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Chor und Orchester der Oper Poznan unter der Leitung von Marco Guidarini in der Berliner Philharmonie, Ruslana Koval als Hanna. 

© Bartek Barczyk

Gastspiel der Oper Poznan in Berlin: Tanzen statt marschieren

Hier dreht sich alles um die Liebe: In der ausverkauften Philharmonie präsentiert die Oper Poznan „Das Gespensterschloss“ des polnischen Nationalkomponisten Staislaw Moniuszko.

„Make love, not war“ könnte das Fazit dieser Oper lauten. Liebe besiegt eben alles: mächtige Traditionen, Klassenunterschiede, verstaubte Ehreneide, Intrigenspiele und Verwünschungen. Dabei wirkt der Grundkonflikt in Stanisław Moniuszkos zweitwichtigstem Bühnenwerk „Das Gespensterschloss“ gar nicht einmal so harmlos, wie er sich hier letzten Endes auflöst. Die Kriegsheimkehrer Stefan und Zbigniew geloben, sich niemals an eine Frau zu binden, um jederzeit zur Verteidigung des Vaterlandes bereit zu sein. Die zerrissene polnische Nation im ausgehenden 19. Jahrhundert, eines Staatswesens und einer Armee beraubt, mag sich an einer solchen Vorstellung aufgerichtet haben.

Musik mit europäischem Flair

Moniuszkos Opern jedenfalls sorgten für Zusammenhalt, Trost und Hoffnung auf eine freie, selbstbestimmte Gesellschaft. In Polen gilt er, wie Michail Glinka in Russland, als Vater der „Nationaloper“, wird als solcher verehrt. In unseren Breiten kennt man ihn kaum. Wenn die Oper Poznań seit dem 200. Geburtstag des aus dem heutigen Belarus gebürtigen polnischen Komponisten (1819-1872) schon zum dritten Mal in der Berliner Philharmonie gastiert, so ist das jedoch auch eine Art Heimkehr. Denn Moniuszko studierte mehrere Jahre in Berlin bei Carl Friedrich Rungenhagen, eben jenem Leiter der Singakademie, der Felix Mendelssohn Bartholdy als Bewerber um diesen Posten ausstach.

Stanislav Kuflyuk als Marschall, Gosha Kowalinska als Jadwiga und Ruslana Koval als Hanna.
Stanislav Kuflyuk als Marschall, Gosha Kowalinska als Jadwiga und Ruslana Koval als Hanna.

© Bartek Barczyk

Die gesamteuropäischen Einflüsse sind Moniuszkos Musik auch anzuhören. Melodiebögen à la Carl Maria von Weber, ein amüsanter Parlandoton, der manchmal Rossini nacheifert, an den großen Oratorien von Bach bis Mendelssohn geschulte Chorpartien bestimmen vor allem den ersten Teil. Orchester und Chor (Einstudierung Mariusz Otto) der Posener Oper legen sich unter Marco Guidarinis Leitung mächtig ins Zeug. Tänze wie Polka oder Krakowiak lockern das Pathos auf, das rein konzertant, ohne Texteinblendungen, manchmal etwas beschwerlich erscheint.

Doch bei Verwirrspielen im Gespensterschloss gewinnen Bariton Rafał Korpik als Zbigniew und Tenor Piotr Kalina als Stefan zunehmend an Stimmglanz und Profil, Gosha Kowalinska als Jadwiga zeigt koketten, etwas scharfen Mezzo, Ruslana Koval (Hanna) überstrahlt alles mit makellos geführtem, ausdrucksstarkem Sopran.

Die komischen Aktionen des Nebenbuhlers Damazy und des ängstlichen Kammerdieners Maciej, vielfarbige Bariton- und Basspartien vervollständigen die vorzügliche Ensembleleistung. Wenn sich Konflikte zuspitzen, das Drama Fahrt aufnimmt, wird auch die Musik persönlicher, ergeht sich in wunderbar melancholischer, dicht harmonisierter Melodik. Alles löst sich in einer zündenden Mazurka: Dazu kann man tanzen, aber nicht marschieren.

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