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Kultureller Dialog als Roadmovie: Die Musiker des Omniversal Earkestra begeben sich auf die Spuren des „Sound of Mali“.

© Film Five

Pop zwischen Mali und Berlin: Lange Nächte in Timbuktu

Die Berliner Big Band Omniversal Earkestra bereiste Mali, um die musikalischen Helden aus den sechziger Jahren zu treffen. Der Dokumentarfilm “Le Mali 70“ begleitet diesen kulturellen Dialog.

Von Andreas Busche

Von einem kleinen Plattenladen in Berlin-Kreuzberg bis in das Moffou-Studio von Salif Keïta, der „Goldenen Stimme“ der malischen Popmusik, am Rande der Hauptstadt Bamako. Die Entstehungsgeschichte des Albums „Mali 70“ von dem Berliner The Omniversal Earkestra, das vor drei Jahren beim aufopferungsvollen Münchner Label Trikont erschien, ist lang und gewunden.

Ein klassischer Bildungsroman auch, im besten Wortsinn: von einer Gruppe Profimusiker aus dem Jazz und der Klassik, die beim Wühlen in Plattenstapeln eine Epiphanie erlebten. Im gleichnamigen Dokumentarfilm von Markus CM Schmidt wirkt der Entschluss der Musiker, sich auf die Spuren jener Musik zu begeben, die sie bei ihren wöchentlichen Auftritten auf Berliner Bühnen nachspielen, eher aus einer Stammtischlaune heraus geboren. Doch kurz darauf stehen sie in einer verkehrsreichen Straße in Ségou.

Boomende Musikszene bis zum Putsch 1968

Die malische Popmusik der 1960er Jahre gehört zu den schönsten Schätzen, die im Zuge des Vinyl-Reissue-Booms von Popmusik aus dem globalen Süden in den vergangenen zwanzig Jahren geborgen wurden. Bis zum Militärputsch 1968 existierte in Timbuktu, Bamako, Ségou und Mopti eine lebhafte Musik-Szene zwischen Jazz, Funk und traditionellen westafrikanischen Einflüssen.

Von Dienstag bis Sonntag seien die Nächte damals eine einzige Party gewesen, erzählt der Musiker Cheick Tidiane Seck in „Le Mali 70“. Seit dem Putsch islamistischer Milizen im März 2012 ist die Musikszene, vor allem im Norden des Landes, wieder einmal in alle Winde verstreut. In Bamako betreibt die mit einem Grammy ausgezeichnete Oumou Sangaré ein Hotel, das Musiker:innen Schutz gewährt. „Je mehr hier passiert, desto besser“, sagt Seck über die Ankunft der Musiker aus Berlin.

Der Filmemacher Markus CM Schmidt ist bereits vor sieben Jahren als Crew-Mitglied des Dokumentarfilms „Mali Blues“ von Lutz Gregor in diese Welt eingetaucht. Er hatte die Kontakte – und die Idee für einen kulturellen Austausch. Wo „Mali Blues“ aber eine neue Generation von Musikerinnen und Musikern fokussierte, die in den bürgerkriegsähnlichen Wirren des umkämpften Landes Hoffnung schöpfen, suchen das Omniversal Earkestra und Schmidt die legendären Figuren des malischen Big-Band-Sounds der 1960er auf.

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Mouneissa Tandina war Mitglied der Super Biton de Ségou, dem späteren Nationalorchester Malis. Von ihr bekommen die Musiker eine kleine Einführung in den Bandklassiker „Chie“, den sie als Originalpressung in Berliner Plattenläden entdeckt haben.

Cheick Tidiane Seck, Keyboarder der über die Landesgrenzen hinaus einflussreichen und vom damaligen Verkehrsministerium finanzierten Rail Band, führt sie in Bamako in einen Lagerraum mit ihren alten, inzwischen verrosteten Instrumenten. Wie viele andere Bands mussten sie in den 1970er Jahren das Land in Richtung Elfenbeinküste verlassen, weil es für sie unter dem Militärregime zu gefährlich gewesen wäre.

Im nationalen Filmarchiv von Mali, im Grunde nicht mehr als ein Schuppen, in dem die erstaunlich gut erhaltenen Filmrollen unter klimatisch katastrophalen Bedingungen gelagert sind, bietet sich auch ein Einblick in die Geschichte des Landes vor dem Putsch 1968.

Das Omniversal Earkestra mit seinen malischen Gastmusikern.

© Film Five

In den Filmdosen ist ein wesentlicher Teil der malischen Musikgeschichte festgehalten: Konzerte, Partys mit Livemusik, Paraden. Bands wie Super Biton de Ségou, Rail Band du Buffet Hôtel de la Gare, später unter der Leitung von Salif Keïta, Mystère Jazz de Tombouctou und Kanaga de Mopti waren eine gute Dekade lang ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens in Mali.

Das große Finale von „Le Mali 70“ sind die Aufnahmen mit den Legenden, ein musikalischer Dialog zwischen Bamako und Berlin über mehrere Dekaden hinweg. Doch ein Satz klingt in dieser Zeitreise noch lange nach. Hätte man den Präsidenten Modibo Keita in den 1960ern machen lassen, wäre Mali ein anderes Land geworden, sagt einer der Musiker. Wenn die Weltöffentlichkeit heute von Mali Kenntnis nimmt, hat es meist mit dem islamistischen Terror zu tun. „Le Mali 70“ erinnert noch einmal an eine bessere Zeit.

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