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Umbrella Academy: Spielfreudiger Krawall

Gerard Way ist hauptberuflich Sänger der Rockband My Chemical Romance. Für seine Comicreihe „The Umbrella Academy“ plündert er den Fundus der Literatur-, Musik- und Filmgeschichte.

„Es gibt leider nicht sehr viele Eltern, deren Umgang für ihre Kinder wirklich ein Segen ist“, klagte die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach. Das gilt leider auch für die sieben Kinder der Familie Hargreeves. Erinnern die Erziehungsmethoden ihres Adoptivvaters Sir Reginald doch gelegentlich an - freundlich gesagt - Drill.

Aber seine sieben Sprösslinge sollen ja auch nicht spielen, sondern als „The Umbrella Academy“ im gleichnamigen Comic die Welt retten. Zumindest die Kinder „Nummer 1“ bis „Nummer 6“. Töchterchen „Nummer 7“ verfügt nämlich anders als ihre Geschwister über keinerlei Superkräfte und darf deshalb nicht mitretten. „Tja, es ist nun mal nichts Besonderes an dir, Nummer 7. Warum gehst du nicht noch ein wenig Geige üben“, bringt Sir Reginalds seiner Tochter diesen Umstand umstandslos nahe.

Es wundert wenig, dass die Familie zwanzig Jahre später bis aufs Blut zerstritten ist, als sie sich am Grab des Vaters versammelt. Nur findet sie dort wenig Ruhe zur Reflexion, weil sie gleich gezwungen wird, einmal mehr die Welt zu retten. Nur ist das gar keine so leichte Aufgabe, wenn man sich ständig mit seinen Geschwistern streiten muss, wegen zu viel Speed schon seit Tagen wach ist oder auf Grund einer missglückten Zeitreise als 60-Jähriger im Körper eines 10-Jährigen feststeckt. Und dann paktiert die eigene Schwester auch noch mit dem Feind.

Autor Gerard Way, hauptberuflich Sänger der Rockband My Chemical Romance, hat für seine Comicreihe, „The Umbrella Academy - Weltuntergangs-Suite“ mit vollen Händen den Fundus der Literatur-, Comic-, Musik- und Filmgeschichte geplündert: Fantastic Four, Der Omega-Mann, Planet der Affen, The Time Machine, Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann, die Texte seiner eigenen Band, Enid Blyton und und und.

Das Ergebnis ist überdreht und laut, brutal und niedlich, nah am Leben und doch völlig überzeichnet. Überall kracht und explodiert es, und während auf der einen Seite Köpfe und Leiber zerbersten, freuen sich die Wunderkinder auf einer anderen, nachdem sie das von einem Gustave-Eiffel-Zombie-Roboter ferngesteuerte Pariser Wahrzeichen zerlegt haben, über ihre Belohnung in Form von Eiscreme. „Eine Kugel pro Person.“

Beides, Gewalt wie Putzigkeit, beherrscht der brasilianische Zeichner Gabriel Bá spielend. Mit kantigem, aber dynamischen und an die Hellboy-Comics erinnernden Stil hat er die Geschichte illustriert. Mal detailversessen, mal mit Mut zur Vereinfachung, aber immer temporeich.

Für diese postmoderne Superheldensaga gab’s im vergangen Jahr den renomierten Eisner-Award. Jetzt liegt der Band, der die ersten sechs Einzelhefte vereint und sich als Auftakt einer ganzen Serie versteht, auch auf Deutsch vor. Trotz der Ehrung ist der intellektuelle Anspruch des Werkes jedoch vergleichsweise bescheiden.

„The Umbrella Academy“ ist kein differenziertes Psychogramm wie Alan Moores sich mit ähnlicher Thematik beschäftigendes Großwerk „Watchmen“, kein Vexierspiel wie die ebenfalls als Vorbild fungierende „League of Extraordinary Gentlemen“. Das hier ist spielfreudiger Krawall.

Stellenweise wirkt die „Umbrella Academy“ deshalb trotz des Umfangs von 150 Seiten leider etwas skizzenhaft. Viele Ideen werden nur angerissen, viele Fragen bleiben offen: Was hat es mit der seltsamen Geburt der Kinder auf sich? Was mit der Robotermama? Wo ist „Nummer 6“? Wer ist Sir Hargreeve wirklich? Wer sind die Aliens, die den Zeitreisenden verfolgen?

Das Potential ist da, aber um wirklich die Superheldensaga für das 21. Jahrhundert zu werden, muss im zweiten Teil, der seit November in den USA unter dem Titel „Dallas“ in Heftform erscheint, noch ein bisschen nachgelegt werden. Vielleicht ein bisschen weniger Hauruck und ein bisschen mehr Dostojewskij.

Gerard Way & Gabriel Bá: The Umbrella Academy - Weltuntergangs-Suite“, Cross Cult, 19,80 Euro

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