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Das Friendship Hospital Satkhira im Südwesten Bangladeschs von Kashef Chowdhury.

© Kashef Chowdhury/URBANA, Foto: Asif Salman

Heilende Wände: Die Architektur von Krankenhäusern neu denken

Eine Ausstellung in München zeigt an Beispielen aus aller Welt, wie Architektur von Krankenhäusern hilft, wieder gesund zu werden.

Am Eingang erschreckt ein typisches Krankenhausbett mit Bettgalgen über dem weißen Kopfkissen. Hineinlegen mag man sich hier nicht, auch wenn der Ausblick vor dem Fenster auf eine grüne Wiese lockt. Das sterile Lager verweist auf anonyme Bettenburgen mit langen Gängen, gleißendem Neonlicht und dem Geruch von Desinfektionsmitteln. Kliniken sind meist hochtechnisierte Funktionsbauten, die man so schnell wie möglich wieder verlassen will.

„Sickness is not sexy“ lautete das Diktum berühmter Architekten noch vor zwanzig Jahren – das weiß Architekturpsychologin Tanja C. Vollmer. Die Forscherin, die derzeit an der Technischen Universität München lehrt, gilt als Pionierin der „heilenden Architektur“. Es ist ihr als Co-Kuratorin zu verdanken, dass in der Ausstellung „Das Kranke(n)haus. Wie Architektur heilen hilft“ Baubeispiele und Projekte aus der Perspektive des Patienten vorgestellt werden. Ganz gemäß ihrer ersten wissenschaftlichen Erkenntnis: „Wenn man körperlich schwer erkrankt, erkrankt die Seele mit und mit ihr die Raumwahrnehmung.“

Warmer Holzbau mit viel grün

Andres Lepik, der Direktor des Architekturmuseums, und seine Mitarbeiterin Lisa Luksch haben die Schau nach den Stichworten Experiment, Evidenz und Exchange unterteilt. Den Auftakt bilden Architekturbeispiele von Therapie- und Nachsorgeeinrichtungen. Diese meist kleineren Aufträge werden oft noch direkt vergeben statt durch Wettbewerbe – Architekturbüros können so innovative Konzepte leichter umsetzen. So wagten Herzog & de Meuron als erstes großes Büro den Einstieg: Ihre 2002 eröffnete REHAB-Klinik in Basel, in der auch Wachkoma-Patienten behandelt werden, ist ein warmer Holzbau mit viel Grün und Oberlichtern in den Patientenzimmern, durch die die Sonne scheint und auf die der Regen prasselt.

Auch die ab 1995 in Großbritannien unter dem Namen „Maggie’s“ entstandenen Krebszentren mit psychoonkologischer Versorgung gehören dazu. Maggie Keswick war selbst an Brustkrebs erkrankt und schockiert über das Ambiente der Universitätsklinik, in der sie behandelt wurde. Sie starb mit 53, noch bevor 1996 das erste „Maggie’s“ in Edinburgh eröffnete. Inzwischen gibt es mehr als 23 Zentren in und außerhalb Englands. Zaha Hadid, Rem Koolhaas‘ OMA-Büro und Norman Foster gehören zu den Architekten.

Wasser zur Kühlung

Im zweiten und zentralen Teil der Ausstellung sind dann dreizehn weltweite Klinikprojekte zu sehen: vom kleinsten Krankenhaus in Burkina Faso, das nur 51 000 Euro kostete und bei denen Angehörige ihre Kranken in 19 Betten versorgen, bis zum Klinikturm im dänischen Aarhus mit 1150 Betten für 855 Millionen Euro.

Dazwischen sieht man auf einer riesigen Infografik an der Wand die Lebensdauer von Krankenhäusern weltweit, von Hongkong bis Berlin. Dazu einen Zeitstrahl, wie lange Seuchen wüteten, nur Corona fehlt noch. Einige Häuser wurden bereits nach 40 Jahren wieder abgerissen.

Eine Klinik aus Südasien sticht hervor: Das Friendship Hospital Satkhira im Südwesten Bangladeschs hat der lokale Architekt Kashef Chowdhury und sein Büro URBANA entworfen – inmitten der Flutgebiete. Ein Kanal teilt die Klinik in den ambulanten und stationären Bereich. Das Wasser hilft bei der Kühlung des tropischen Klimas. Zudem wurde das 80-Betten-Krankenhaus in dem von Wirbelstürmen bedrohten Gebiet mit lokal hergestellten Ziegeln gebaut, umgeben von Gärten, Pools und Bäumen.

Gegliedert sind die Bauten nach den sogenannten heilenden Sieben. Neben der Orientierung, der Geruchs- und Geräuschkulisse sind das private Rückzugsräume, die Aus- und Weitsicht, ein menschliches Maß sowie sogenannte Power Points. An diesen Kraftpunkten sollen Patienten während der Behandlung einmal abschalten und an etwas anderes als ihre Krankheit denken können.

Im letzten Raum soll diskutiert werden, wie wir uns künftig Krankenhäuser wünschen. Büchertisch, Kommentarwand, und Videos, etwa einem amüsanten Zusammenschnitt aus TV-Soaps und Filmen, die unser Bild vom Krankenhaus prägen, sollen den Austausch anregen. Geruchskünstlerin Sissel Tolaas verbreitet dazu auf transparenten Vorhängen einen speziell kreierten Duft, der entspannen soll. Es riecht nach feuchtem Moos und Wald, manche empfinden das Odeur aber auch als gärenden Moder.

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