zum Hauptinhalt
Stefanie Reinsperger kommt als Revierleiterin Jana Doussière aus den Vogesen in den nach Berlin.

© rbb/Maor Waisburd

Stefanie Reinsperger ist die „Großstadtförsterin“: Im Grunewald mit Bäumen kuscheln

Erderwärmung statt Lodenmantel. Stefanie Reinsperger, Theaterstar des Berliner Ensembles, ist jetzt im Wohlfühlformat ARD-Freitagsfilm als Försterin zu sehen. Eine Begegnung.

Omnipräsent ist sie derzeit, die Frau Reinsperger. Als Star des Berliner Ensembles und im Dortmunder „Tatort“ sowieso. Doch auch ihr Glamour-Titelfoto auf dem „Arte-Magazin“ zur Serienrolle in „Haus aus Glas“ liegt erst zwei Monate zurück.

Die 1988 geborene Österreicherin, die sowohl an der Wiener Burg spielte, wie auch die Buhlschaft im Salzburger „Jedermann“, hat sich seit ihrem BE-Eintritt 2017 mit Rollen wie Brünnhilde und dem Theatermacher Bruscon auch in Berlin einen Ruf wie Donnerhall erworben. Ihr Anti-Bodyshaming-Buch „Ganz schön wütend“ hat ihn 2022 in Deutschland und Österreich noch mal verstärkt.

Und ausgerechnet so eine über jedes Rollenklischee erhabene Schauspielerin nimmt sich jetzt der schwer mit Klischees beladenen Förster-Figur an? Auf dem populären, aber als seicht verschrienen Degeto-Sendeplatz „Endlich Freitag im Ersten“, wo sie als „Großstadtförsterin“ durch den Grunewald streift. Der Auftaktepisode „Berliner Besonderheiten“ sollen weitere folgen.

Beste Freundinnen. Umweltsenatsfrau Aylin (Aybi Era) und Försterin Jana (Stefanie Reinsperger) haben zusammen an der Forstakademie Eberswalde studiert.
Beste Freundinnen. Umweltsenatsfrau Aylin (Aybi Era) und Försterin Jana (Stefanie Reinsperger) haben zusammen an der Forstakademie Eberswalde studiert.

© rbb/Maor Waisburd

Wird auch wieder Zeit, dass in einem Unterhaltungsformat jemand durchs Unterholz kraucht. Nachdem das ZDF seinen Heimatserien-Dauerbrenner „Forsthaus Falkenau“ 2013 absetzte, gab es von 2018 bis 2022 auf dem Freitagabend einen muskulösen Waldpfleger namens „Der Ranger“, Untertitel: „Paradies Heimat“. Der war im Nationalpark Sächsische Schweiz unterwegs, bretterte mit einem Pickup umher und beschäftigte sich mit zeitgemäßen Themen wie Problem-Wölfen. Ranger klang auch gleich viel internationaler.

Vier aus dem Revier. Die Großstadtförsterin Jana Doussière (Stefanie Reinsperger, in Orange) und ihr Team.
Vier aus dem Revier. Die Großstadtförsterin Jana Doussière (Stefanie Reinsperger, in Orange) und ihr Team.

© rbb/Maor Waisburd

Hängt doch dem Förster der schwere Muff des Heimatfilms im grünen Loden. Namen wie Rudolf Prack, der Försterschwarm aus „Grün ist die Heide“, und Filmtitel der 40er und 50er Jahre wie „Der Förster vom Silberwald“, „Der Erbförster“, „Försterliesel“ sind damit verbunden. Stets wirkt der Forstmann dort als edler, wertkonservativer Beschützer der Natur, der sich gierigen Holzschlägern, Wilderern und anderen Frevlern in den Weg stellt.

Diese Geschichten, die im Fall von „Grün ist die Heide“ auch Vertriebenenschicksale thematisierten, salbten Anfang der Fünfziger die kriegsversehrten Seelen der Deutschen. Bannten eskapistische Sehnsüchte. Und beschworen in der Tradition der deutschen Romantik Wald und Natur als Zuflucht, Idylle und Gegenmodell zum urbanen Chaos zerbombter Städte.

Heimatfilm? Nein, danke.

Konfrontiert man Stefanie Reinsperger mit der Heimatfilm-Prägung des jetzt auch von ihr verkörperten Berufstandes, tauchen in ihren Augen große Fragezeichen auf. „Wir haben bei dieser Reihe überhaupt nicht an Heimatfilm gedacht“, sagt sie und wehrt das Ansinnen, die „Großstadtförsterin“ in dieser Tradition zu sehen, rundheraus ab. „Sie können sich sicher sein: wo ich mitmache, das passt meistens in keine Schublade.“ Immerhin passt’s ins Format: Freitagabend, 20.15 Uhr.

Das gibt Zoff. Die neue Chefin (Stefanie Reinsperger) wird vom Forstmeister Robin (Eugen Knecht) nicht gerade begeistert begrüßt.
Das gibt Zoff. Die neue Chefin (Stefanie Reinsperger) wird vom Forstmeister Robin (Eugen Knecht) nicht gerade begeistert begrüßt.

© rbb/Maor Waisburd

Zum Gespräch mit der Darstellerin der Jana Doussière, die es nach neun Jahren in den einsamen Vogesen in den übernutzten Grunewald mit teils mehr Menschen als Wildsäuen verschlägt, hat der federführende RBB in die Dachlounge des Fernsehzentrums geladen. Von hier aus eröffnet sich ein weiter Blick auf den wintergrauen Grunewald.

Sie habe zuvor beim Stichwort Förster immer an einen ländlich verorteten Mann mit Hund gedacht, erzählt die freundliche Frau Reinsperger. Dass es in Berlin Stadtförster und -försterinnen gibt wie die Forstwirtin Katja Kammer, die bis 2023 das Forstamt Grunewald leitete und für die Figurenentwicklung von Autorin Beatrice Meier und Regisseurin Sabine Bernardi die Inspiration lieferte, war ihr nicht bekannt.

Mit Rückepferd Volker im Grunewald. Yvonne Mieder (Bärbel Schwarz) holt die Stämme aus dem Grunewald.
Mit Rückepferd Volker im Grunewald. Yvonne Mieder (Bärbel Schwarz) holt die Stämme aus dem Grunewald.

© rbb/Maor Waisburd

Reinspergers Figur hat mehr von Baumversteher Peter Wohlleben, dem Bestsellerautor unter den Grünröcken, als von Kettensägenfans, die den Baumbestand in Festmeter Holzschlag umrechnen. Zu Beginn der ersten Episode läuft die achtsame Jana schnuppernd und schauend durch den schütteren, von Trockenstress gezeichneten Wald. Befühlt hier einen Blattfraß, dort eine Borke und legt sich auf einer menschenleeren Lichtung seufzend ins Gras. Wenn da nur nicht die störenden Städter wären, die Wildschweine mit Bioäpfeln anfüttern. Und sich dann wundern, wenn die ihnen an der Badestelle an die Stullen gehen.

Eine schicke E-Bike-Piste

In Nullkommanichts verstrickt sich die ruppige Misanthropin Jana, die ein Trauertrauma plagt, in Tierschützer-Shitstorms und Baumschützeraktionen. Sehr zum Unwillen ihrer Studienfreundin Aylin (Aybi Era), einer karriereorientierte Macherin in der Senatsumweltverwaltung. Aylin hat die Försterin hergeholt, damit sie ihr als erstes eine schicke E-Bike-Piste planiert. Aber nicht mit Jana! Und auch ihr Revierteam, das Forstmeistermacho Robin (Eugen Knecht) anführt, entpuppt sich nach anfänglicher Skepsis als Pfundstruppe aus diversen Berliner Schnauzen.

An der „Großstadtförsterin“ habe sie gereizt, das Thema Klimaschutz und Natur ins Hauptabendprogramm zu bringen, erzählt Stefanie Reinsperger. „Dass bei dem Thema immer noch Leute die Augen rollen, tut mir persönlich sehr weh. Ich finde es mutig und toll, dass wir das auf einen Freitagabendplatz heben und dadurch die Chance haben, das Thema näher in die Wohnzimmer zu bringen.“

Die Baumschützer sind schon da. Jana Doussière (Stefane Reinsperger) will Atlas-Zedern in den Grunewald pflanzen.
Die Baumschützer sind schon da. Jana Doussière (Stefane Reinsperger) will Atlas-Zedern in den Grunewald pflanzen.

© rbb/Maor Waisburd

Zu 90 Prozent beschäftige sich der Forstbetrieb im Grunewald mit der Aufgabe, Müll wegzuräumen, sagt sie. Was im Film sinnfällig durch den realen Fall eines Sofas, das in einer Baumgabelung hängt, erzählt wird. Ebenso, dass nur noch wenige Prozent des Baumbestands unversehrt sind.

Vor dem Dreh im Sommer 2023 sei ihr Verhältnis zum Wald eher romantisch geprägt gewesen, sagt die Schauspielerin. „Ich dachte: toll, wir haben einen Wald, wo man Ruhe finden kann, der mit der S-Bahn erreichbar ist.“ Die damals geltende Waldbrandstufe 5 habe das jedoch geändert. Reinsperger wurde klar, welche Arbeit und welches Verständnis die Waldpflege durch die Forstleute erfordert.

Als Kind einer Wander-Familie wurde Reinsperger von den Eltern mitgegeben, sich in der Natur als stiller, aufmerksamer und reinlicher Gast zu verhalten. „Ich verstehe den Übermut nicht, mit dem der Mensch Teile der Natur für sich beansprucht. Die Erfahrung zeigt ja auch, dass die Natur den Menschen abstößt.“ Dummerweise zeigt sich der Stadtforst da weniger wehrhaft als menschenfeindlichere Weltregionen.

Ihr selbst hat die Rolle als Geburtstagsgeschenk schon eine Atlas-Zeder eingebracht. Sie soll im Topf auf Reinspergers Balkon. Der baummigrationsfeindliche Forstmeister Robin lehnt im Film die Anpflanzung der trockenheitsresilienten Setzlinge mit Sätzen wie „Bleib mir weg mit den Exoten“ oder „Berlin ist doch nicht Mittelmeer“ ab. Ähnlich wenig subtil ist auch das Beste-Freundinnen-Verhältnis zwischen Jana und Aylin geraten. „Ich hab‘ dich lieb, wildes Kind!“, rufen sich die beiden trotz fachlicher Streitigkeiten zu. Tatsächlich: Naturkitsch im Fernsehen zu verkaufen, wird in Klimakrisenzeiten schwierig. Aber Freundinnenkitsch geht immer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false