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Nana Petzet beim Aufbau der Installation „Blendung“ in Bad Tölz.

© Manfred Neubauer

HAP Grieshaber-Preis für Nana Petzet: Wenn Licht zur tödlichen Falle wird

Nana Petzet ist eine Grenzgängerin zwischen Kunst und Wissenschaft. Für ihr Werk erhält sie den Preis der Verwertungsgesellschaft Kunst und eine Ausstellung beim Künstlerbund.

Die Nachtaufnahme mit den grünlich leuchtenden, kugeligen Lampen könnte die Dokumentation eines Tatorts sein. Ein Verbrechen muss hier stattgefunden haben, so peripher wirkt der Ort und doch bedeutungsschwanger. Der ehemalige Parkplatz des vor acht Jahren geschlossenen Spaßbads Alpamare in Bad Tölz hat es tatsächlich in sich. Dort leuchten noch immer nächtlich völlig unnütz dreißig Laternen und werden zum Massengrab für Insekten.

Als der Kurator Florian Hüttner, ein gebürtiger Tölzer, der Hamburger Künstlerin Nana Petzet die unheimliche Fotografie schickte, um sie damit für seine nächste Ausstellung zu gewinnen, war die erste Spur ausgelegt. Nana Petzet hatte damit den Ausgangspunkt für ihre nächste Versuchsanordnung gefunden – kein Kriminalfall, sondern eine streng wissenschaftliche Erhebung, die mindestens ebenso spannend ist.

Die Aktion „Lichtfalle“ im Hamburger Hafen, 2015.

© Helge Mundt

In der Galerie des Deutschen Künstlerbunds zeigt sie das Ergebnis. Die grünliche Aufnahme taucht in ihrer Ausstellung mit dem Titel „Blendung“ ebenfalls auf. Daneben hängen 15 Einzelfotos von Kugellampen, die Nana Petzet entsprechend der Mondphasen abgeklebt hat. Die 15 künstlichen Monde auf dem überflüssig gewordenen Parkplatz nahmen also vermeintlich zu und ab und lockten Kurzflügler, Mücken, Eintags- und Köcherfliegen, Zikaden und Falterwespen in den sicheren Tod.

Anschließend landeten sie in sogenannten Prallfallen, von denen einige zur Veranschaulichung von der Decke des Ausstellungsraums hängen. Ein Trichter fing die Insekten auf und ließ sie gleich weiterrutschen in ein Behältnis mit Alkohol, damit der Entomologe, wie Insektenforscher heißen, sie anschließend identifizieren und zählen konnte.

Es klingt wie ein absurdes Spiel – ein verlassener Parkplatz, leuchtende Kugellampen im Stil der 1970er, eine Künstlerin und ein Entomologe, die hier das nächtliche Sterben der Insekten dokumentieren. Doch Nana Petzet ist es bitterernst, mag sie auch in amüsiertes Lachen ausbrechen, wenn sie über die Unbilden ihrer Versuchsanordnung spricht: das Misstrauen der Experten, als sie die Prallfallen bestellte, die Widrigkeiten des Wetters ausgerechnet während der Laufzeit ihres Experiments.

Die Künstlerin arbeitet seit den 1990er Jahren an der Grenze zur Wissenschaft. Damals kreuzten nur wenige die beiden Sphären, Carsten Höller, Mark Dion, Carsten Nicolai. Mit Olafur Eliassons zauberischen Spiegeln und dampfenden Kabinetten wurde die Zusammenführung von Kunst und Wissenschaft populär. Gemeinsam ist allen Künstlern, dass sie wissenschaftliche Fragestellungen mit den Mitteln der Kunst zu beantworten suchen oder sie zumindest veranschaulichen.

Wenn man künstlerisch argumentiert, könnte man sagen, dass die wissenschaftlichen Methoden mein Material sind, so wie ein Maler Farbe benutzt.

Nana Petzet, Künstlerin

Nana Petzet aber reizte immer die ökologische Seite. Mit ihrem Langzeitprojekt „SBF – Sammeln Bewahren Forschen“ widmete sie sich der fragwürdigen Müllentsorgung, in Dresden legte sie einen Modellgarten für bedrohte Wildpflanzen an, im Hamburger Hafen machte sie mit der Aktion „Lichtfalle“ darauf aufmerksam, welche Folgen die nächtliche Beleuchtung für Tiere und Umwelt haben kann.

Die Bad Tölzer „Blendung“ stellt eine Fortsetzung ihrer Beschäftigung mit dem Thema Lichtverschmutzung dar. Die nun in Plastikbechern schwimmenden Hautflügler, Weberknechte, Pflanzenläuse, Mücken und Florfliegen stellen anschaulich die Problematik dar. Lange Listen, wann genau sie verendeten, mögen in ihrer Detailliertheit zwar grotesk wirken, aber sie demonstrieren die Auswirkungen einer aus dem Takt gebrachten Natur. Darauf basierend arbeiten Dunkelheitsbilogen.

Die Künstlerin hat darin Schönheit gefunden: „Wenn man künstlerisch argumentiert, könnte man sagen, dass die wissenschaftlichen Methoden mein Material sind, so wie ein Maler Farbe benutzt.“ Und: „Wenn ich künstlerisch arbeite, dann ist der Anlass oft einfach ein Problem, das auftaucht und mich nicht nur künstlerisch, sondern auch als Mensch oder Bürger dieser Gesellschaft betrifft.“

Damit ist sie gar nicht weit von HAP Grieshaber entfernt, der sich als Künstler für Landschaftsschutz, Ökologie und gegen Atomkraftwerke engagierte. Um ihren 1981 verstorbenen Mitbegründer zu ehren, hat die Verwertungsgesellschaft Kunst ihren Künstlerpreis nach ihm benannt. Mit 25.000 Euro ist er einer der höchstdotierten in der Bundesrepublik, das Geld stammt aus den Erlösen der Urheberrechte, die von der Verwertungsgesellschaft vertreten werden.

Es sei der schönste Preis, so die Berliner Bildhauerin Monika Brandmeier am Vorabend von Nana Petzets Ausstellungseröffnung, denn er werde von Künstlern an Künstler verliehen. Die Preisträgerin strahlt.

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