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Michael Cimino

© dpa

Regisseur Cimino ist tot: Im Himmel ist die Hölle los

Er drehte "Die durch die Hölle gehen": Im Alter von 77 Jahren ist der US-Filmregisseur Michael Cimino gestorben

Von Gregor Dotzauer

Unter den Regisseuren, die man zum Kino des New Hollywood zählt, war er die obskurste Figur. Michael Cimino, trotz widerstreitender, auch von ihm selbst immer wieder infrage gestellten Angaben, wohl 1939 in New York City geboren, war der Sohn eines Musikverlegers und einer Kostümbildnerin. Er hatte an der Michigan State University und in Yale Malerei studiert, verdiente sein Geld aber zunächst als TV-Werbefilmer für Pepsi und Kool-Zigaretten.

Clint Eastwood, für den er den zweiten Teil der „Dirty Harry“-Reihe geschrieben hatte, übernahm 1974 die Titelrolle in Ciminos Regiedebüt „Thunderbolt and Lightfoot“ (Die letzten beißen die Hunde), einem wunderbar komödiantischen Gangsterfilm mit Jeff Bridges in der Rolle des Lightfoot. Nach dieser Talentprobe war er bereit für das dreistündige Vietnamepos „The Deer Hunter“ (Die durch die Hölle gehen) mit Robert De Niro und Christopher Walken, dessen Russisch-Roulette-Szenen in der Gefangenschaft des Vietcong niemand vergessen wird, der sie einmal gesehen hat.

Was 1979 auf der Berlinale (außerhalb des Wettbewerbs) die Gemüter der sowjetischen Delegation und Ostblockstaaten als Beleidigung des vietnamesischen Volks so aufbrachte, dass Moskau sämtliche Filme zurückzog und das tschechische und das ungarische Jurymitglied nach Hause fahren mussten, erhielt im selben Jahr noch fünf Oscars – darunter einen für die beste Regie. Auch in der Berliner Restjury erkannte man Ciminos Schwarz-Weiß-Malerei, beschloss aber, sie im Namen künstlerischer Freiheit zu ertragen. Fragwürdig nur, dass Cimino im Vorfeld der Acamedy Awards behauptete, er habe die Front in einer medizinischen Einheit der Green Berets selbst kennengelernt. Es gehörte zu den Mythen, in die er sich mehr und mehr einsponn.

Sein Leben ist mindestens so spannend wie seine Filme

Sein dritter Film „Heaven’s Gate“ machte 1980 nicht weniger Furore – leider auch auf den Wirtschaftsseiten. Der zunächst in einer Fassung von über fünf Stunden vorliegende Spätwestern mit Kris Kristofferson machte der Produktionsfirma United Artists den Garaus. Von den 44 Millionen Dollar, die er bis zum ersten Kinoeinsatz in einer 219-Minuten-Version kostete, ein Vierfaches des vorgesehenen Budgets, spielte er nur vier Millionen ein. Auch die 129-minütige Kurzfassung konnte nichts mehr retten. Heute existiert ein 216-minütiger Director’s Cut auf DVD.

Der Rest war Epilog – auch künstlerisch. Es dauerte fünf Jahre, bis Dino de Laurentiis den paranoiden Kontrollfreak Cimino seinen nächsten Film drehen ließ. Der Chinatown-Thriller „Im Jahr des Drachen“ mit Mickey Rourke war in seiner kriegerischen Struktur, der wiederum protestierende Chinesen auf den Plan rief, nur ein Abklatsch des „Deer Hunter“. Auch mit der Mario-Puzo-Verfilmung „Der Sizilianer“ (1987), dem William-Wyler-Remake „24 Stunden in seiner Gewalt“ (1990), wiederum mit Mickey Rourke, und „The Sunchaser“ (1996) mit Woody Harrelson in der Rolle eines im Angesicht seines eigenen Krebstodes ausrastenden Onkologen war er als Erzähler mit einer einst anregend improvisiert wirkenden bis fahrigen Handschrift kaum noch zu erkennen.

Er verlegte sich aufs Schreiben, wobei sein Roman „Big Jane“ und seine Hollywood-Erinnerungen „Conversations en miroir“ offenbar nur in Frankreich erschienen sind, wo er noch keine verbrannte Erde hinterlassen hat. Er unterzog sich kosmetischen Operationen, die ihn zuletzt wie einen Bruder von Michael Jackson aussehen ließen, und tauchte zuletzt 2012 bei den Filmfestspielen von Venedig auf. Am Samstag wurde er 77-jährig in seinem Haus in Los Angeles tot aufgefunden.

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