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Adam Granduciel, der Frontmann und Songschreiber der Band The War on Drugs.

© IMAGO/Gonzales Photo/IMAGO/Gonzales Photo/Flemming Bo Jense

The War on Drugs auf der Zitadelle Spandau: Aus der Echokammer der Bezüge

Zugängliche Keyboard-Figuren und ausfransende Instrumentalparts. The War On Drugs haben in 18 Bandjahren einen Sound entwickelt, der auch live in Berlin überzeugt.

Wenn bei den War On Drugs einer für die Rockstar-Pose zuständig ist, dann Charlie Hall. Der Schlagzeuger thront mittig auf seinem Podium: dunkle, schulterlange Locken, die von einer Windmaschine durch die Luft gewirbelt werden, im Gesicht ein amtlicher Schnauzer – so grinst er in Richtung seiner Bandkolleg:innen.

Es dauert am Mittwochabend in der Zitadelle Spandau vier Songs, bis die Gruppe sich vollends gefunden hat. Dann beginnt „I Don’t Wanna Wait“ mit dem Pluckern eines Drumcomputers, Synthies schieben sich rein, Saxofon-Schlieren schweben durch den Sound. Hall setzt vereinzelte Schläge auf sein Instrument, akzentuiert jeweils vom Licht eines Scheinwerfers, der hinter ihm emporblendet und Schatten in den rauchgeschwängerten Bühnenraum wirft. Ein Countdown zum vollen Einsatz der Band, drei, zwei eins und bähm: Die Armhärchen stehen einem zu Berge.

The War On Drugs machen Musik für die große Bühne: eine aus der Zeit gefallene Mischung aus Heartland-Rock, Noise und 80er-Pop. Mit Bergen von Keyboard-Schichten und Gitarren-Feedback baut die Band eine Echokammer der Bezüge, aus dem eine Heerschar von Idolen herausraunt: Bruce Springsteen, Neil Young, Dire Straits, hach ja.

Fühlt sich gut an, endlich mal ein gelungenes Berlin-Konzert zu geben. 

Adam Granduciel, Sänger von The War on Drugs, zwischen zwei Songs

Interessanterweise verweigert Sänger, Leadgitarrist und Songschreiber Adam Granduciel jede große Geste am Bühnenrand. Mit seinen strähnigen, inzwischen leicht schütteren Haaren und der schwarzen Regenjacke sieht der 44-Jährige eh eher wie der Hauptverdächtige aus einem Krimi im Alt-Hippie-Milieu aus. (Indiz Nummer eins: das lila Batik-Shirt, das unter der Jacke hervorleuchtet.) Über seine Gitarre gebeugt, gern auch mit dem Rücken zum Publikum, entlockt er ihr ein brüchiges Strahlen. Ähnlich unprätentiös auch sein Gesang: Der Frontmann scheint die Worte aus tiefster Seele hervorzupressen, die Vokale langgezogen wie bei Bob Dylan.

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Er pilgert von einem Bandmitglied zum nächsten

Aus dem Strudel der Inspirationsquellen hat Granduciel im Laufe der 18 Bandjahre einen sehr eigenen Sound destilliert. Mit zugänglichen Keyboard-Figuren und Raum für ausfransende Instrumentalparts. Bei ihrem Zitadellen-Konzert hält sich die Kombo aus Philadelphia jedoch weitgehend an das Maß an Ausschweifung, das sie ihren Songs auf den bislang fünf Platten zugesteht.

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Zwischen den Stücken zeigt sich Granduciel bester Laune, erzählt schon mal, dass es sich gut anfühle, endlich einen gelungenen Berlin-Auftritt zu geben. Beim letzten habe Bläser Jon Natchez Corona gehabt, beim Mal davor er selbst eine derart wilde Kaffee-Kreation zu sich genommen, dass er auf der Bühne nur geschwitzt habe und ganz in seinem Kopf gefangen geblieben sei. Das ist diesmal anders. Granduciel pilgert von einem Bandmitglied zum nächsten, spielt mal ein bisschen mit Keyboarderin Eliza Hardy Jones, dann spornt er „Lead Synthesizer“ Robbie Bennett zu einem kurzen Solo an.

Die War On Drugs konzentrieren sich nahezu komplett auf ihre drei jüngsten Alben, „Lost In The Dream“ (2014), „A Deeper Understanding“ (2017) und „I Don’t Live Here Anymore“ (2021). Auf denen haben sie ein Maß an Detailfreude etabliert, das sich live nur schwer wiedergeben lässt. In der Zitadelle ist der Sound nicht nur derart massiv geraten, dass einem die Bassdrum den Brustkorb vibrieren lässt. Die Band füllt auch alle porösen Stellen in ihrem Klangbild mit einer Synthie-Glasur, sodass die Stücke zuweilen überraschend glatt wirken.

Die rund 4500 Fans in der Zitadelle nicken auch meist nur wohlwollend im Takt. Erst als in der zweiten Hälfte des Konzerts die Stücke von „Lost In The Dream“ zunehmend Raum einnehmen, kommt Bewegung in die Menge. Zu „Under The Pressure“ entsteht sogar ein kleiner Moshpit, dass es ordentlich staubt. Granduciel schreit die letzte Strophe des Songs förmlich aus sich heraus, bevor sich Charlie Hall zum finalen Drum-Schlag von seinem Hocker erhebt – und dabei vor lauter Schwung fast vom Podium fällt. Ein kurzer Wackler, dann sitzt die Rockstar-Pose wieder.

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