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Der Berliner Komponist Klaus Wüsthoff am heimischen Flügel.

© Frederik Hanssen.

Der Berliner Komponist Klaus Wüsthoff wird 99: Lasst Klimaglocken tönen!

Er schrieb Werbemelodien für Waschmittel, komponierte für Kinder. Jetzt feiert Klaus Wüsthoff seinen 99. Geburtstag und hat immer noch unzählige Ideen.

Klaus Wüsthoff kommt höchstselbst an die Tür seines Hauses in Nikolassee – und dirigiert den Besucher dann sofort zu seinem Schreibtisch. Er will aber nicht die herrliche Panoramafenster-Aussicht auf die Rehwiese zeigen, sondern sein neuestes Instagram-Video.

Selbstverständlich hat der Komponist, der am heutigen Donnerstag seinen 99. Geburtstag feiert, einen Account bei dem Onlinedienst! Bei Facebook ist er auch, und auf seiner eigenen Website kann man jede Menge Hörproben seiner Werke anrufen. Wie soll er denn sonst mit der Welt in Kontakt bleiben?

„Ich bin der Komponist der Umweltmusik“

Denn das will Klaus Wüsthoff unbedingt. Schließlich hat er noch eine Mission zu erfüllen: die Zukunft unseres Planeten zu sichern. Und zwar mit Hilfe der Töne. „Ich bin der Komponist der Umweltmusik“ sagt er über sich selbst.

Früher verdiente Wüsthoff sein Geld mit Werbung, drei Mal hat er Persil vertont, außerdem Nutella, Mon Cheri, Kinderschokolade. Von dem Honorar, das ihm Henkel für den Soundtrack zum Waschmittel „Fakt“ zahlte, konnte er sich das Eigenheim in bester Lage kaufen.

Mit dem Herzen aber war er immer den Kindern und Jugendlichen zugetan, wollte ihre Kreativität stimulieren, sie anregen, sich in Klängen auszudrücken. Das „Kuscheltierkonzert“ gehört zu seinen meistgespielten Stücken, außerdem die „Weihnachtskantate für junge Leute“, die sich für Schulaufführungen eignet.

1982 gewann Wüsthoff bei einem Kompositionswettbewerb der Berliner Philharmoniker den Publikumspreis, ein Auftragswerk für die 12 Cellisten hat er auch geschrieben. Mit über 90 nahm er zwei bezaubernde Alben mit Evergreens auf. Dann aber kam Greta – und Klaus Wüsthoff wurde zum glühenden Fan der „Fridays for Future“.

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Er startete das Klimaglocken-Projekt, mit einer harmonisch schillernden Melodie, die er einst für die Vertonung von Theodor Storms Kunstmärchen „Die Regentrude“ erfunden hatte. Daraus wiederum entstand eine Klimaglocken-Kantate für Grundschulkinder. In seinem Vorschlag für eine neue Europahymne thematisiert Klaus Wüsthoff auch die Erderwärmungsproblematik, im Januar dieses Jahres schließlich vollendete er sein „Greta-Konzert“, ein Geschenk an die Aktivistin zu ihrem 18. Geburtstag.

„Mit dem Feuer eines Jünglings kämpft er mit seinen ureigenen Mitteln für die Bewahrung der Schöpfung“, hat Hans Joachim Schellnhuber, der langjährige Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, über den Komponisten gesagt. Gerade wegen seines hohen Alters will Klaus Wüsthoff keine Ruhe geben. Beim Gespräch vor seinem Geburtstag sprüht er nur so vor Ideen, hat für die Feier auch schon einen neuen Text zum legendären „Insulaner“-Lied gedichtet, mit jeder Menge Bezügen zum Wahlkampf.

Spontan spielt er eine swingende Komposition am Flügel

Politisch ist er auf dem neuesten Stand, hat aber auch eine klare Meinung zur musikalischen Qualität des diesjährigen Eurovision Song Contest. Und außerdem, wie nebenbei, ist ihm auch noch die Idee für eine neue Verwendung des Sandmann-Säckchens gekommen.

Dass Kindern die Augen verklebt werden sollen, damit sie schlafen, missfällt Wüsthoff. Er mag hellwache Leute. Also, sagt er, könnten Kinder doch selbst Säcke in die Hand gedrückt bekommen, um damit dann Kleingeld zu sammeln. Abschließend bringen alle ihren Schatz mit in die Kita, wo sie dann darüber diskutieren, was ihnen für die Zukunft wichtig ist. Anschließend wird für diesen Zweck gespendet.

Solche Sachen gehen Klaus Wüsthoff im Kopf herum, und er könnte auch noch ewig darüber reden. Jetzt aber zieht es ihn an den Flügel, die Hände gleiten über die Tasten, ohne dass er hinzuschauen braucht, wie von selbst entwickelt sich eine swingende Improvisation – und immer, wenn er den Zuhörer durch eine unerwartete harmonische Wendung überrascht hat, blitzt der Funke kindlicher Freude in seinen Augen auf.

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