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Cover von „Nichts wird wie vorher sein“ von Sera Milano

© Bild: Carlsen

Jugendbuch „Nichts wird wie vorher sein“: Jagdszenen

Der Terror-Thriller von Sera Milano ist packend geschrieben, doch er tappt in die Klischee-Falle.

| Update:

Ellie Kimber tanzt. Die unbefangenen Bewegungen der jungen Frau sind das Erste, woran sich die jugendlichen Ich-Erzähler des Romans „Nichts wird wie vorher sein“ von Sera Milano erinnern. Die Bewohner der englischen Ortschaft Amberside feiern ein traditionelles Festival, die Atmosphäre ist friedlich und ausgelassen.

Doch als das Feuerwerk beginnt, fallen Schüsse. Zwei Männer feuern in die Menge und schießen gezielt auf Einzelne. Der einzige Ausweg für die panische Menge ist eine schmale Brücke, die jedoch von einem weiteren bewaffneten Täter versperrt wird. Für die fünf Jugendlichen Ellie, Peaches, Violet, Joe und Mai beginnt eine fast 300 Seiten lange Odyssee. In kurzen Passagen montiert die Autorin die Berichte der Protagonisten stakkatoartig aneinander und gestaltet damit einen zunächst packenden Thriller.

Die Handlung von „Nichts wird wie vorher sein“ ist reine Fiktion, doch die räumliche Abgeschlossenheit des Schauplatzes sowie die jugendlichen Protagonisten erinnern an den terroristischen Anschlag durch den rechtsextremen Massenmörder Anders Behring Breivik in Norwegen 2011. Im Nachwort bezeichnet Milano den Umgang der Überlebenden jener Tragödie als einen Einfluss für ihr Buch.

Eine Täterzentrierung ist bei der Handlung kaum vermeidbar

Der mediale Umgang mit dem Anschlag in Norwegen erfuhr aufgrund der übermäßigen Täterzentrierung viel Kritik. Im Buch bemüht sich Milano zwar, eine Täterzentrierung zu vermeiden. Mehrmals betonen ihre Protagonisten, dass weder die Täter noch deren Motive von Belang seien. „Es gibt keinen Grund, kein Motiv und keine mögliche Rechtfertigung für das, was in dieser Nacht geschehen ist“, sagt etwa Violet.

Dem widerspricht, dass fast die gesamte Handlung um den wie eine Jagd beschriebenen Überlebenskampf der Protagonisten kreist, deren Gedanken sich notwendigerweise zentral um die Täter und deren nächste Schritte drehen. Auf dem Cover der deutschen Ausgabe ist zudem prominent das Tätersymbol Sturmhaube abgebildet.

Die Autorin Sera Milano studierte Kreatives Schreiben an der St Mary’s Universität. „Nichts wird wie vorher sein“ ihr erstes Jugendbuch.

© Foto: Sera Milano

Dagegen verkörpern die Jugendlichen, um die es eigentlich geht, allenfalls Stereotypen der typischen Highschool-Klientel: die Schul-Schönheit mit unsichtbarem physischem Defizit, der coole Typ aus zerrüttetem Elternhaus, die dicke, witzige Außenseiterin. Völlig unangemessen baut Milano noch eine Liebesgeschichte ein. Hintergründe, Fragen an eine Gesellschaft, in der Täter aufwachsen und Terror und Amokläufe zu Situationen geworden sind, die laut Milano jederzeit und überall eintreten können, fallen weg.

Anders, als es der Titel vermuten lässt, bleibt auch eine tiefergehende Beschäftigung mit den Folgen des Anschlags für die Überlebenden aus. Statt das Thema Terror mit Mehrwert für Jugendliche aufzubereiten, benutzt Milano ein schreckliches Ereignis als Setting für einen enttäuschend klischeebehafteten Jäger-und-Gejagte-Thriller mit schaler Love Story.

Sera Milano: Nichts wird wie vorher sein. Roman. Aus dem Englischen von Birgit Schmitz. Carlsen Verlag, Hamburg 2022. 348 Seiten, 14 . Ab 14 Jahre

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