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"Une Place à La Roche-Guyon" von Camille Pissarro aus dem Jahr 1867.

© Jörg P. Anders

Restitution an der Alten Nationalgalerie: Ein Bild geht zurück und bleibt

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erwirbt nach der Restitution sogleich wieder Camille Pissarros „Dorfplatz von La Roche-Guyon“.

Das Bild könnte man als einen Pissarro vor Pissarro beschreiben. Es ist noch weit von den leichten, luftigen Gemälden des des Urvaters der französischen Impressionisten entfernt, bei denen die Farben nur so flirrten. „Une Place à La Roche-Guyon“ erzählt von der Zeit davor, als der Maler wie damals auch Cézanne mit seinem Palettmesser die Leinwand bearbeitete und die Farbe breit und schwer auftrug. Vermutlich war Cézanne im Herbst 1867 mit ihm zusammen in dem kleinen Ort an der Seine, nördlich von Paris. Ein Künstlerfreund hatte ihn dorthin eingeladen, man malte gerne gemeinsam.

Inzwischen erzählt das Gemälde noch eine andere Geschichte, die seines Vorbesitzers, die lange unbekannt war. Wie erst bei genaueren Recherchen herauskam, gehörte es einst dem Pariser Rechtsanwalt und Sammler Armand Isaac Dorville, der es 1928 erwarb.

Der jüdische Sammler flieht mit seiner Kunst in die Dordogne

Als die Wehrmacht die französische Hauptstadt 1940 besetzte, flieht er mit einem Teil seiner rund 450 Werke umfassenden Kollektion – darunter Gemälde von Renoir, Vallotton, Vuillard, Delacroix und Manet – in die Dordogne, wo er bis zu seinem Tod im Juli 1941 in seinem Schloss in Cubjac bleibt. Da er selbst keine Kinder hat, bestimmt er seine drei Geschwister und deren vier Töchter zu seinen Erben. Wie er sind auch sie als Juden den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt.

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Ihr Erbe dürfen sie nicht antreten, es wird stattdessen durch das Commissariat Général aux Questions Juives einem Zwangsverwalter unterstellt. Der liefert es zur Versteigerung bei M. Terris in Nizza ein, die im Juni 1942 stattfindet. Zahlreiche Interessenten reisen an. Hier verliert sich die Spur des Gemäldes. Im Katalog ist es noch als Los 362 aufgeführt mit dem Titel „Vue intérieure de village“, ein Pariser Sammler erwirbt es.

Die Erben erhalten keinen Zugriff auf die Konten

Obwohl sich der Zwangsverwalter dafür einsetzt, dass der Erlös der Familie zugute kommt, das Geld auf privaten Konten hinterlegt wird, erhalten die Erben keinen Zugriff. Die vereinbarten Auszahlungen bleiben aus. Stattdessen müssen sie um ihr Leben fürchten. Eine Schwester von Dorville, zwei Nichten und vier Großnichten werden in Auschwitz ermordet.

Das Gemälde von Pissarro, das sich bis zum Tod des Malers 1903 in dessen Besitz befunden hatte, taucht erst in der Londoner Kunsthandlung Arthur Tooth & Sons Ltd. wieder auf, wo es 1961 die Nationalgalerie (West) kauft. Wer genau es in Nizza erwarb, durch welche Hände es seitdem ging, ließ sich nicht mehr rekonstruieren.

Erst wird der Restitutions-, dann der Kaufvertrag unterzeichnet

Die Familie Armand Isaac Dorvilles aber steht fest. Den Nachfahren wurde nun das Werk rückübereignet. Ein bewegender Moment am Montag in der Alten Nationalgalerie: Antoine Djikpa von ADD & Associés, ein Unternehmen für Erbenvermittlung, das vor allem in Frankreich tätig ist, war für die Familie angereist – nicht um das Gemälde entgegenzunehmen, sondern mit dem Restitutions- zugleich einen Kaufvertrag zu unterschreiben. „Une Place à la Roche-Guyon“ wird in der Alten Nationalgalerie bleiben, wie es auch bei der Restitution der „Susanna“ von Reinhold Begas an die Erben von Mosse 2017 der Fall war. Dem Museum bleibt ein Werk erhalten, auch wenn es ein weiteres Mal einen Preis zu bezahlen hat.

Vor allem Ralph Gleis, Leiter der Alten Nationalgalerie, freute sich über den durch Ankauf gesicherten Erhalt des Werkes für sein Haus: „Dieses Gemälde Pissarros ist für unsere Sammlung von großer Bedeutung, markiert es doch einen wichtigen Schritt hin zur impressionistischen Kunst, die einen Kernbestand der Alten Nationalgalerie ausmacht.“ Wer ganz genau hinschaut, könnte zwischen den Häuserzeilen von La Roche-Guyon vielleicht doch ein Leuchten sehen.

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