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Fürs Cover des 10cc-Albums „Look Hear?“ setzten Hipgnosis in Hawaii ein Schaf auf eine Psychoanalytiker-Couch..

© Hipgnosis Ltd.

Film über Cover-Gestalter Hipgnosis: Die Quadratur der Schallplatte

Mit Covern für Pink Floyd, Led Zeppelin und Paul McCartney hat die Design-Agentur Hipgnosis Popgeschichte geschrieben. Nun huldigt ihnen Anton Corbijn mit einem Dokumentarfilm.

Die Kuh war eine Provokation. Mit prall gefülltem Euter steht sie auf einer Weide und blickt über die Schulter in die Kamera. Als der Manager der Plattenfirma das Foto von Lulubelle III. – so hieß die Kuh – sah, stand er kurz vor einem Herzinfarkt: weil auf dem Cover des 1970 herausgekommenen Albums „Atom Heart Mother“ von Pink Floyd nur das Tier zu sehen sein sollte, nicht aber Bandname und Titel.

Die Kuh hat Popgeschichte geschrieben, so wie viele andere Plattenhüllen der britischen Grafik-Design-Agentur Hipgnosis auch, der Anton Corbijn nun den huldigenden Dokumentarfilm „Squaring the Circle“ widmet. Der Name war programmatisch zu verstehen, als Fusion zweier Sphären. „Hip“ signalisierte Coolness, das mystisch-religiöse „Gnosis“ stand für Weisheit. Die Hipgnosis-Gründer Storm Thorgerson und Aubrey „Po“ Powell gehörten in Cambridge zum Umfeld von Pink Floyd und wurden unzertrennlich, nachdem sie 1964 eine illegale Party überstanden hatten, die mit einer Polizei-Razzia endete.

„Wir wurden wie Brüder“, sagt Powell, dessen Erzählungen den Film tragen. In London, wohin sie Pink Floyd folgten, studierte er ein halbes Jahr Fotografie, aber eigentlich brachte ihm Thorgerson bei, wie man diesen Beruf ausüben muss: „Anvisieren, abdrücken, nachladen, wiederholen.“

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Angeblich hat Syd Barrett „Hipgnosis“ auf die Tür der Wohnung geschrieben, die er zeitweilig mit Thorgerson und Powell teilte. Doch es kursieren auch andere Namen für die Urheberschaft. Barrett war eingezogen, nachdem ihn die Mitmusiker wegen seines exzessiven LSD-Konsums aus der Band geworfen hatten. Er soll „angsteinflößend“ gewesen sein.

Als erste Auftragsarbeit entwarfen Hipgnosis 1968 für das Cover des zweiten Pink-Floyd-Albums „A Saucerful of Secrets“ ein schwirrendes Wimmelbild, das „das kaleidoskopische Gefühl eines Drogentrips nachstellen“ sollte. Als Zugeständnis an die Plattenfirma fügten sie ein winziges, auf Infrarotfilm aufgenommenes Bandfoto hinzu.

Hipgnosis-Gründer Aubrey „Po“ Powell trägt mit seinen Erinnerungen den Film.
Hipgnosis-Gründer Aubrey „Po“ Powell trägt mit seinen Erinnerungen den Film.

© Hipgnosis Ltd.

Es folgten Arbeiten für T.Rex, Black Sabbath und Emerson, Lake & Palmer sowie die Eröffnung von Geschäftsräumen in der Denmark Street. Die ehemalige Tanzschule war ein „Drecksloch“, und weil es keine Toilette gab, musste ein Waschbecken für die Erleichterung genügen.

Größenwahn und Geistesblitze

1973 wurde zum Jahr des endgültigen Durchbruchs, in dem Hipgnosis zum, so Powell, „Go-to-Studio“ aufstiegen. „Wenn man den Anruf von einem Ex-Beatle bekommt, ist das wie ein Anruf von Gott“, und so stellten sie für „Band On The Run“ Paul McCartney und seine Wings wie Knast-Ausbrecher in einen weißen Scheinwerferkegel.

Thorgerson, ausgestattet mit einem „Ego auf Planetgröße“, hatte großspurige Ideen ohne Ende, und Powell war für die Ausführung zuständig. Geld spielte keine Rolle, die Budgets waren gewaltig. Für eine Plattenhülle von The Nice hatten sie schon vorher rote Bälle nicht in irgendeiner Wüste, sondern gleich in der Sahara platziert. Nun ließen sie für das Led-Zeppelin-Album „Houses Of The Holy“ mit Gold und Silber bestäubte Kinder einen Felsen an der irischen Küste erklimmen. Und fürs Coverbild von „Look Hear?“ von 10cc, auf dem ein Schaf auf eine Psychoanalytiker-Couch vor der Meeresbrandung hockt, flogen sie nach Hawaii.

Die wirkmächtigsten Arbeiten entstanden aber für Pink Floyd: der Handschlag mit einem in Flammen stehenden Stuntman auf „Wish You Were Here“; das zwischen den Schornsteinen der Battersea Power Station aufsteigende Helium-Schwein auf „Animals“; und natürlich das legendäre dreieckige Prisma auf „Dark Side Of The Moon“. Die Inspiration dafür kam von der Lektüre eines Physikmagazins zum Thema Licht.

In den Achtzigerjahren begann der Abstieg. New Wave und Synthpop beendeten die Ära des Stadionrocks. CDs setzten sich durch, die kein aufwändiges Artwork mehr brauchten. Kein Plattenlabel wollte noch 50.000 Pfund für ein Cover ausgeben. Auf MTV begannen die Bilder als Musikvideos zu tanzen. Ein Trend, auf den Hipgnosis aufspringen wollten, indem sie eine Filmfirma gründeten, die nach zwei Jahren pleite war. 1985 wurde das Unternehmen aufgelöst, danach haben Thorgerson und Powell zwölf Jahre kein Wort mehr gewechselt.

Anton Corbijn ist ein gefeierter Rockfotograf, Covergestalter und Spielfilmregisseur. „Squaring The Circle“, seinen ersten Dokumentarfilm, hat er konventionell gestaltet. Er setzt ganz auf historische Aufnahmen und die Talking Heads von Protagonisten wie Paul McCartney, Jimmy Page, David Gilmour, Roger Waters oder Peter Gabriel, die in Anekdoten schwelgen. Aber einmal sieht man Powell, wie er in einer inszenierten Einstellung mit einer Künstlermappe auf dem Rücken zu einer Kirche läuft. Sucht er das Grab seines 2013 verstorbenen Ex-Kompagnons Storm Thorgerson?

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