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Musikerin Fatoumata Diawara live beim Roskilde Festival 2022.

© IMAGO/Gonzales Photo/Lasse Lagoni

Festival „Sonic Pluriverse“ im HKW : Pop-Superstar aus Mali Fatoumata Diawara spielt in Berlin

Fatoumata Diawara zeigte am Dienstagabend im Haus der Kulturen der Welt, wie man internationale Musik macht, ohne die eigenen Wurzeln zu vergessen.

Musik aus aller Welt zu präsentieren, ist die Aufgabe des Hauses der Kulturen der Welt, könnte man meinen. Ist es auch. Aber wenn man dem Auftritt von Fatoumata Diawara im Rahmen des noch bis Anfang August gehenden Festivals „Sonic Pluriverse“ beiwohnt, spürt man vor allem, wie sich die ganze Welt auch in der Musik spiegelt.

Was der malische Superstar, der inzwischen in Frankreich lebt, darbietet, ist eine wahrlich grenzenlose Musik. Man hört sehr viel Rock, richtigen, echten Rock, mit schon mal ausufernden Gitarrensoli. Man hört aber auch Funk, Soul und Afrobeat. Und im nächsten Moment wird wieder ein anderer Vibe verbreitet. Off-Beats setzen ein, der Bassist jagt sein Instrument durch dubbige Echokammern und schon fühlt man sich wie auf einer Reggae-Jam.

Hommage an Fela Kuti

Diawara spricht bei ihrem Auftritt auf der ziemlich gut gefüllten Terrasse des HKW selbst davon, dass sie musikalisch überall beheimatet ist, es ihr dabei immer aber auch darum gehe, die Musik Malis und des afrikanischen Kontinents zu bewahren. Und dann erinnert sie an Fela Kuti, den großen nigerianischen Pionier des Afrobeat, in einem Stück, das zeigt, worum es Diawara geht und was sie kann. Ihre Hommage an Kuti klingt nämlich eindeutig nicht nach diesem, sondern nach ihr. Sie mag die Musik dieser Welt aufsaugen wie ein Staubsauger, aber nie ist sie bloß Kopistin.

Diawara ist inzwischen ein globaler Star. Sie hat mit solch unterschiedlichen Musikern wie dem äthiopischen Jazzpionier Mulatu Astatke genauso zusammengearbeitet wie mit Sir Paul McCartney. Damon Albarn, der Sänger der Britpopband Blur und schon lange sehr interessiert an allen möglichen Musiken Afrikas, hat ihr aktuelles, von der Kritik gefeiertes Album „London Ko“ mitproduziert. Auch diese Namen zeugen von Diawaras absolut nicht vorhandenen Berührungsängsten.

Dabei ist es ihr immer noch wichtig, zu zeigen, wo sie herkommt. Eigentlich geboren an der Elfenbeinküste, wuchs sie in Mali mit 20 Geschwistern auf. Aus Angst vor einer Zwangsheirat floh sie nach Frankreich, um noch im Teenageralter eine Karriere als Schauspielerin zu beginnen, bevor sie vor zwölf Jahren ihr erstes Album veröffentlichte, das sofort ein Erfolg war.

In Bambara-Sprache

Obwohl sie inzwischen in Frankreich lebt, singt sie immer noch in der malischen Nationalsprache Bambara. Und auch wenn sie selbst inzwischen hauptsächlich E-Gitarre spielt und ihre vierköpfige Band auf der HKW-Terasse mit einem Bassisten, einem Keyboardspieler, einem zweiten Gitarristen und einem Drummer eher ein typisch westliches Rockband-Line-up bilden, hat sie selbst immer wieder malische Instrumente in der Hand, die sie wenigstens kurz spielt.

Zudem macht sie in ihren kämpferischen Texten ihre ewige Verbundenheit mit Mali deutlich, auch wenn sie mit diesen dort nicht nur auf Begeisterung stößt. Beispielsweise singt und engagiert sie sich gegen Genitalverstümmelungen, die in Mali bei über 80 Prozent der Mädchen und Frauen immer noch vorgenommen werden.

Politisches Statement

Bei ihrem Auftritt in Berlin wirkt die Erinnerung an diese grausame Praxis ziemlich verstörend. Der wohlige Geruch von Fisch und Kochbananen vom Imbissstand hat sich im Laufe des Events ausgebreitet, langsam geht die Sonne unter, was hier im Freien überhaupt erst eine angemessene Konzertatmosphäre ermöglicht. Im aufkommenden Dunkel wird das Dach des HKW illuminiert und die Bühne irgendwann in ein stimmungsvolles Rot getaucht.

Und da mittenrein hält Diawara einen mehrminütigen Vortrag über Zwangsbeschneidungen. Darüber, wie dieses Unrecht im vermeintlichen Namen der Religion über Millionen von Frauen kommt. „Unsere Töchter müssen frei sein“, ruft sie ins Publikum, „sie dürfen nicht getötet werden.“ In dieses abendliche Dämmern hinein, zwischen Reggae- und Funkrhythmen, zu denen es sich einige auch auf den herumstehenden Liegestühlen bequem gemacht haben, wirkt dieser Weckruf über Zustände im doch eigentlich so weit entfernten Mali schon ziemlich heftig. Stille im Publikum. Dann Applaus für die klaren Ansagen.

Die Probleme Malis sollten in Deutschland nicht vergessen werden. Erst recht nicht jetzt, wo die Bundeswehr gerade aus dem Land abzieht und die Mission dort als gescheitert gilt. Malis Zukunft ist gerade ziemlich ungewiss und wie bereits in Afghanistan könnten die Leidtragenden mal wieder vor allem die Frauen sein. Auch diese Botschaft wird auf einem Konzert vermittelt, bei dem es um mehr geht als Musik, zu der sich gut tanzen lässt.

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