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Organisch geschwungen. Zweiter Platz für den Beitrag des dänischen Büros Lundgaard & Tranberg.

© Realisierungswettbewerb

Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin: Das wären die Alternativen zum siegreichen Backsteinhaus

Kuben & Kanten: 40 Entwürfe für das Museum des 20. Jahrhunderts wurden zum Wettbewerb eingereicht, das Schweizer Büro Herzog & de Meuron gewann. Nun sind die anderen Beiträge zu sehen.

Die Enttäuschung stand so manchem noch ins Gesicht geschrieben, dass sein Büro das Rennen nicht gemacht hatte. Zwei Stunden vor der offiziellen Eröffnung der Ausstellung aller vierzig Wettbewerbsentwürfe für ein Museum des 20. Jahrhunderts waren die beteiligten Architekten und ihre Mitarbeiter eingeladen. Danach durfte das große Publikum kommen. Die Schau im Kulturforum dürfte in den nächsten Wochen eine der am heißesten diskutierten Präsentationen der Staatlichen Museen sein, denn hier kann sich nun jeder selbst ein Bild davon machen, welche Vorschläge noch zur Debatte standen, aber vor der Jury keine Gnade fanden.

Mit dem backsteinernen Haus von Herzog & de Meuron ist die Entscheidung gefallen. Mit ihrem ebenso einfachen wie schlagkräftigen Entwurf, der auf einen Archetypus menschlichen Bauens zurückgreift, haben sie all die gläsernen Kuben und begrünten Kisten, gezierten Zylinder mit Rampe und extravagant geschwungenen Terrassen ausgestochen. Zu Recht? Die Frage stellt sich, denn die massive Bebauung des Platzes bis an seinen äußersten Rand und dicht an die Matthäikirche sowie das provozierend Simple der Form bei Herzog & de Meuron hat nicht nur Freunde gefunden.

Auch wenn die Debatte anhand konkreter Gegenbeispiele nun eröffnet ist: Gestritten wurde nicht bei der Podiumsdiskussion zur Vernissage mit Pierre de Meuron, seinem Senior-Partner Ascan Mergenthaler, Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann und dem Juryvorsitzenden Arno Lederer auf dem Podium (Moderation: Claudia Henne). Dafür waren Lederer und Kittelmann zu glücklich mit der Entscheidung, de Meuron und Mergenthaler zu froh mit ihrer Wahl. Wer im Publikum noch Vorbehalte pflegte, der spürte sie bei den eloquenten Ausführungen Mergenthalers dahinschmelzen.

„Die einfachste Antwort ist manchmal die richtigste“, erklärte er die Entscheidung für die Universalform des Hauses. Es könne zugleich Tempel der Stille, Bahnhof, Hangar sein. Vor dem geistigen Auge entstand sogleich ein multiples Gebäude, das alle Erwartungen erfüllt. Der Clou des Entwurfs aber ist die innere Organisation, die offene Wegeführung durch das Gebäude als Verbindung zwischen dem Mies-van-der-Rohe-Bau und der Philharmonie, zwischen dem Kulturforum und der Staatsbibliothek.

„Hier wird zu sehen sein, wie man mit einem Haus Stadt machen kann“, schwärmte Lederer. Wer jedoch hinterher im Modell das unveränderte Dilemma des Kulturforums mit abgeschrägter Piazetta auf der einen und der sechsspurigen Potsdamer Straße auf der anderen Seite wieder vor Augen hatte, dessen Zweifel kehrten zurück, ob sich ein städtebaulicher Wettbewerb wirklich nunmehr erübrigt hat.

Auch andere Architekten kamen auf Backstein als Material

„Uns interessieren Widersprüche“, so de Meuron. „Es gibt nicht eine Sicht, eine Wahrheit.“ Mit dem Nutzer will das Büro nun alle weiteren Schritte erarbeiten, bis hin zur endgültigen Form der Backsteine, die sich wie eine lockere Häkeldecke über das gesamte Haus legen sollen. Beim Anbau für die Londoner Tate Modern wirkt das noch grob, in seiner Gesamterscheinung monumental, in Berlin soll weiter mit dem Material experimentiert werden.

Hier bot sich das Material ebenfalls an in Bezug auf die Matthäikirche sowie das Gutbrod-Ensemble aus Kunstgewerbemuseum und Kunstbibliothek. Diese Spur haben auch andere aufgenommen wie die Drittplatzierten des Wettbewerbs, das Büro Bruno Fioretti Marquez, dessen eleganten Kubus mit Sheddach man sich durchaus für eine Realisierung hätte vorstellen können.

Einige Tränen dürften auch dem exzentrischen Entwurf von Rem Kohlhaas nachgeweint werden, der den Raum zwischen Mies und Scharoun mutig mit kubistisch aufgetürmten Ausstellungssälen verspannt. Warum er den Zuschlag nicht bekommen konnte, erklärte Udo Kittelmann klipp und klar: „In den letzten 20 Jahren hatten die Museumsentwürfe ein Zuviel an äußerer Form.“ Herzog & de Meuron sind der Gegenpol.

Der Wettbewerb beeindruckt insgesamt durch die hohe Qualität der Einreichungen. Hier wird das Museum der Zukunft gedacht, das gediegen der jüngsten Vergangenheit Obdach gibt und zugleich hellwach in der Gegenwart stehen will. Den Sauerbruch & Huttons, den Leibinger & Barkows, den Staab Architekten wünscht man, dass ihre guten Ideen später einmal an einem anderen Bauplatz verwirklicht werden können.

Für Herzog & de Meuron beginnt nun die Planungsarbeit, vieles haben sie bewusst im Ungefähren gelassen, um sich mit dem Nutzer noch genauer zu besprechen. Über die Kosten für das Projekt, für das der Bund 200 Millionen Euro zur Verfügung stellt, wollte Pierre de Meuron schon gar nicht sprechen, zumal nach den Erfahrungen mit der Hamburger Elbphilharmonie. „Bauen ist ein Prozess“, erklärte er. „Wenn zu früh ausgeschrieben wird, kommt es zum Desaster.“ Arno Lederer bestätigte ihn darin und warnte: „Das Museum wird ein Aushängeschild für die Baukultur der Bundesrepublik sein.“ Heißt: bloß nicht knausern.

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