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Lernen beim Machen. Am Set der Filmarche-Serienproduktion „Newbie“.

© Robert Paul Kothe

Die Filmarche wird 20: Eigenregie ist alles

Nora Fingscheidt hat hier Filmemachen gelernt, auch die Brüder Tom und Jakob Lass. Selbstverwaltet Filme machen – das lernen Studierende an der Neuköllner Schule, die jetzt ihr 20. Bestehen mit einem Festival feiert.

Wie bemisst sich der Erfolg einer Schule? Daran, dass sie bekannte Alumnis aufweisen kann wie die Bärengewinnerin Nora Fingscheidt, Tom und Jakob Lass, Hannes Hirsch oder den Kameramann Alex Bloom, dessen Spielfilm „Hive“ 2021 beim Sundance-Filmfestival preisgekrönt wurde? Auch.

Aber mehr noch daran, dass man beim Rundgang durch die nicht gerade ausufernden Klassen- und Technikräume der Filmarche im hintersten Neuköllner Gewerbegebiet, diese Leute trifft: Alumni, die hier lange nach ihrem Studium noch ehrenamtlich netzwerken, unterrichten, organisieren.

So wie die Editorin, die einer vom Goethe-Institut hierher geschickten Filmemacherin aus Kamerun auf Französisch Montage-Unterricht gibt. So wie der Mann vom Internationalen Komitee, der sie hierher vermittelt hat. Oder wie Josephine Kuthning, die ehrenamtliche Pressesprecherin, die die Öffentlichkeitsarbeit zum 20 jährigen Bestehen der freien Filmschule stemmt, obwohl sie seit ihrem Abschluss 2018 als freie Filmemacherin arbeitet.

Zwei Generationen Filmarche. Dokumentarfilmer Simon Brückner ist Mitgründer, Yamundao Bah Drehbuch-Studentin.

© Josephine Kuthning

Das spricht für eine Identifikationskraft, die über den Studienrahmen hinausgeht. In der Filmarche lerne man für das Filmemachen so essenzielle Dinge wie Zusammenhalt, Solidarität und Eigenverantwortung, sagt Nora Fingscheidt, eben weil das Konzept der selbstverwalteten Schule darauf basiere. „Und es ist sicher kein Zufall, dass ich dort meine beste Freundin und den Vater meiner Kinder kennengelernt habe.“

Eine Filmschule, die im Wortsinn eine Schule fürs Leben ist. Das hört man doch gern in Bezug auf ein Medium, das sich künstlerisch mit dem Wesen des Menschen auseinandersetzt und gleichzeitig eine Unterhaltungsindustrie bedient, in deren Strukturen es nach wie vor zu Machtmissbrauch und Diskriminierungen kommt.

Simon Brückner ist Mitgründer

Der Dokumentarfilmer Simon Brückner, 45, gehört zu den Gründungsmitgliedern der Ache, die 2003 mit ersten – hauptsächlich zur Weiterbildung gedachten – Lehrgängen ohne Geld, Räume und Lehrkräfte den Unterrichtsbetrieb starteten.

Sein AfD-Dokumentarfilm „Eine deutsche Partei“ wurde 2022 auf der Berlinale kontrovers diskutiert. Brückner ist – genau wie Fingscheidt – nach wie vor im Ältestenrat der Schule und als Dozent aktiv. Er hat festgestellt, dass sich Studierende der Filmarche auch außerhalb häufiger filmpolitisch engagieren. „Für gerechtere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen.“

90 Euro Monatsbeitrag der Studierenden, das ist die Grundfinanzierung. Staatliche Förderung gibt es nicht, auch kein staatlich anerkanntes Diplom. Bewerben kann sich jede und jeder, die mindestens 21 ist, ein Maximalalter existiert nicht. Ohne Leute, die wirklich was wollen und idealerweise auch schon was können, funktioniert ein selbstorganisierter Unterricht nicht.

Auf Deutsch und Englisch, das legt jede der aus maximal 16 Leuten bestehenden Klasse der Sparte Regie, Dokumentarfilmregie, Drehbuch, Kamera, Produktion, Schnitt für sich fest. Ebenso, ob sie sich an den Lehrplan, der über die Jahre entwickelt wurde, hält oder nicht.

Üben, üben, üben. Setfoto einer Produktion der Filmarche.

© Jan Bechberger

Newcomer werden von älteren Patinnen betreut, es gibt Essentials wie den Basiswissen-Grundkurs und die Setübung, in die anfangs alle reingeschmissen werden, um sofort ein Gefühl für die filmische Arbeit zu bekommen. Statt eines Budgets für Studierendenfilme gibt es in der dreijährigen Ausbildung ein Klassen-Budget, das auch dazu dient, externe Dozentinnen einladen zu können.

Für Yamundao Bah, 26, die seit Oktober 2021 hier Drehbuch studiert, ist die Arche ein Ort, wo man beim Machen am meisten begreift. „Ich habe das meiste über Filmsets am Filmset gelernt.“ Bah kam mit einem Bachelor in Literatur und Übersetzung an die Arche, war ein Jahr lang im Vereinsvorstand tätig und hat jetzt das Filmfestival zum Arche-Geburtstag organisiert.

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Außerdem schreibt sie am Konzept für eine Serie. Auch sie ist voll des Lobes für ihre Schule, in der man einen Unterrichtstag pro Woche mit der obligatorischen Arbeit in einem der Komitees kombiniert. Geld verdient sie nebenbei an einer Hotelrezeption.

Realistisches Bild der Branche

Bah glaubt, dass sie in ihrem zweiten Jahr an der Arche bereits ein realistisches Bild der Branche gewonnen hat, auch durch die externen Dozentinnen, die ihre Drehbuchklasse eingeladen hat. Gibt es denn nichts, was sie an der Low-Budget-Schule für No-Budget-Filmprojekte nervt? „Manchmal ist die Küche sehr dreckig“, lacht Bah. Auch geputzt wird in Eigenregie.

Problematischer findet sie aber etwas anderes. „Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht nur in die Orga versenke – etwa die des Filmfestivals.“ Das ist der Preis einer auf persönliches Engagement bauenden Lernform, in der an Unterrichtstagen manchmal erst eingangs eine halbe Stunde besprochen wird, was man in der kommenden Woche zu lernen gedenkt.

Trotzdem helfe die Akademiesituation sehr bei der Auseinandersetzung mit künstlerischen Herausforderungen, sagt Simon Brückner. Einfach weil sich Filmleute aller Gewerke auf kurzem Weg zusammenschließen. Und obwohl kein Geld beim Filmemachen frustriert, wie Alumni Hannes Hirsch sagt, dessen Berlinale-Beitrag „Drifter“ mit einem Team aus Arche-Leuten produziert wurde, entstehen so auch kreative und mutige Ideen. Was jetzt kein Lob des Mangels sein soll.

Die Arche könnte mehr Mittel und größere Räume, die sie gerade sucht, durchaus vertragen. Aber für Brückner, Bah und Kuthning ist die Unabhängigkeit der Schule ein Wert an sich, der mit immer mehr „Ex-Archis“ auch in eine andere Film- und Branchenkultur führt. Von Freundschaften und Familiengründungen ganz abgesehen.

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