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Jede Menge Kohle von Adolf Winkelmann 

© Winkelmann Filmproduktion

Bergbau im deutschen Film: Das Glück liegt unter Tage

Die Filmreihe „Glück auf! Bergbau im deutschen Film“ unternimmt einen Streifzug durch die untergegangenen Industrien im Erzgebirge und im Ruhrgebiet.

„Buckelbergwerke“ sind hölzerne Miniaturmodelle von Bergwerken, die bis ins 20. Jahrhundert auf Jahrmärkten und Volksfesten ausgestellt wurden. Oft trugen Bergleute, die durch Arbeitsunfälle zu Invaliden geworden waren oder sich ein Zubrot verdienen mussten, diese komplexen Erklärmaschinen huckepack über Land: Ein Kurbelantrieb setzte die ineinander greifenden Arbeitsprozesse des Bergbaus in ratternde Bewegung und machte so die eigene, sonst so unsichtbare Arbeit unter Tage sichtbar.

Mit Aufnahmen solcher „Buckelbergwerke“, aber auch mit historischen Stichen, Fotos und zeitgenössischen Texten illustrieren die Filmemacher Jonas Hermanns und Ole Steinberg in ihrem Essay „Die richtige Haltung“ (2023) die Geschichte des Bergbaus im Erzgebirge. Die Region erlebte gleich mehrere große Bergbauwellen.

Der Reichtum der anderen

Die Bodenschätze Zinn, Silber, Kohle und Uran zogen die Arbeiter an, bis ins 15. Jahrhundert arbeiteten sie als selbständige Tagelöhner. Als die oberirdischen Lagerstätten erschöpft waren, wurde der Bergbau in größeren Konsortien organisiert. Mit der Industrialisierung stiegen Nachfrage und Profit. „Das Elend der einen wird zum Reichtum der anderen“, heißt es einmal in „Die richtige Haltung“.

Die Filmreihe ‚Glück auf!’, die vom 18. August bis zum 24. September im Zeughauskino läuft, zeichnet – ausgehend vom Erzgebirge im Osten und dem Ruhrgebiet im Westen – zwei parallele Geschichten des Bergbaufilms in Deutschland nach. Sie stehen exemplarisch sowohl für die Geschichte der Industrialisierung als auch für die Ausbeutung der Arbeiter, der Erde und ihrer Ressourcen.

Das Programm schlägt einen weiten Bogen durch Zeiten und Ideologien. Entlang der unterschiedlichen Ökonomien und aus der Perspektive der (protestierenden) Arbeiter lassen sich in den Filmen über den Zeitraum eines guten Jahrhunderts wandelnde Fragen von Profit und Naturverhältnis beobachten.

Szene aus dem Stummfilm „Sprengbagger 1010“ von Carl Ludwig Duisberg aus dem Jahr 1929.
Szene aus dem Stummfilm „Sprengbagger 1010“ von Carl Ludwig Duisberg aus dem Jahr 1929.

© Stiftung Deutsche Kinemathek

Das Bergwerk als Modell für das Eindringen in unberechenbare Bereiche und die Folgen: Man zittert mit bei den immer wiederkehrenden dramatischen Bergwerkskatastrophen wie in G. W. Pabsts „Kameradschaft“ (1931), der anhand eines historischen Grubenunglücks die transnationale Klassensolidarität der Bergarbeiter beschwört. ;it diesem deutsch-französischen Versöhnungsprojekt geriet er in die eskalierenden politischen Gegensätze der frühen 1930er Jahre.

Gleich mehrere Filme handeln vom Bergbauunternehmen Wismut. 1993 untersuchte Volker Koepp in seinem gleichnamigen Dokumentarfilm die Hinterlassenschaften und Narben des sowjetisch-deutschen Uranbergbaus.

Kumpel neben sowjetischen Ingenieuren und Ex-Nazis,

Von 1946 bis 1990 wurden im Südwesten Sachsens sechzig Prozent des sowjetischen Bedarfs an Uran für Kernenergie und atomare Aufrüstung gefördert. Bis zu 200.000 Menschen waren unter Tage beschäftigt. Hier spielt auch Werner Bräunigs großer unvollendeter Gesellschaftsroman „Rummelplatz“, Konrad Wolffs Film „Sonnensucher“ entstand 1958 im Studio und in einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung.

Hinter Stacheldraht arbeiten die Kumpel neben sowjetischen Ingenieuren, Ex-Nazis, Kommunisten, Widerstandskämpfern, Sexarbeiterinnen, Kriegswaisen und Saboteuren, die in ihrer ganzen Widerspenstigkeit porträtiert werden. Wie in einem großen Resozialisierungsprojekt begegnen sie sich unter der Losung des proletarischen Internationalismus.

Ausgehend von den Traumata der jungen Frau Lutz, die in den Wirren des Krieges das Lächeln verlernt hat, entfaltet sich der melodramatische Bogen. Als sie schließlich wieder lächeln kann, erklingt leise „Auferstanden aus Ruinen“. „Sonnensucher“ kam erst 1972 in die Kinos, einige Figuren waren wohl zu ambivalent.

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1981 sieht Adolf Winkelmann in der Slacker-Komödie „Jede Menge Kohle“ den Zusammenbruch des Bergbaus im Ruhrgebiet voraus. Sein Film beginnt mit ohrenbetäubendem Lärm, Staub und Grubenlampen in der Dunkelheit und schmerzhaft grellem Licht beim Aufstieg. Da sabotiert ein verwirrter Kumpel einen oberirdischen Job nach dem anderen, macht sich über Spießer und Richtigmacher lustig, bis er zu Wagnermusik mit der Motorsäge die Schrankwand zersägt und wieder in den Schacht einfährt. Die seltsame Liebesgeschichte mit der Kaugummi kauenden Ulli kommt ohne Happy-end aus.

Postindustrielle Landschaften

„Hambi - Der Kampf um den Hambacher Forst“ von Lutz Reiter spielt dann gar nicht mehr unter Tage, sondern in luftiger Höhe. Der Laubwald mit seinen Hängebrücken, Plattformen und Baumhäusern – umgeben von Abraumwüsten und skelettartigen Baggerspuren – ist der eigentliche Protagonist. Der Regisseur ergreift eindeutig Partei für die Protestierenden ohne die übermächtige, behelmte Gegenseite zu denunzieren. Wie lange dauert es eigentlich, bis die Erinnerung zerfällt?

Längst postindustrielle Landschaften, wie von radioaktiver Asche bedeckt, infrarot gefilmt, Entsorgungsprobleme und unsichtbare Strahlung, die sich mit dem Rattern des Geigerzählers bemerkbar macht: Der preisgekrönte Wismut-Essay „Sonne unter Tage“ (2022) von Mareike Bernien und Alex Gerbaulet kreist mit Dokumenten aus der DDR-Umweltbewegung um die materiellen und mentalen Transformationsprozesse der Bergbauregion im Erzgebirge.

Es ist auch ein Blick auf die Metamorphosen des Urans: als Krebs in den Lungen der Arbeiter*innen, in Form der Wolke, die im April 1986 aus Tschernobyl herüberwehte, oder unter der Deckschicht der mit Gras bewachsenen Halden. Dabei hatte sich die Erde schon im 15. Jahrhundert beschwert.

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