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Überzeugter Gründer der Initiative "Mein Grundeinkommen": Michael Bohmeyer.

© dpa

Monatlich 1000 Euro: Macht ein Grundeinkommen faul?

Das bedingungslose Grundeinkommen wird kontrovers diskutiert. Es könnte unsere Gesellschaft verändern. Ein Berliner Start-up-Gründer wagt ein Experiment.

Man kann sich Michael Bohmeyer als einen glücklichen Menschen vorstellen. Der 29-jährige Berliner gründete ein Internet-Start-up, das mittlerweile so gut läuft, dass Bohmeyer nicht mehr arbeiten muss. Stattdessen lebt er von monatlich 1000 Euro und genießt die freie Zeit, ein „Schmalspur-Grundeinkommen“ sei das, sagt er. Also eine Summe, die er monatlich bekommt, unabhängig davon, was er sonst so tut. Nun sind 1000 Euro kein Vermögen, aber Bohmeyer ist ein sparsamer Mensch, der lieber Zeit mit Frau und Kind verbringt, als im Büro zu sitzen.

Um andere an seinem Glück teilhaben zu lassen, rief er im Internet eine Spendenkampagne ins Leben. 12 000 Euro sammelte er, die will er verlosen. Ein Jahr lang bekommt der Gewinner monatlich 1000 Euro, bedingungslos, ohne Voraussetzungen. Ein Experiment, in dem derzeit das kontrovers diskutierte Gesellschaftsmodell einmal individuell umgesetzt wird. Was wird aus dem Sieger? Wird er faul – oder kreativ?

Besser als Bohmeyer hat es der Gewinner auf jeden Fall. Denn bedingungslos ist das Geld, von dem Bohmeyer derzeit lebt, natürlich nicht. Stattdessen bekommt er es nur so lange, wie seine Angestellten genug erwirtschaften. Was wiederum abhängig ist von Marktentwicklungen, Innovationen der Konkurrenz und den Lohnansprüchen seiner Beschäftigten. Hier aber geht es um die grundsätzliche Frage, was passieren würde, wenn niemand sich Sorgen machen müsste um seine Lebenserhaltungskosten.

Ist etwa Bohmeyer ein fauler Mensch, der auf Kosten seiner Beschäftigten dem Müßiggang frönt? Wohl kaum. Eher dürfte er gemeinhin als erfolgreicher Geschäftsmann gelten. Wer aber gilt dann als faul? Schon eher wohl der, der als Geringverdiener, Arbeitsloser, Nicht-Lottogewinner dennoch genug Geld hätte für ein annähernd sorgenfreies Leben.

Kein Platz für Faule

„Es gibt kein Recht auf Faulheit“, sagte einst SPD-Kanzler Schröder. Das ist der eine Erzählstrang. Er gründet auf der Annahme, dass jeder, der sich genug anstrengt, auch einen Arbeitsplatz findet. Wer scheitert, bekommt Hilfe. Wer aber nur nicht will, der nicht. Mehr noch: Mit ein bisschen Glück ist sogar die Rückkehr der Vollbeschäftigung drin. Für Faule ist da kein Platz. Das Problem dabei: Schon längst gibt es nicht mehr genug Arbeit für alle. Das Arbeitsverhältnis, bei dem ausreichend hohe Ansprüche auf Rente und Arbeitslosengeld generiert werden, ist längst nicht mehr die Norm.

Das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre führte zwar zu einer sinkenden Arbeitslosigkeit. Neue Jobs entstanden dabei jedoch oft in Beschäftigungsverhältnissen, die langfristig keine ausreichende Teilhabe an den sozialen Sicherungssystemen gewähren. Wer jahrelang in Teilzeit arbeitet, sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangelt und zwischendurch immer mal wieder arbeitslos ist, kommt zwar während seines Berufslebens wahrscheinlich irgendwie zurecht. Ebenso wahrscheinlich aber wird er im Alter arm sein.

Ein bürokratisches Monster entsteht

Wer außerhalb der alten Normalarbeitsverhältnisse jobbt, beschäftigt zudem immer wieder diverse Ämter, vom Jobcenter über die Sozialämter bis zu den Wohngeldstellen. Ein bürokratisches Monster entsteht – und nur vor diesem Hintergrund ist begreiflich, warum die Befürworter einer Grundsicherung immer auch in neoliberalen Kreisen zu finden waren: von Friedrich August von Hayek über Milton Friedman bis hin zum „Bürgergeld“ der FDP. Dort galt die Idee, auf einen Schlag alle Sozialleistungen zusammenzulegen, als großer Wurf. Und damit, auch alle Träger von Sozialleistungen abzuschaffen – bis auf die eine, zentrale Stelle, die jedem Menschen eine Summe X zusichert. Sie wäre allerdings an Bedingungen geknüpft – etwa daran, dem Arbeitsmarkt weiterhin zur Verfügung zu stehen. Eine große Reparaturmaßnahme also, bei der es in der Natur der neoliberalen Sache liegt, dass die Summe X am Ende kleiner wäre als die Summe der heute schon ausgezahlten Beiträge von Hartz IV, Übernahme der Mietkosten und Beiträgen zur Krankenkasse.

Was also wäre, wenn es Mechanismen gesellschaftlicher Anerkennung gäbe, die nicht geldbasiert sind?

Überzeugter Gründer der Initiative "Mein Grundeinkommen": Michael Bohmeyer.

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Ein bedingungsloses Grundeinkommen jedoch wird von dieser Seite abgelehnt. Es fessele den Einzelnen an den Staat, hemme seine Individualität und ersticke seine Kreativität. Die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens dagegen – meist im linken Spektrum zu finden – begreifen den Mangel an ausreichend guten Arbeitsplätzen als Chance. Als Befreiung von dumpfer, dumm machender Plackerei, die nur noch etwas für Maschinen ist.

Die Menschen dagegen sollen die freie Zeit genießen – nicht im Kontext eines kleinteiligen „Zurück zur Natur“, zur Manufaktur, als kleinbürgerlicher Wunsch nach Regression. Sondern – auf der Basis einer hocheffizienten, arbeitsteiligen Gesellschaft – im Sinne einer Teilhabe, die wenig mit sentimentalen Sozialutopien zu tun hat. Aber viel mit der Kritik an Eigentumsverhältnissen, an der gesellschaftlichen Ungleichverteilung von Arbeit und der geringen Wertschätzung, die wenig rentable Arbeitsbereiche wie Altenpflege und Kindererziehung erfahren.

Ein Drittel Arbeit, ein Drittel Freizeit, ein Drittel Ehrenamt

Was also wäre, wenn es Mechanismen gesellschaftlicher Anerkennung gäbe, die nicht geldbasiert sind? Ein Drittel Arbeit, ein Drittel Freizeit, ein Drittel ehrenamtliches Engagement – so etwa soll die künftige Gesellschaft beschaffen sein, lautet die Forderung. „Marx lesen, Flüchtlinge unterstützen, in der Kita eine Pflanzgruppe starten“ – so umreißt ein Bewerber um Bohmeyers Pilot-Grundeinkommen seine Pläne. Welche gesellschaftliche Gruppe aber könnte derzeit für eine solche Forderung streiten – Freiberufler, Minijobber, Kreative? Und: Wären sie ihres Individualismus’ beraubt, wenn sie monatlich 1000 Euro bekämen?

Wer sich in den Kneipen und Bars der Stadt umhört, wo die gefühlte Mehrheit der angeblichen Künstler zwecks Gelderwerb hinterm Tresen Bier zapft, könnte daran zweifeln. Vielmehr scheint der hochgepriesene Individualismus sich meist erst einzustellen, wenn für die Grundbedürfnisse, etwa Mietzahlung und Essen gesorgt ist. Wer aber zapft künftig das Bier, wenn das Grundeinkommen den Arbeitszwang in jenen Branchen aufhebt, in denen ohnehin wenig Geld zu verdienen ist?

Anders gesagt: Mal angenommen, unter den Bewerbern um das von Bohmeyer ausgelobte Grundeinkommen befindet sich auch einer seiner Angestellten. Sollte dieser Angestellte nun die Auslosung gewinnen und ein Leben wie sein Chef leben wollen: Muss sein Chef dann wieder arbeiten?

Wahrscheinlich nicht, eher würde er sich einen neuen Angestellten suchen. Was aber, wenn alle ein Grundeinkommen bekämen? Welche Branchen erzielen dann die Gewinne, die als Steuergelder in Grundeinkommen umgewandelt werden sollen? Die Idee eines Grundeinkommens gehorcht einer klaren Dialektik. Und einem Paradox: Sie funktioniert wohl nur für eine Gesellschaft, in der niemand ein Grundeinkommen braucht.

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