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Fulani Bantu, eine zitronige Suppe mit Zackenbarschbällchen, servierte Fatmata Binta in der „Weltwirtschaft“ im Haus der Kulturen der Welt.

© Mathias Voelzke

Sinn und Sinnlichkeit: Das Haus der Kulturen lockt mit kulinarischen Genüssen

Spitzenköchin Fatmata Binta veranstaltet im HKW „Dine on a mat“-Abende, bei denen sie die Fulani-Küche vorstellt. Eine Begegnung.

Alles sei auf gutem Wege, vieles schon vorbereitet, sagt Fatmata Binta, als sie am Vormittag aus der Küche des Restaurants „Weltwirtschaft“ im Berliner Haus der Kulturen der Welt zum Interview kommt. Als die Kulturinstitution vor drei Wochen wiedereröffnete, richtete die Spitzenköchin Fatmata Binta zwei ihrer berühmten „Dine on a mat“-Abende aus. Es ging um mehr als darum, die westafrikanischen Fulani-Küche in einem mehrgängigen Menü vorzustellen. Es ging um die Kunst der Begegnung, um Gemeinschaft und Verbindung.

Nahrung speichert kulturelles Wissen

Das Haus der Kulturen der Welt (HKW) hat sich unter seinem neuen, aus Kamerun kommenden Intendanten Bonaventure Soh Bejeng Ndikung eine anspruchsvolles postkoloniales Programm auf die Fahnen geschrieben, Diskurse über Gesellschaftssysteme, Rassismus und Kolonialismus. Aber beim Wissensaustausch sollen auch „Hospitality“, sinnliche Erfahrungen und der Körper viel mehr als bisher berücksichtigt werden. Da kommt Fatmata Binta ins Spiel.

Bei „Dine on a Mat“ speisen die Gäste auf dem Boden.

© Mathias Voelzke

Binta ist es inzwischen gewohnt in Küchen zu kochen, die sie nicht kennt, mit Menschen, die ihre Gerichte nie zubereitet haben; mit Servicepersonal, das vielleicht noch nie den „Tisch“ auf einer Bastmatte eingedeckt hat, wie die Crew im HKW. 2018 eröffnete sie ihr erstes Pop-up-Restaurant, seitdem tourt sie damit durch Städte in Europa, den USA und Afrika.

Sie präsentiert authentische Fulani-Küche mit modernem Twist. Die Gäste sitzen auf Matten auf dem Boden, essen mit den Händen, gießen sich gegenseitig Tee ein, teilen das Essen – teilen die Zeit. Die Matte erde die Menschen, sorge für Entschleunigung, so Binta. Die Geschichte der Fulani, einer der größten nomadischen Gesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent, erzählt sie über die Gerichte auf dem Teller.

Die Speisen der Fulani-Küche

Die 38-jährige ist in Freetown in Sierra Lione aufgewachsen, in einer Fulani-Familie mit guineischen Wurzeln. Als Kind musste sie während des Bürgerkrieges in Sierra Lione mit ihrer Familie nach Ghana fliehen. „Das einzige, was uns in dieser harten Zeit durchhalten ließ, war das gemeinsame Essen. Jemand brachte eine Zwiebel, ein zweiter ein bisschen Öl oder eine Handvoll Reis. So haben wir uns versorgt, so entstand Gemeinschaft.“

Binta hat Internationale Beziehungen studiert, lebte mehrere Jahre in Madrid, arbeitete im verschiedenen Hotel- und Gourmetrestaurants, bevor sie mit „Dine on a Mat“ den Schritt in die Unabhängigkeit wagte. 2022 gewann sie den „Basque Culinary World Prize“. Die Auszeichnung geht an Chefköche, die gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen. Zum ersten Mal gewann ihn eine Kandidatin aus Afrika.

Chefköchin Fatmata Binta lebt in Accra in Ghana. Sie ist auf die westafrikanische Fulani-Küche spezialisiert.

© Mathias Voelzke

Am Abend ist der Raum der „Weltwirtschaft“ mit seinen großen Fenstern zur Spree leergeräumt – und neu dekoriert. Auf dem Boden liegen Matten aus Bast, darauf Teller, Besteck, Gläser. Blumenarrangements schmücken den Raum, ein Musiker spielt. Binta am Mikrofon, erklärt die Vorspeise: Brötchen aus Fonio-Mehl, ihre Eigenkreation, dazu Ghee-Knochenmarkbutter oder Kokosnussbutter für die Vegetarier.

Als zweiter Gang kommt Fulani Bantu, ein klassisches Streetfood aus Guinea Conakry, das dort nur zwischen 16 und 19 Uhr verkauft wird. In der klaren Brühe mit deutlichen Zitrusaroma schwimmen zwei kleine, helle Zackenbarsch-Bällchen, sehr zart, dazu ein paar Tropfen grünes Öl. Alles stilvoll angerichtet. Die Suppe ist der Publikumslieblig in Bintas Küche. Das Lamm Suya, mit spezieller westafrikanischer Würzung, kommt mit Reis in geräucherten Bananenblättern, mit Auberginenmousse und eingelegtem Kohl und wird mit den Händen gegessen. Viel Fleisch gibt es in der Fulani-Küche nicht, obwohl die Menschen als Hirten umherziehen, gönnen sie sich für den eigenen Verzehr nur wenige Stücke.

Die Fischbällchen rauben allen den Verstand

„Die Fulani Küche ist sehr einfach“, sagt Binta. Eine pflanzenbasierte Kost, die mit alten Getreidesorten und sonnengetrocknetem Gemüse arbeitet, beeinflusst vom nomadischen Lebensstil der Fulani. „Frische Lebensmittel können auf Reisen nicht mitgenommen werden. Konservierung ist deshalb ein wichtiger Aspekte dieser Küche.“ Bereits als Kind kochte Binta mit den Frauen der Familie, teilte die Mahlzeiten mit den Fulani-Ältesten. Ein Lebensstil, der verschwindet. Genauso wie der Gebrauch der Zwerghirse Fonio.

„Fonio existiert seit 7000 Jahren. Es ist glutenfrei, antiglykämisch, ein Superfood“, erklärt Binta. Auf lokalen Märkten ist das Getreide allerdings kaum zu finden, stattdessen Reis aus Thailand und China. Das Ziel ihrer Stiftung „Fulani Kitchen Foundation“ ist es, den Fonio-Anbau wiederzubeleben und Frauen in Westafrika damit eine Lebensgrundlage zu ermöglichen. Dafür hat sie im Norden Ghanas Land gekauft, lässt Lagerhallen errichten und Fonio-Erntemaschinen entwickeln.

Kann Essen helfen über kontroverse Themen zu reden, Wissen zu teilen, koloniale Hierarchien zu überwinden? Fatmata Binta ist davon überzeugt. Erstaunlich wenig aber mischten sich die Kreise und somit auch das Wissen auf den Matten an diesem Abend. Unvermittelt schnell war nach Binas letztem Gang, einem Baobab-Eis mit Hibiskussirup und Ingwergel Schluss. Vermutlich braucht es Zeit, nicht ein Essen, sondern viele. Den „Tongue and Throat Memories“, den Erinnerungen der Zunge und der Kehle, widmet sich eine ganze Veranstaltungsreihe im HKW, zu der Fatmata Binta den Auftakt bildete.

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