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Die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Sharon Dodua Otoo, der PEN Berlin und das Augenmaß: Kunst und Politik lassen sich nicht so einfach trennen

Klare Kriterien? Eva Menasse beharrt als PEN-Berlin-Sprecherin auf der Unterscheidung von Engagement und künstlerischer Leistung. Das ist gut gemeint, aber nicht sehr zeitgemäß.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Noch bevor der S.-Fischer-Verlag am Mittwoch das Statement von Sharon Dodua Otoo zu ihrer Unterschrift unter eine Israel-Kulturboykott-Petition des britischen BDS-Ablegers „Artists for Palestine“ veröffentlichte, hatte sich der PEN Berlin in Form einer langen Medienmitteilung für die in London geborene Berliner Schriftstellerin eingesetzt.

„Augenmaß“ und „klare Kriterien“ mahnt PEN Berlin darin an und übt sich in der genauen Differenzierung der Wortwahl in den beiden von Otoo unterschriebenen Aufrufen: Von „mit allen Mitteln“ sei darin nicht die Rede beim Boykottieren und Verurteilen Israels.

Dann aber laviert die Berliner Schriftstellervereinigung, namentlich ihre Sprecherin, die Schriftstellerin Eva Menasse. Ganz klar, der Ansatz von BDS sei falsch, aber die kulturellen Institutionen hätten nun einmal auch eine Sorgfaltspflicht gegenüber „anerkannten Künstler:innen“.

Rufschädigung

Von „Rufschädigung“ spricht Menasse, wenn Autorinnen wie Otoo (oder in der Vergangenheit Kamilla Shamsie oder Peter Handke), einmal zugesprochene Preise wieder aberkannt würden. Denn: „Zwischen dem Autor und seinen politischen Überzeugungen einerseits und einer preiswürdigen künstlerischen Leistung andererseits muss weiterhin unterschieden werden.“

Ob Menasse das wirklich ernst meint, das ihre Meinung ist? Viele Autoren und Autorinnen, erst recht Künstler und Künstlerinnen, verstehen sich als politisch, und damit auch ihre Bücher, ihre Kunst. Diese sind durchdrungen von ihrem Leben, ihren Überzeugungen. Viele Preise, die im Literaturbetrieb vergeben werden, sind nicht zuletzt gesellschaftspolitisch begründet, gemessen an der ästhetischen Konkurrenz. Man denke an die der Leipziger Buchmesse an Tomer Gardis Roman „Eine runde Sache“ oder Dinçer Güçyeters „Unser Deutschlandmärchen“, an den Deutschen Buchpreis für Kim de l’Horizons „Blutbuch“.

Alles gute Bücher, auch Autofiktion muss man können, nur halt nicht mehr so trennscharf, wie Menasse sich das vorstellt

Auch Sharon Dodua Otoo sollte den Peter-Weiss-Preis nicht allein wegen ihrer vermeintlich herausragenden literarischen Leistung bekommen, allein ihrer Kunst wegen. Ihr politisches Engagement spielt da auch mit rein, ob die Jury das nun explizit ausspricht oder nicht.

Dass Menasse dann noch ausgerechnet den Literaturnobelpreis 2019 für Handke anführt, als gelungen strikte Trennung zwischen Kunst und politischer Einstellung, an die sich die Schwedische Akademie da gehalten habe, ist fast ein Witz: Handke in seinen Dante-und-Cervantes-Höhen versteht seine Jugoslawien-Einlassungen, seine niedergeschriebene Parteinahme für Serbien, als unverzichtbaren Teil seines literarischen Werkes

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