Fußnoten: The War On Drugs geben in der Verti Music Hall ein souveränes Konzert.

Einmal, das erste Viertel des Konzertes ist gerade vorbei, sendet Adam Granduciel ein paar Grüße an das Team des Michelberger Hotels. Es sei das erste Mal, so sagt er, dass er mit seiner Band nicht dort übernachte, und man meint ein leises Bedauern in seiner Stimme zu hören. Anschließend intoniert er „Strangest Thing“, einen der schönsten Songs des 2017 erschienenen Albums „A Deeper Understanding“. Es ist eine Ansage, die zum Abend passt: Das Michelberger ist Teil der vielwinkligen, über Dekaden gewachsenen Pop-Infrastruktur der Hauptstadt und längst mehr als ein Übernachtungsbetrieb. The War On Drugs hingegen spielen in der Verti Music Hall an der East Side Mall. Die erinnert eher an ein Multiplexkino, vor allem wenn man Sitzplätze hat. Dann betrachtet man die Band von weit oben – und aus einer für ein Venue dieser Größenordnung ungewohnt großen Entfernung. Kurzum: Das mutmaßlich Verschwitzte, Kernige wie The War On Drugs fehlt völlig.

Das muss nicht unbedingt stören, denn das Konzert ist schon allein vom Set-up her beeindruckend. In der Mitte Frontmann Granduciel, vor sich eine Batterie aus Effektgeräten. Seine Soli entzerren die Songs, sie geben ihnen Brüche mit, zusätzliche Umdrehungen, die dafür sorgen, dass die Band nie Gefahr läuft, in Stadionrock-Pastiche abzudriften. Um ihn herum die Kollegen, vor allem erwähnenswert: Jon Natchez, dessen Saxofon eines der wichtigsten Werkzeuge des Abends ist. Es versieht diese stets traurige Musik, die mal intim wirkt wie eine Tagebuchnotiz Granduciels, die sich aber durchaus auch zu jener Grandezza hin öffnet, die man vom Heartland-Rock eines Bruce Springsteen kennt, mit einigen störrischen Fußnoten.

Besuch von sechs Berliner Weihnachtsmärkten

Zwei Stunden lang geht das so, ohne allzu große Ablenkung. Einmal erzählt Granduciel von den Berliner Weihnachtsmärkten – sechs Stück habe er besucht –, gegen Ende wandert ein überdimensionales Laken über den Bühnenhintergrund, das an ein Segel erinnert. Der Sinn erschließt sich nicht unbedingt. Den Rest erledigt das Licht, es kommt von oben, unten, seitlich, es leuchtet in allen Farben. Mal zerschneidet es mit weißen Strahlen das Auditorium, mal taucht es die gesamte Bühne in ein warmes Sepia, mal wirft ein einziger Spot Granduciels Gitarrenhals als Schattenriss an die linke Hallenseite.

Der letzte Song ist „Lost In The Dream“, der Titeltrack des vorletzten Albums. Er klingt feierlicher als auf Platte. Die Orgel wummert, Granduciel legt viel mehr Gewicht in seine Stimme. Trotzdem mutet all das völlig selbstverständlich an, was so faszinierend ist an diesem Abend . Souveräner als The War On Drugs intoniert gerade niemand den Rock ’n’ Roll. Gleichzeitig verzichten sie auf Pose und Aufschneidertum, und das ist nicht hoch genug zu loben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false