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Der „Dogman“ Doug (Caleb Landry-Jones) ist von den Menschen enttäuscht und umgibt sich stattdessen mit seinen neuen, vierbeinigen Freunden.

© Capelights Pictures

„Dogman“ im Kino: Misanthrop auf den Hund gekommen

Der französische Genre-Regisseur Luc Besson hat mit dem „Dogman“ einen charismatischen Antihelden geschaffen. Aber sein Film will sich nicht zwischen B-Movie und Drama entscheiden.

Ein Hund kann bis zu 250 verschieden Kommandos erlernen. Unnötige wie „Gib Pfötchen“ oder „Schäm dich“, mit denen Hundebesitzer:innen zeigen, wer hier die Leine hält. Praktische wie „Hol das Handy“, die die Tiere unter anderem zu wertvollen Assistenzhunden für Menschen mit Behinderungen machen. Und noch etwas praktischere wie „Schnapp die Juwelen vom Nachttisch der schlafenden Millionärin, und bring sie mir“.

Der „Dogman“ Doug (Caleb Landry-Jones), dessen Name nicht zufällig wie das englische Wort für Hund klingt, braucht sie alle. Seine Kindheit waren echte Dog-eat-Dog-Jahre: Vom psychopathischen Vater, gespielt von Clemens Schick, verprügelt, vom ebenso brutalen Bruder (Alexander Settineri) gefoltert und von der verzweifelten Mutter verlassen, wird er in den Hundestall geworfen, in dem der Vater seine Kampfhunde hält. Nach Monaten des Darbens schießt der Vater seinem Sohn schließlich mit der Schrotflinte in den Rücken, bevor der gelähmte Doug es mit Hilfe der Hunde schafft, aus der Hölle auszubrechen.

Von den Menschen enttäuscht

Der erwachsene Doug steht als freundlich-monströse Kreuzung aus „Canidae“ und Ganove einem treuen Rudel Vierbeiner vor, trägt massige, antike Knieorthesen und rollt einmal die Woche in einen Nachtclub, um dort in Drag unter dem Jubel der netten Kolleginnen Songs von Edith Piaf und Marlene Dietrich zu performen.

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Und weil Hunde eben auch Befehle über „Schnapp die Juwelen“ hinaus verstehen, und ohnehin die besseren Wesen sind, helfen sie dem von den Menschen schwer enttäuschten Doug bei seinem Rachefeldzug: Sie assistieren ihm bei der „Umverteilung des Wohlstands“, apportieren fleißig Wertgegenstände, kuscheln mit ihm. Oder zerfleischen auf sein Kommando hin auch schon mal Widersacher.

Wie eine Comic-Adaption

All das erzählt Doug der Polizeipsychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs), die den „Dogman“ nach der letzten Gewaltorgie (er hat seinen treuen Hundemob auf eine brutale Latino-Gang gehetzt) im Gefängnis interviewt. Dass die beiden etwas vage durch ihren „Schmerz“ verbunden sind (Evelyn hat selbst Gewalterfahrungen gemacht), daran lässt Regisseur Luc Besson von Anfang an keinen Zweifel.

Sein „Dogman“, der in Pathos, Make-Up-Ideen und Trauma-Erzählung offensichtlich vom „Joker“ inspiriert ist (und nicht nur darum wie eine Comic-Adaption wirkt), hätte ein ungewöhnlicher Antiheld werden können.

Ein Mensch mit Behinderung, der sein Schicksal und die Ablehnung seiner Umwelt nicht mehr hinnimmt. Ein Travestie-Künstler, der unabhängig von sexueller Identität lustvoll „Drag“ zelebriert: irgendwo zwischen dem blinden Superhelden Daredevil, Olivia Jones und der „101 Dalmatiner“-Heldin Cruella. Und das mit entschiedener Leidenschaft für Genre und Ausstattung.

Doug (Caleb Landry-Jones) erzählt der Psychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs) seine Lebensgeschichte.
Doug (Caleb Landry-Jones) erzählt der Psychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs) seine Lebensgeschichte.

© dpa/Shanna Besson

Aber Besson entscheidet sich nicht: Mal lässt er Doug minutenlang in Großaufnahme Edith Piaf interpretieren, weidet sich an Landry-Jones‘ blutigen, schönen Gesicht mit verschmierter Schminke, und reproduziert damit das ärgerliche Klischee des leidenden, queeren Märtyrers.

Die überflüssige Geschichte eines childhood crushs tut ihr Übriges: Einst gab es eine junge Frau im Leben des Teenagers Douglas (Lincoln Powell), die ihm die klassischen Werke des Theaters nahebrachte, ihn jedoch bei einem Treffen Jahre später damit enttäuscht, dass sie inzwischen verheiratet ist.

Camp und christliche Symbolik

Für Doug ist das die letzte Stufe in sein Unglück. Das Publikum hingegen lässt es am langweiligen Spannungsbogen verzweifeln: Der Handlungsrahmen, das Gespräch zwischen der Psychologin und dem charismatischen Köter-Täter, ergibt dramaturgisch wenig Sinn, es verschleppt die Geschichte bloß. Und die Gewaltspitzen sind nur erträglich, weil die campy Künstlichkeit des Films das Publikum stets auf Distanz hält. Auch die christliche Symbolik, die sich durch den Film zieht, wirkt aufgesetzt. 

Dass der böse, bibelfeste Bruder einen „In the Name of God“-Banner an Dougs Käfig hängt, der aus der Käfigperspektive heraus – also in Spiegelschrift – als „Dogman“ lesbar wird, macht die Metaphorik („God“ - Dog“) überdeutlich. Ohnehin scheint Besson einfach alles in seinen Film geworfen zu haben, was nach seiner Ansicht zu einem exaltierten Bösewicht passt: Sünden, Shakespeare und jede Menge Schminke.

Einzig in den Hundeszenen zeigt sich die Ästhetik des ehemaligen Werbefilmers Besson, der mit „Das fünfte Element“ und „Valerian“ opulente, immersive Fantasyfilme inszeniert hat. Und mit „Léon, der Profi“ und „Nikita“ emotional anrührende Thriller schuf.

Wenn Dougs zottelige Hundecrew in „Kevin – Allein zuhaus“-Manier einen Eindringling nach dem anderen in Fallen lockt und überwältigt, während ihre Augen im Dunkeln leuchten wie bei einer Horde Zerberusse, ist das schöner, gemeiner Fantasy-Spaß. Als Belohnung dafür haben die Tölen sich mindestens ein Leckerli verdient.

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