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Pferdennarr und Pferdenärrin. Cora Frost, auch bekannt als Peter, Prinz von Theben.

© Benno Kraehahn

Mummenschanz für eine Avantgardistin: Cora Frost und Band singen Else Lasker-Schüler

Geisterbahnfahrt in die Ideenwelt einer Dichterin. „Else – Ich trage Dich immer zwischen meinen Zähnen“ in der Bar jeder Vernunft.

| Update:

Die Show beginnt mit einem Showstopper in Rätselvideoform. So hat es die Verstörerin Cora Frost gerne. Damit, dass die Hommage der Sängerin an die Lyrikerin Else Lasker-Schüler einfach nur eine Musikshow mit Gedichtvertonungen wird, war eh nicht zu rechnen. Dazu ist das Kleinkünstlertum der Cora Frost schon zu sehr ins Schamanenhafte übergegangen. Von all den schrägen Programmen ist „Else – Ich trage Dich immer zwischen meinen Zähnen“ einstweilen das schrägste.

Witzig daran: Der ratlos-staunende Blick des Bürgers und der Bürgerin, die sich fragen, was um Himmels willen die wildgewordenen Künstler da auf der Bühne verzapfen, könnte derselbe sein, der sich in den 1910er und 1920er Jahren auf das avantgardistische Treiben von Else Lasker-Schüler richtete. Die genderfluide Jüdin, die es liebte, im orientalischen Kostüm als Prinz Yussuf aufzutreten, ist tatsächlich die legitime Urahnin von Cora, alias Peter, Prinz von Theben, Frost.

„Ich bin Else“, klärt Cora Frost gleich anfangs die Hauptpersonalie. Aber ihre drei Bandmitglieder – Jakob Dobers, der die meisten Lyrikvertonungen besorgt hat, Gary Schmalzl und Florian Loycke, der sich auch als toller Puppenspieler betätigt – behaupten dasselbe. In einer zuerst arg improvisiert wirkenden Collage aus Texten, Liedern und Theatralik nähern sie sich dem Berliner Leben der Avantgardistin Lasker-Schüler, die 1933 emigrieren musste. Motzstraße, Romanisches Café, Café Josty, befreundete Zeitgenossen wie Franz Marc, dessen Pferde sich als Requisiten wiederfinden, ziehen vorbei. Vor lauter Darstellerei kommt jedoch die Gitarren-grundierte Musik zu kurz.

Das ändert sich in der zweiten Hälfte, als der Else-Abend endlich seinen Rhythmus findet. Als Puppenspielshow, in der Cora Frosts Else-Handpuppe sich Schlagabtäusche mit den von Florian Loycke geführten liefert. Darunter ein verbiesterter Gottfried Benn, ein zotteliger Erich Mühsam, ein verklemmter Franz Kafka und eine schlackernde Anita Berber. Neben den Lasker-Schüler-Vertonungen oder dem Lied „Morphium – Orchidee“ von Anita Berber ist da mit „You Want It Darker“ auch ein starker Song von Leonhard Cohen zu hören.

Gespenstertanz, Mummenschanz, „Else“ gleicht einer Geisterbahnfahrt durch die Ideenwelt der Poetin, die von Gottfried Benn und Karl Kraus verehrt und von Rainer Maria Rilke und Franz Kafka geschmäht wurde. Dass ihre Gedichte durchaus als Lieder taugen, zeigt die schöne Vertonung von „Stern“, die Cora Frost gemeinsam mit Florian Loycke singt. Die von den Klezmatics stammende jiddische Ballade „Di Zun Vet Aruntergeyn“ setzt einen ergreifenden Schlusspunkt. Die echte Else starb 1945 arm und verzweifelt in Jerusalem.

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