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Sozialistische Idealwelten. Glasbild von Walter Womacka im ehemaligen Staatsratsgebäude.

© Peer Grimm/dpa/VG Bildkunst 2020

Sozialistische Verheißungen am Bau: Auf einmal ist die DDR-Kunst wieder schick

Eine fast vergessene Gattung bekommt wieder Aufmerksamkeit: Kunst am Bau in der DDR. Ihr Hauptfeind ist nicht mehr Ideologie, sondern der Edelmetallpreis.

Als im Dezember in Erfurt die Wiederaufstellung von Josep Renaus Wandbild „Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik“ aus den 1980er Jahren mit Glühwein und Bratwurst gefeiert wurde, erstaunte das starke öffentliche Interesse.

Spätestens mit dem bestürmten Symposium „Kunst am Bau in der DDR“ in der Berliner Akademie der Künste aber ist klar: Nachdem sich die Architektur der DDR, die Ost-Moderne, bereits zum Modethema entwickelt hat, zahlreiche Konferenzen darüber abgehalten wurden, Bücher ganze Regale füllen, zeichnet sich hier der nächste Trend ab.

Das gemeinsam mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung einladende Bundesbauministerium besaß offensichtlich das richtige Gespür. Immer wieder verwiesen die Redner verwundert darauf, dass dies die erste Konferenz zum Thema sei.

Dreißig Jahre nach dem Fall der Mauer scheint die Zeit endlich reif, sich der Kunst am Bau in der DDR zu widmen und diese Hinterlassenschaft frei von Ranküne nach ihrer Bedeutung zu befragen – sofern sie noch existiert. Einen Bildersturm habe es zwar nicht gegeben, konstatierte der Architekturhistoriker Thomas Flierl. Aber die Privatisierung zahlreicher öffentlicher Gebäude hat so manches Werk verschwinden lassen.

Wandbild im ehemaligen Staatsratsgebäude
Wandbild im ehemaligen Staatsratsgebäude

© BBR / Cordia Schlegelmilch

Eine der wenigen Ausnahmen war 1991 der wochenlange „Sturz“ des 19 Meter hohen Lenin-Denkmals in Friedrichshain, bei dem sich der Stein hartnäckig seiner Zerlegung widersetzte. Inzwischen hat sich die Stimmung geändert. Vielerorts wird an der Wiederherrichtung wenn auch weniger prominenter Werke gearbeitet.

So bekommt das Plauener Rathaus sein 250 Quadratmeter großes Wandbild zurück, ein abstraktes Mosaik aus Keramikgranulat. Mit Ostalgie hat das weniger zu tun, eher mit der Aufarbeitung von Relikten einer zeitlich abgeschlossenen Phase, die bisher unter Ideologieverdacht standen und bisweilen Aversionen hervorriefen.

Kunst am Bau: 10.000 Werke entstanden in 70 Jahren

Zepners Porzellanbild aus dem Palast der Republik
Zepners Porzellanbild aus dem Palast der Republik

© BBR / Cordia Schlegelmilch

Dabei verliefen die Anfänge der Kunst am Bau in Ost und West noch parallel. Schätzungen zufolge entstanden in den letzten 70 Jahren insgesamt 10.000 Werke. Anfang der 50er Jahre erinnerten sich beide Seiten des von der Weimarer Republik 1928 erlassenen Gesetzes, wonach ein bestimmter Anteil der Bausumme in Kunst investiert gehört, beide schrieben ein bis zwei Prozent vor. Damit endeten aber auch schon die Gemeinsamkeiten.

Wurden in der BRD Jurys eingesetzt, mischten sich in der DDR hohe Politiker und Kombinatsfunktionäre in die Gestaltung ein. Max Lingner, der für das ehemalige Reichsluftfahrtministerium in Berlin, das zu DDR-Zeiten als Haus der Ministerien firmierte, ein 24 Meter breites Wandgemälde schuf, bekam dies zu spüren. Otto Grotewohl korrigierte immer wieder den Entwurf fröhlich marschierender Sozialisten.

Mosaik am heutigen Sitz des Finanzministeriums
Mosaik am heutigen Sitz des Finanzministeriums

© BBR / Cordia Schlegelmilch

Mit seinem Vortrag legte Thomas Flierl sehr genau dar, wie sich im Laufe der Jahre aus der affirmativen Funktion der Wandbilder, dem darin ablesbaren Bedürfnis nach Legitimation des jungen Staates, ein anderes Verständnis der bildenden Kunst entwickelte. In den 60ern begann die Abkehr vom ideologischen Kunstcharakter.

Die mal abstrakten, mal blumigen Darstellungen an den Giebelseiten der Plattenbauten dienten vor allem dazu, die Typenarchitektur unterscheidbar zu machen. Die Kunst am Bau driftete ins Dekorative ab, landete in der Provinz.

Sozialistische Verheißungen im öffentlichen Raum

Die großen Wandgemälde wanderten zunehmend ins Innere. Der 16-teilige Zyklus „Dürfen Kommunisten träumen?“ im Palast der Republik, dem ersten Repräsentationsbau der DDR, hing im zweiten und dritten Stock. Sighard Gilles Fresko „Gesang vom Leben“ für das Leipziger Gewandhaus kann zumindest durch die Glasfront von außen eingesehen werden. Die sozialistischen Verheißungen im öffentlichen Raum gerieten mit dem Niedergang des Staates immer kleinlauter.

Café Moskau
Café Moskau

© BBR / Cordia Schlegelmilch

Der Reiz für die Künstler bestand nicht zuletzt im Geld, das sie mit thematischen Wandbildern verdienen konnten, wie Paul Kaiser vom Dresdner Institut für Kulturstudien vorrechnete. Als oberste Kategorie der Vergütung bekamen sie 1200 Mark pro Quadratmeter und damit weit mehr als viele Ärzte.

Die beste Bezahlung sicherte sich Werne Tübke mit seinem Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen. Ihn machte der Staatsauftrag zum DDR-Mark-Millionär, sein Mammutbild zieht heute die meisten Museumsbesucher in Thüringen an.

Zuletzt ließen sich sogar dissidentische Künstler wie Trak Wendisch beauftragen, der einen Bauzaun in der Schönhauser Allee gestaltete. Die einst sozialistischen Vorzeigepaare wandelten sich in melancholische Versionen von Adam und Eva. In Halle erhielt Norbert Wagenbrett für sein Doppelgemälde zwar noch das Honorar, aufgehängt wurde es schon nicht mehr, so deprimierend wirkte sein Paar.

Retten, was zu retten ist

Das ändert sich gerade, eine neue Wertschätzung setzt ein, der Denkmalpflege erwächst ein weiteres Aufgabengebiet. Ulrike Wendland, seit 2005 Landeskonservatorin in Sachsen-Anhalt, berichtete von ihrem Wettlauf mit der Zeit, um das „Artensterben“ zu verhindern.

Ihr Vorgänger musste in Halle noch für den Erhalt der „Flamme der Revolution“ kämpfen, den Abriss des „Monuments der revolutionären Arbeiterbewegung“ – vier zum Himmel gereckte Fäuste – konnte er nicht verhindern. Die beherzte Denkmalpflegerin versucht heute zu retten, was zu retten ist. Ihr Augenmerk richtet sich dabei auch auf den ländlichen Raum, der ebenso Ort „visionärer Bildwelten“ war.

Kino International
Kino International

© BBR / Cordia Schlegelmilch

„Die politischen Botschaften gehen rapide verloren“, warnte Wendland. Mit dem Verlust der Zeugengeneration verschwinde auch das Wissen, die Kontextualisierung. So musste die aus dem Westen stammende Konservatorin erst lernen, welche Bedeutung „Der kleine Trompeter“ hat.

Was einst selbstverständlicher Bestandteil des öffentlichen Raumes war, wird heute leicht übersehen oder gar gestohlen. Vermutlich waren es Schrottdiebe, die Ende 2017 einen der drei März-Kämpfer vor der einstigen Stasi-Zentrale von Halle abtransportierten. „Der Hauptfeind ist nicht mehr die Ideologie, sondern der Edelmetallpreis,“ sagte Wendland.

Plötzlich cooles Design

Doch es gibt Hoffnung. So soll ein Sgraffito mit Gurken und Tomaten vom Lehrlingswohnheim der VEG Gewächshausanlage in Vockerode gerettet werden, ein anderes wanderte auf die Lärmschutzwand einer Autobahn. In Sangershausen konnte mit dem Neubesitzer eines Wohnblocks ausgehandelt werden, dass für den Erhalt der äußeren Gestaltung im Gegenzug eine Photovoltaikanlage auf das Dach durfte.

Prompt wurde Wendland anschließend gefragt, ob nicht auch die berühmte Neonschrift „Plaste und Elaste aus Schkopau“, die einst die Elbebrücke der Transitautobahn Berlin–Hof zierte und heute im Deutschen Historischen Museum lagert, wiederkehren könne.

Fritz Kühns monumentales Aluminiumrelief „Die Wirtschaft der DDR unter dem Zeichen des Friedens“ von 1964
Fritz Kühns monumentales Aluminiumrelief „Die Wirtschaft der DDR unter dem Zeichen des Friedens“ von 1964

© BBR / Cordia Schlegelmilch

Wie gut sich mit „Kunst am Bau aus der DDR“ zusammenleben lässt, demonstriert seit 2006 die European School of Management and Technology im ehemaligen Staatsratsgebäude. Die elitäre Wirtschaftsschule logiert ohne Berührungsängste unter einem Dach mit propagandistischer Kunst, deren sorgsame Instandhaltung Bedingung für die Übernahme des Gebäudes war.

Dazu gehört im Sitzungssaal Fritz Kühns monumentales Aluminiumrelief „Die Wirtschaft der DDR unter dem Zeichen des Friedens“ von 1964. Wer beim Akademie-Symposium genauer hinschaute, entdeckte auf den Namensschildern der Referenten in stilisierter Form Ähren, Friedenstaube und Meiler von seinem Wandbild wieder. Die Kunst am Bau in der DDR befindet sich offensichtlich auf dem Weg zum coolen Design.

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