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Von Senefelderplatz zogen die Demonstranten durch Prenzlauer Berg - bei Regen aber bester Laune.

© Sara Schurmann

Internationaler Kampftag der Arbeitslosen: "Kein Schweiß für Geld"

Gegen den Zwang zur Lohnarbeit und für ein bedingungsloses Grundeinkommen: Am zweiten Mai haben Berliner Lesebühnenautoren zum zehnten Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen mobilisiert.

„Wir sind nicht alle, es fehlen die, die arbeiten“, rufen am Freitagmittag etwa 120 Demonstranten am Senefelderplatz in Berlin. Sie begehen in Prenzlauer Berg zum zehnten Mal den Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen. Bei Regen und sechs Grad protestieren sie einen Tag nach dem ersten Mai bester Laune für mehr Freizeit und gegen sinnlose Produkte.

Der Berliner Musiker Jan von im Ich stimmt die Gruppe mit seinem „Berliner Klagelied“ auf den Marsch durch den Nieselregen ein. In seinem Song prangert er unter anderem an, für fünf Euro pro Stunde schuften zu müssen, um die Miete bezahlen zu können. Dann werden Freiwillige gesucht, die den Lautsprecherwagen schieben und das Transparent an der Spitze tragen. „Aber das macht Spaß, das soll hier ja nicht in Arbeit ausarten“, sagt Ahne, einer der Mitveranstalter der Demo von der Liga für Kampf und Freizeit. Der Schriftsteller und Lesebühnenautor ist in Berlin bekannt für seine Kolumne auf Radio Eins „Zwiegespräche mit Gott“. Initiiert wurde die erste Demo vor zehn Jahren von einer Gruppe um die Berliner Lesebühnengruppe „Die Surfpoeten“.

Dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im April 2014 auf ein Langzeittief sank, findet Ahne traurig. „Wenn wir wirklich mehr Arbeitskräfte bräuchten, würde das ja bedeuten, dass sich die Technik verschlechtert hat. Stattdessen verschwinden die Arbeitslosen in vollkommen sinnlosen Jobs, die teilweise noch von der Gesellschaft mitfinanziert werden, Stichwort: 1-Euro-Jobs.“

"Wie stellt ihr euch das denn vor?"

Die Forderung der Gewerkschaften und Politiker nach mehr Arbeit sei absurd, meint Ahne. Wenn Roboter allen Müll aufsammeln würden, wäre ja auch niemand traurig, dass dieser Arbeitsplatz verschwindet. „Wir fordern Arbeit ohne den Zwang dazu“, sagt Ahne und stellt klar: „Niemand von uns findet Arbeit per se schlecht. Jeder möchte doch etwas Sinnvolles tun.“ Um das zu können, fordern die Veranstalter ein Bedingungsloses Grundeinkommen.

Einige Protestierer trugen Warnschilder, die auf die Gefahren der Lohnarbeit hinwiesen.
Einige Protestierer trugen Warnschilder, die auf die Gefahren der Lohnarbeit hinwiesen.

© Sara Schurmann

Mit Regenmänteln, Schirmen und Plakaten zieht die Truppe dann los durch die Schwedter Straße über die Kastanienallee vor die „Schön, Schöner, Schönhauser Allee Arcaden“ – einem „Tempel voller sinnloser Produkte“.

Auf dem Weg erinnert der Berliner Autor Falko Hennig an die „zwei Millionen Menschen, die jedes Jahr aufgrund von Arbeit erkranken“. Er ist wie der nachfolgende Redner Mitglied der Reformbühne Heim und Welt, die jeden Sonntag im Kaffee Burger in der Torstraße auftritt. Jürgen Witte nimmt die „vorwurfsvolle Frage der Prenzlauer-Berg-Praktikanten“ vorweg: Wie stellt ihr euch das denn vor? Ein paar von denen schütteln tatsächlich ihre Köpfe, als sie am Demonstrationszug vorbei in die kurze Mittagspause eilen.

Wittes Antwort: „Es gibt so viele sinnlose Berufe: Makler, Anlageberater, Werbeleute. Sie alle werden überflüssig sein und die Menschen werden sich Arbeit suchen, die sie tun wollen. Es wird viel weniger produziert werden, aber die Sachen werden gut sein, und haltbar.“

„Arbeit fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“, steht auf einem der Pappschilder, die sich Demonstranten um die Brust geschnallt haben ­ und die Warnschilder auf Zigarettenschachteln parodieren.

Hinter dem Klamauk steckt Kapitalismuskritik

Was auf den ersten Blick aussieht, wie eine reine Spaßveranstaltung hat durchaus ein ernstes Anliegen. Hinter allem Klamauk steckt Kapitalismuskritik. Die Menschen demonstrieren gegen die Wegwerfgesellschaft, gegen Lohnarbeit als Existenzberechtigung für Menschen und „gegen eine Spaltung der Gesellschaft in Arbeitslose und Arbeitssuchende“. In Gut und Böse, Reich und Arm.

Nicht nur die Demonstranten haben Spaß. Auch die Polizisten, die die Demo sichern, können sich das ein oder andere Schmunzeln nicht verkneifen. Passanten bleiben stehen, machen Fotos, wippen mit.

„Ich will eure Jobs nicht“, plärrt ein Anti-Arbeitslied aus den Lautsprechern, „Wir haben Zeit, wir haben Zeit!“, stimmt die Gruppe immer wieder zum Sprechchor an. Ladenbesitzer auf der Kastanienallee schauen neugierig zu, Passanten grinsen. „Leute, lasst die Arbeit sein, reiht euch in die Demo ein“, werden sie aufgefordert mitzulaufen.

Dominik Wagner ist dem Aufruf gefolgt und hat sich spontan angeschlossen. Die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen teilt auch er nicht. „Aber der erste Mai hat sich als Tag der Arbeitskritik etwas abgenutzt“, findet der 28-jährige aus Wedding. Er hat einen Job, muss sein Gehalt aber mit Hartz IV aufstocken.

Markus Heilck aus Hamburg, hat extra Urlaub genommen, um sich mit den Arbeitslosen zu solidarisieren. Der 51-Jährige hat seit Dezember einen neuen Job als Lagerarbeiter und heute seinen ersten Tag frei. „In meinem Alter bekommt man nur noch prekäre Arbeit. Ich verstehe jeden, der sich nicht für ein paar Euro abbuckeln will.“ Seine Begleiterin, die er in Berlin besucht, war auch in den vergangenen Jahren bei der Demo. Die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen unterstützt die Arbeitslose nicht. „Aber ich stelle dieses gesamte Arbeitsregime in Frage.“

Auch ein Weddinger Block läuft bei der Demo mit. Der fordert vor allem eins: Die Umbenennung des Wedding in "Bezirk der Arbeitslosen".

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