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© dpa/Jens Kalaene

Tag 2 der Berlinale: Techno mit Matt Damon und Dieter Kosslick an der Klampfe

Kaum ist das Festival mit Wumms eröffnet, folgt schon der nächste Umbruch. Was sagt der frühere Leiter zur neuen Berlinale-Staffel? Und was ist eigentlich ein Cineaist?

Eine Kolumne von Robert Ide

| Update:

Als Hertha-Fan laufe ich ja selten im roten Schal durch die Stadt. Aber bei den ersten Schritten über den roten Berlinale-Teppich unter der glitzernden Diskokugel fühlt sich das genau richtig an. Vor dem Eröffnungsfilm wummern Techno-Bässe durch den Berlinale-Palast. Walter Momper, einst Rotbeschalter Bürgermeister, würde dazu wohl sagen: „Berlin, nun freue Dich!“

Bilderwald vor lauter Bäumen

Worüber wir uns wieder zehn Tage lang freuen dürfen, erklärt Festivalchef Carlo Chatrian zur Eröffnungsgala auf fast filmreife Art. Hören wir mal rein: „Angesichts der stillen Tragödie der Bilder ohne Substanz, der aus dem Nichts erschaffenen Zahlen und Fakten, der manipulierten Töne sind die Bilder, die das Festival zeigt, so kostbar wie ein Wald, der zu sterben droht.“ Ah ja, da sieht wohl jemand den Bilderwald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Nach dieser Berlinale treten Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian ab.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Verdenken kann man es dem Cineasten Chatrian nicht, der im Berlinale-Rollsplit-Februar nie so richtig ankam und schließlich von Kulturstaatsministerin Claudia Roth berlinisch brüsk vergrault wurde. Gemeinsam mit Mariette Rissenbeek, die als Krisenmanagerin das weltweit größte Publikums-Festival über die Lockdowns rettete, macht er Platz für Tricia Tuttle. Londons Filmfestchefin soll die Berlinale nächsten Jahr den nächsten neuen Dreh geben.  

Matt Damon statt AfD

In diesem Jahr dreht sich die Berlinale wieder viel um Politik. Rissenbeek rief bei der Eröffnungsrede im hollywoodreif besetzten Berlinale Palast: „Hass steht nicht auf unser Gästeliste.“ Statt der AfD durfte Matt Damon rein, der Berlin als einen seiner Lieblingsorte pries: „Die Stadt ist so offen wie ihre Menschen.“ Und Ministerin Roth fand zumindest als Rednerin zu alter demokratischer Urgewalt zurück, als sie mahnte: „Menschlichkeit ist unteilbar“ - und mit Blick auf die von den Hamas-Terroristen entführten israelischen Geiseln rief: „Bring them home now!“

Neu im Kino. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner.

© dpa/Jens Kalaene

Bevor die Cineasten übernahmen und der düstere Eröffnungsfilm „Small things like these“ über die Leinwand tränte, sorgte noch Berlins neuer Regierender Berlinale-Meister Kai Wegner für einen Lacher, als er die „Cineaisten“ im Saal begrüßte. Naja, das üben wir noch mal fürs nächste Jahr.

Jede Staffel der Berlinale ist durchaus lustig und aufregend, endet aber abrupt. So wie plötzlich mein Telefon klingelt, bevor ich mich auf den Weg in den Berlinale-Palast mache. „Hier ist Dieter Kosslick, ich wollte mich zurückmelden.“

Dieter Kosslick brachte einst den Glanz auf die Berlinale.

© picture alliance / Jens Kalaene//Jens Kalaene

18 Jahre lang hat der Mann mit Hut und rotem Schal der Berlinale das Glitzern beigebracht und Hollywood in den Berliner Rollsplit-Winter gelockt. Spürt er noch Abschiedsschmerzen? Kosslick lacht: „Ach, ich fahre jetzt nicht mit meinem Fahrrad zum Potsdamer Platz und gucke, an welchen Ecken ich früher mal gestanden habe.“

Dieter Kosslick ist bei diesem Berlinale-Übergang lieber erst gar nicht dabei. Seinem Festival drückt er trotzdem die Daumen – „schon wegen des fantastischen Publikums“. Und dem deutschen Film sowieso: Die magisch zart spielende Sandra Hüller ist aussichtsreich im Oscar-Rennen, ebenso Regisseur Wim Wenders mit seinem auch musikalisch brillanten Film über einen Toilettenreiniger in Tokio. Kosslick schwärmt: „Ich war gerade auf Lanzarote, da habe ich ein Glas Tempranillo getrunken und auf der Klampfe gespielt: The house of a rising sun. Für Wim und das deutsche Kino.“

Vielleicht braucht die Berlinale vor ihrer nächsten Staffel genau das: einen wärmenden roten Schal der Zuneigung.

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