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Die Gorillaz 2017 in der Max-Schmeling-Halle in Berlin auf.

© dpa/Christophe Gateau

„Cracker Island“ von den Gorillaz: Damon Albarn und seine illustre Gesellschaft

Nachdem es mit einem Netflix-Animationsfilm über die Geschichte der Band nicht geklappt hat, erscheint nun schon wieder ein neues Gorillaz-Album - das beste seit langem.

Die Frage mag unzulässig sein, so kurz nach der Veröffentlichung eines Gorillaz-Albums: Was macht eigentlich der Solo- und Britpop-Musiker Damon Albarn so? Natürlich schreibt und singt er Songs, wie jetzt wieder durchweg auf „Cracker Island“. Und doch schließt sich daran die vielleicht wichtigere Frage an: Warum macht er das alles noch unter dem Bandnamen Gorillaz, als Mastermind seiner virtuellen Comicband, die er 1998 mit dem „Tank-Girl“-Zeichner Jamie Hewlett gegründet hatte?

Wie aus einem Guss

Denn „Cracker Island“ ist zum einen das inzwischen schon vierte Album innerhalb von sieben Jahren, nachdem die Gorillaz nach langer Pause 2017 mit „Humanz“ eine Art Comeback gefeiert hatten. Da besteht schon mal die Gefahr, dass die spektakulären Pop-Momente weniger werden, dass ein gewisser Überdruss einsetzt.

Zum anderen klingt „Cracker Island“ wirklich wie ein Damon-Albarn-Soloalbum. Aber, das gleich vorweg, von wegen Gorillaz-Überdruss, es ist ein ganz wunderbares Album geworden, allein im Vergleich mit dem tatsächlichen Soloalbum, das Albarn unter dem Titel „Everything Robots“ 2014 veröffentlichte. „Cracker Island“ wirkt wie aus einem Guss, nicht so überladen, nicht so diffus-divergierend, um Integration unterschiedlichster Soundschnipsel bemüht wie die vergangenen Gorillaz-Werke.

Das Konzept letzterer war ja, immer noch mehr Gastmusiker zu versammeln und denen auch musikalisch in ihrer Besonderheit gerecht zu werden. Anders als seine Großkonkurrenten aus den neunziger Jahren, die Gallagher-Brüder von Oasis, hat sich Albarn nach den Blur-Jahren vielen anderen Sounds zugewandt: vom afrikanischen Kontinent, klassischer Black Music von Soul bis Hip-Hop, elektronischer Musik.

So stehen ihm auch jetzt wieder einige Gastmusiker:innen zur Seite, angesagte genauso wie alte Pop-Helden: der US-Produzent und Bass- und Soundmagier Thundercat, die Fleetwood-Mac-Ikone Stevie Nicks, das Quasi-Gorillaz-Bandmitglied Adeleye Omotayo sowie Tame Impala, Bad Bunny und der Neunziger-Jahre-Loser-und-Slacker Beck.

Eine illustre Gesellschaft, die Albarn in den Songs jedoch wirklich nur zurückhaltend begleitet. Es dominiert Albarns melancholischer Zugriff, seine Art des Wohl-und-Wehe-Pop, des mäandernden Songwritings.

Heiter-swingende Popsongs

Erst dahinter sind musikalische Variationen zu entdecken: der Groove im Titelstück, natürlich von Thundercat inspiriert; das dezent Yachtrockige, zwingend nach vorn Treibende in „Oil“, na klar, mit Stevie Nicks; die leichte Psychedelik mitsamt dem schön in die Höhe gehenden Refrain in „New Gold“, dem Song, der Tame Impala und den Rapper Bootie Brown featurt. Dann gibt es den heiter-swingenden Popsong „Tarantula“, das sich in rockistische Höhen aufschwingende „Skinny Ape“, die Pianospielerei mit Beck und mehr.

Dass dieses Album jetzt so schnell wieder als Gorillaz-Album und mit zehn Songs in ungewohnter Kürze veröffentlicht wurde, verdankt sich einem Scheitern. Die meisten Songs sind schon länger fertig gewesen – auf Youtube gibt es dazugehörige Videos mit Millionen von Abrufen – und waren für einen langen Netflix-Animationsfilm gedacht: die Geschichte der Gorillaz, von Murdoc, 2-D, Noodel und Russel Hobbs und wie sie sich in einer Welt nach der Apokalypse durchschlagen. Doch der für den Film Hauptverantwortliche sprang ab, Netflix hat inzwischen andere Sorgen, und so wurde nichts daraus – außer „Cracker Island“, das schönste Damon-Albarn-Album seit langem.

PS: Wie gut und zeitgemäß es ist, wie gut Albarn gealtert ist, hört man auf dem Streamingdienst seines Vertrauens: Nach Erklingen des letzten „Cracker-Island“-Tons kommt ein neueres Stück von Noel Gallagher, und man weiß, was wirklich überholt retro ist.

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