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Bunte Mischung: Comic-Bestseller und Neuzugänge im Corona-Jahr.

© Promo

Krise, welche Krise?: Wie sich die Comicbranche in der Pandemie behauptet

Die Comicbranche kommt bislang überraschend gut durch die Corona-Krise – mit Ausnahme eines Bereichs.

Wir befinden uns im Jahre eins nach Corona. Der ganze Buchmarkt leidet unter Umsatzeinbrüchen. Der ganze Buchmarkt? Nein! Ein von unbeugsamen Lesern bevölkertes Segment hört nicht auf, sich dem Trend entgegen zu stellen.

Kurz vor dem Jahrestag des ersten Lockdowns im März 2020 geht es einem Großteil der deutschen Comicbranche überraschend gut.

Während der heimische Buchmarkt im vergangenen Jahr nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels einen Verkaufsrückgang um 11,1 Prozent und ein Umsatz-Minus von 2,3 Prozent verkraften muss, sieht die Comic-Bilanz bemerkenswert positiv aus, wie eine Tagesspiegel-Umfrage zeigt.

Das ist vor allem angesichts der teilweise drastischen Befürchtungen von Comicverlegern im vergangenen Frühjahr überraschend.

Erst der Schock – dann zweistellige Zuwächse

„Grundsätzlich war 2020 nach dem ersten Schock im März, in dem wir durch Remissionen der Barsortimente heftige Umsatzeinbußen hinnehmen mussten, ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr“, sagt Max Schlegel vom Splitter-Verlag. Abgesehen vom März habe das Bielefelder Unternehmen in jedem Monat gute Umsätze gehabt. „Sowohl unser Umsatz als auch unser Absatz sind niedrig zweistellig gestiegen.“ Vor allem der direkte Absatz über den verlagseigenen Webshop war 2020 „sehr stark“, inzwischen flache das wieder ab.

Eine der Splitter-Reihe, die derzeit gut laufen, ist "Ekhö".
Eine der Splitter-Reihe, die derzeit gut laufen, ist "Ekhö".

© Splitter

Besonders gut verkauft hätten sich Kindercomic-Klassiker wie „Die Schlümpfe“ und „Benni Bärenstark“, sagt Max Schlegel. Generell legte im deutschen Buchmarkt 2020 der Kinder- und Jugendbuchsektor entgegen dem Trend beim Umsatz um 4,7 Prozent zu.

Außerdem liefen beim Splitter-Verlag, der unter anderem auf frankobelgische Fantasy-Alben spezialisiert ist, etablierte Reihen wie „Ekhö“, „Mythen der Antike“ und „Der Incal“ gut, sagt Schlegel. Aber auch neue Reihen seien 2020 „durch die Bank weg gut reingestartet“.

Das umsatzstärkste Jahr der Verlagsgeschichte

Der Berliner Jaja-Verlag erlebte 2020 sogar das umsatzstärkste Jahr seiner inzwischen zehnjährigen Geschichte, wie Verlegerin Annette Köhn bilanziert. „Die Zutaten des Jaja-Rezepts sind vor allem Mut, Zuversicht und Optimismus – Einstellungen, die sich ganz generell eignen, gut durch eine Krise zu kommen und die wir auch immer schön nach außen getragen haben“, sagt sie.

So verschickte sie seit dem ersten Lockdown die Bestellungen von Jaja-Büchern als „Quarantäne-Pakete mit einem Haufen stimmungsaufhellender Aufkleber“, im Digitalen nutzte sie vor allem die Social-Media-Plattform Instagram intensiver.

Bestseller: "Bei mir zuhause" liegt inzwischen in der dritten Auflage vor.
Bestseller: "Bei mir zuhause" liegt inzwischen in der dritten Auflage vor.

© Jaja

Außerdem habe sie neue Wege ausprobiert, um den Ausfall von Veranstaltungen wie Lesungen oder Festivals zu kompensieren, über die normalerweise eine großer Austausch mit der Comicszene stattfindet. „Also gingen wir – wie so viele – online mit den Buchpräsentationen, führten Zoom-Gespräche, machten Comiclesungen und Comic-Interviews und packten alles in etwas ganz Neues: Ein eigener YouTube-Kanal namens Jajatube.

Diese Veränderungen gingen einher mit einer inhaltlichen Entwicklung des Verlagsprogramms. „Es gibt eine Zutat, die mir 2020 viel bewusster wurde und ich würde sie „Ernsthaftigkeit“ nennen, also das Ernstnehmen des kulturellen und gesellschaftlichen Bildungsauftrags als Comicverlag und ein damit einhergehendes Sendungsbewusstsein“, sagt Annette Köhn. 2020 habe sie zahlreiche Comictitel veröffentlicht, die „schwerer wogen“, indem sie sich mit dem gesellschaftlichen Zusammenleben befassten und dabei tiefe Einblicke in persönliche Ansichten und Problemstellungen geliefert hätten.

So hat Jaja im vergangenen Jahr neben Büke Schwarz‘ Comic-Debüt „Jein“, in dem es um Identitätsfragen und die gesellschaftliche Verantwortung von Kunstschaffenden geht, auch die autobiografische Graphic Novel „Bei mir zuhause“ von Paulina Stulin veröffentlicht, die dem Verlag einen „einen kleinen Hype in der Presselandschaft von Feuilleton bis Fernsehen und einen Absatzrekord“ bescherte, wie Annette Köhn sagt.

Mit dem Absatzwachstum ging für die Verlegerin im Coronajahr auch eine räumliche Expansion einher: Aus der Ateliergemeinschaft „Musenstube“, in der Jaja sich seit seinem Bestehen den Arbeitsraum mit mehreren Freiberufler*innen teilte, wurde ein „reiner“ Verlagssitz, sagt Annette Köhn und spricht von „Expansion in der Krise“.

Coronaresistent mit Micky Maus und Asterix

Krisenfest zeigt sich auch der ebenfalls in Berlin sitzende Egmont-Ehapa-Verlag, der zahlreiche klassische europäische Reihen sowie Disney-Comics auf Deutsch veröffentlicht. „Wir können durchaus sagen, dass wir gut durch die Corona-Krise gekommen sind“, sagt Jörg Risken, Publishing Director Magazines bei der Egmont Ehapa Media GmbH.

Klassiker: Auch frühe Asterix-Alben verkaufen sich nach wie vor gut.
Klassiker: Auch frühe Asterix-Alben verkaufen sich nach wie vor gut.

© Egmont Ehapa

„Unser Comicgeschäft hat sich hinsichtlich Umsatz und Verkäufen insgesamt stabilisiert und bei einigen Titeln sogar gute Zuwächse erzielt.“ Von dem positiven Trend hätten vor allem starke Marken wie die Zeitschrift „Micky Maus“, „Walt Disney Lustiges Taschenbuch“ und „Asterix“ profitiert.

Das sei zum einen auf die weiterhin gute Verfügbarkeit von Comics im Pressehandel zurückzuführen, die seit Ausbruch der Pandemie nur in überschaubarem Maße beeinträchtigt sei. „Auf der anderen Seite haben wir im Abonnement und über unseren Shop zweistellige Zuwachsraten erzielt“, sagt Risken. „Besonders die Lockdown-Phasen haben die Menschen wieder verstärkt zu klassischen (Comic-)Marken und auch zum Lesen geführt.“

Rückbesinnung auf die Klassiker

„Wir haben auch eher besser verkauft als schlechter, trotz teilweise geschlossener Läden“, sagt Andreas Mergenthaler, der den Verlag Cross Cult leitet. Hier erscheinen unter anderem die Comicreihen „The Walking Dead“, „Avatar – Der Herr der Elemente“ und der Manga-Bestseller „Demon Slayer“.

Krisensicher: "The Walking Dead" ist eine der Erfolgsserien bei Cross Cult.
Krisensicher: "The Walking Dead" ist eine der Erfolgsserien bei Cross Cult.

© Cross Cult

Mergenthaler hebt hervor, dass „insbesondere die Comicshops flexibel reagiert und alternative Möglichkeiten gefunden haben, Bücher zu verkaufen.“ Allerdings habe man im Coronajahr auch festgestellt, dass die eher unbekannten, neuen Reihen und Einzeltitel schlechter liefen als noch ein Jahr zuvor, weil man sie nicht in den Läden „entdecken“ kann. „Die Klassiker und sowieso beliebteren Titel laufen hingegen besser“, sagt der Ludwigsburger Verleger.

Problematisch sei hingegen der Bereich Manga, „weil wir da auf die großen Buchhandelsketten angewiesen sind“, wie Mergenthaler erklärt. „Aber wenn die Thalia-Filialen geschlossen sind, bestellen sie natürlich auch deutlich weniger Ware.“ Der Onlinebuchhandel könne das nicht voll ausgleichen.

Neue Vermarktungsideen und Social-Media-Auftritte

Beim Verlag Reprodukt, der unter anderem die Comicerzählungen des einstigen Tagesspiegel-Zeichners Mawil („Kinderland“), französische Publikumslieblinge wie „Donjon“ und Kindercomics wie „Kiste“ verlegt, waren die Sorgen im vergangenen Frühjahr besonders groß. „Die Stabilität ist sehr in Gefahr, da wir immer an der Grenze des Möglichen arbeiten und niemals Rücklagen schaffen konnten“, sagt Reprodukt-Chef Dirk Rehm dem Tagesspiegel damals.

Mawils "Kinderland" ist einer der Bestseller bei Reprodukt.
Mawils "Kinderland" ist einer der Bestseller bei Reprodukt.

© Reprodukt

Die Befürchtungen erfüllten sich allerdings nicht. „Tatsächlich lief das letzte Jahr bei uns sehr viel besser als erwartet“, sagt Rehm jetzt. Einen deutlichen Einbruch bei den Verkäufen gab es vor allem in den ersten vier Wochen nach Verkündung des Lockdowns von Mitte März bis Mitte April. „Danach hat sich das Geschäft langsam erholt und bis Dezember haben wir aufgeholt, was wir im Frühjahr an Einbußen hatten.“

Hilfreich war, dass das Verlagsteam bei der Vermarktung der Bücher „erfindungsreicher als gewöhnlich“ gewesen sei: „Da wir erheblich weniger Verkaufsstellen und somit auch weniger Präsenz im Handel hatten, haben wir mehr Aufmerksamkeit auf die Nutzung sozialer Medien gelegt – vor allem auf Instagram“, sagt Rehm.

Zudem wurden günstige Gutscheine mit Motiven des populären Zeichners Nicolas Mahler gedruckt, Signieraktionen zum wegen Corona nur digital veranstalteten Internationalen Comic-Salon Erlangen oder zu Weihnachten ins Leben gerufen und ein größeres Augenmerk auf das Mailorder-Geschäft gelegt. „Außerdem haben uns dotierte Preise wie der Deutsche Verlagspreis und der K.H. Zillmer Verlegerpreis natürlich auch gut geholfen, uns über Wasser zu halten.“

Export schlägt Import

„Im Frühjahr 2020 war die Unsicherheit bezüglich unseres Geschäfts groß – aber es ist dann glimpflicher als erwartet gelaufen“, sagt Johann Ulrich, Chef des Berliner avant-Verlages. Hier erscheinen neben deutschen Eigenproduktionen erfolgreiche Importcomics von Autor*innen wie Liv Strömquist oder Joann Sfar.

„Wir haben drei Titel von Frühjahr in den Herbst geschoben und die Coronahilfe beantragt“, berichtet Verlagschef Ulrich. „Dann blieb der befürchtete Umsatzeinbruch aus, und wir haben die Coronahilfe im Sommer zurückgezahlt.“

Dauerbrenner: Liv Strömquists Werke sind auch Jahre nach ihrem ersten Erscheinen die Bestseller des avant-Verlages.
Dauerbrenner: Liv Strömquists Werke sind auch Jahre nach ihrem ersten Erscheinen die Bestseller des avant-Verlages.

© avant

Er erklärt sich die unerwartet guten Verkaufszahlen damit, dass viele Leute im Coronajahr mehr Zeit zum Lesen hatten. Der avant-Bestseller 2020 war nach wie vor Liv Strömquists „Der Ursprung der Welt“, sagt Ulrich. „Der verkauft sich weiterhin sehr gut, obwohl wegen Corona etwa zehn geplante Theaterinszenierungen auf Grundlage ihrer Comics ausfielen, die uns sicher noch zusätzliche Werbeeffekte beschert hätten.“

Ähnlich sei es mit dem Ausfall des Comic-Salons Erlangen sowie von Lesungen und Signierstunden. „Dennoch haben wir etwa 90 Prozent unseres Vorjahresergebnisses erreicht, was ein Rekordjahr war – es ist also trotz der Herausforderungen super gelaufen.“

Schwieriger sei im vergangenen Jahr allerdings der Lizenzhandel beim Import ausländischer Comics geworden. „Es gibt eine große Verunsicherung im Buchhandel in Frankreich, Spanien und Italien, das führte zu einem Buchstau – und damit zu weniger Titeln, die für uns interessant sein könnten“, sagt Johann Ulrich.

Der Export deutscher Comics ins Ausland lief hingegen im vergangenen Jahr gut: „2020 haben wir erstmals mehr durch den Export unserer Titel ins Ausland verdient als durch ausländische Titel, die wir nach Deutschland geholt haben.“

Erfolgreiche Exporte aus dem avant-Programm sind zum Beispiel Mikael Ross‘ „Goldjunge“, „Der König der Vagabunden“ von Patrick Spät und Beatrice Davis, „Die dicke Prinzessin Petronia“ von Katharina Greve, „Wie gut, dass wir darüber gesprochen haben“ von Julia Bernhard oder „Der Umfall“ von Mikael Ross. Lizenzen für „Der Umfall“ konnte der Verlag inzwischen in zehn Länder verkaufen.

Business as usual – zumindest fast

Kontinuität statt Krise auch beim Zwerchfell-Verlag, bei dem unter anderem deutsche Genre-Comics wie „Yellowstone“, „Prinz Gigahertz“ oder „Sterne sehen“ erschienen sind. „Der Verkauf über den Handel lief wie gewohnt“, sagt Christopher Tauber, einer der beiden Chefs des Stuttgarter Verlags. „Einige Bücher gingen sehr gut, andere wieder nicht - woran das liegen mag haben wir auch 2020 nicht wirklich ergründen können.“

Am stärksten habe sich wahrscheinlich das Ausbleiben von Messen und des Internationalen Comic-Salons sowie von Lesungen und anderen Möglichkeiten ausgewirkt, bei denen der Verlag Bücher direkt verkaufen kann. „Und das nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch aus Sicht unserer Zeichner*innen, gerade diejenigen, welche 2020 ihr Debüt bei uns gegeben haben.“

Der Online-Handel als Krisengewinner

Beim Stuttgarter Panini-Verlag, der neben Superhelden-Serien der US-Verlage DC und Marvel auch Eigenproduktionen wie Daniela Schreiters „Schattenspringer“ veröffentlicht, hat die Coronakrise ebenfalls „keine dramatischen Einbrüche“ gebracht, wie Senior Editor und Verlagssprecher Steffen Volkmer sagt.

Zwar hätten die Verkäufe in den Lockdown-Phasen nachgelassen, da die Comicläden nicht wie gewohnt verkaufen konnten, „aber das wurde von den treuen Fans dann wieder nachgeholt“ – unter anderem über die großen Internet-Einkaufsplattformen sowie die Online- und Click-und-Collect-Angebote der Comic-Shops und des stationären Buchhandels. „Unser eigener Online-Shop und Abos haben ebenfalls zugelegt, und es wurden etwas mehr digitale Comics verkauft“, sagt Volkmer.

Böse Bestseller: Einer der Panini-Titel, die im vergangenen Jahr gut liefen.
Böse Bestseller: Einer der Panini-Titel, die im vergangenen Jahr gut liefen.

© Panini

Allerdings habe das Coronjahr gezeigt, dass der klassische Comic-Handel bezüglich moderner Bestell- und Servicemöglichkeiten „nicht in allen Fällen so konzipiert ist, wie es für einen Großteil des stationären Buchhandels inzwischen üblich ist“. Bei den Comic-Shops sei man stärker auf die persönliche Kommunikation mit den Kunden ausgerichtet, was im Lockdown eben kaum stattfindet. „Dies bedingt, dass hier teilweise doch deutlich stärkere Verluste zu sehen sind als im stationären Buchhandel.“

Daher gebe es „eine merkliche und womöglich nachhaltige Verschiebung zum Online-Handel“, sagt der Verlagssprecher. Das könnte für viele Läden noch existenzbedrohend werden: „Es wird sich wohl nicht verhindern lassen, dass der stationäre Handel durch die Situation ausgedünnt wird.“

Der wachsende Onlinehandel gleiche für die Verlage zwar die Stückzahlen einigermaßen aus. Allerdings werde die Gewinnmarge kleiner und mache die allgemeine Situation schwerer. „Wir beobachten diese Verschiebung der Vertriebswege mit Sorge und versuchen die Händler durch flexible Maßnahmen so gut zu unterstützen, wie es geht“, sagt Volkmer

Bestseller und neue Autor*innen

„Die Leser haben in der Regel das gekauft, was sie schon kennen“, hat Klaus Schikowski beobachtet, Programmleiter für Comics beim Hamburger Carlsen-Verlag, der zum schwedischen Medienunternehmen Bonnier AB gehört und neben europäischen Klassikern wie „Tim und Struppi“ und Manga-Bestsellern wie „Naruto“ auch viele Eigenproduktionen von Autor*innen wie Flix, Reinhard Kleist oder Isabel Kreitz veröffentlicht.

Schikowski vermutet, dass gerade die angesprochene Verschiebung der Comic-Vertriebswege im vergangenen Jahr in Richtung Online-Handel ein Grund für den starken Backlistumsatz sein könnte.

Gut aufgenommen trotz Coronakrise: "Nils" von Melanie Garanin.
Gut aufgenommen trotz Coronakrise: "Nils" von Melanie Garanin.

© Carlsen

Generell haben sich auch bei Carlsen nach der anfänglichen Sorge die Umsätze im Comicbereich erholt, sagt Schikowski: „Am Ende konnten wir sogar von einem recht erfolgreichen Jahr sprechen.“ Besonders gefreut habe ihn, dass bei den Carlsen-Neuerscheinungen neben den altbekannten Bestsellern auch ein paar neue Eigenproduktionen wie Melanie Garanins „Nils“ dabei waren.

In dem Buch verarbeitet die Zeichnerin den Tod ihres Sohnes und ihren Kampf um Wahrheit und Rechenschaft. Die hellen, freundlichen Tuschebilder der Kinderbuchillustratorin stehen in Kontrast zum Thema und machen es zugleich zugänglich - und hin und wieder blitzt sogar etwas Humor auf. „Es freut mich, dass die Graphic Novels mit starken Themen nicht untergehen“, sagt Programmleiter Schikowski.

Sorge bereitet ihm allerdings eine Veränderung im internationalen Geschäft: „Gerade auf den großen Comicmärkten gibt es eine Tendenz, die Bestseller eher unbekannten Autoren vorzuziehen.“ Diese durch die Pandemie verursachten Verschiebungen bei ausländischen Lizenzpartnern betreffen auch den Export deutscher Carlsen-Titel. Dennoch fällt sein Fazit positiv aus: „Comics haben sich als krisenresistent gezeigt.“

Gewinner und Verlierer

Die trotz aller Sorgen weitgehend positive Bilanz der Verlage kann Peter Poluda bestätigen, Inhaber des Comicvertriebs PPM, der bundesweit den Buchhandel, Comicgeschäfte und Bahnhofskioske beliefert. „Wir sind als Verlagsauslieferung bisher gut durch die Corona-Krise gekommen und konnten unseren Umsatz im Jahre 2020 gegenüber dem Vorjahr sogar um 2,3 Millionen Euro steigern“, sagt er. Das sei ein Umsatz-Zuwachs von 15 Prozent. „Besser geht es aus unserer Sicht nicht.“

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In einem Bereich hat es die deutsche Comicszene im vergangenen Jahr allerdings trotzdem hart erwischt: Beim stationären Fachhandel. Der wurde von den zur Bekämpfung der Pandemie erlassenen Beschränkungen und vor allem von den beiden längeren Lockdowns härter erwischt als die Verlage, die in der Not auf andere Vertriebswege per Internet und Post zurückgreifen konnten.

„Der Umsatz an den Einzelhandel ist um zwölf Prozent rückläufig gewesen, dafür hat der Onlinehandel (Amazon) entsprechend zugelegt“, sagt Peter Poluda vom Vertrieb PPM. „Das betrachten wir mit Sorge, weil der Comicfachhandel für uns die wichtigste Kundengruppe ist und uns besonders am Herzen liegt.“

Teure Zwangspause

Besonders stark hat das Händler getroffen, die in Bundesländern sitzen, in denen der Buchhandel vom Lockdown nicht ausgenommen war. Zum Beispiel das Nürnberger Fachgeschäft „Ultra Comix“, das mit zwölf Angestellten und 670 Quadratmeter Verkaufsfläche eines der größten der Branche ist. „Wir hatten im Frühjahr 2020 rund 80 Prozent Umsatzeinbruch, sagt Geschäftsführer Ulrich Trautner. Dann sei das Geschäft zwar nach dem ersten Lockdown sehr gut weitergegangen, im Bereich Comic und noch mehr beim Manga. „Wir wären mit einem blauen Auge davongekommen – doch dann kam der zweite Lockdown.“

Ultra Comix ist einer der größten europäischen Comicläden.
Ultra Comix ist einer der größten europäischen Comicläden.

© Ultra Comix

Da in Bayern wie in vielen anderen Bundesländern auch Buchläden während der beiden Lockdown-Phasen im Frühjahr 2020 sowie in der aktuell laufenden schließen mussten, brach das Geschäft fast komplett ein. „Nun sind wir bereits zweieinhalb Monate geschlossen und es sind bislang keinerlei Hilfsgelder in Sicht“, sagt Trautner. „Jetzt haben wir nur noch 20 Prozent vom normalen Umsatz durch Click & Collect und den Versandhandel, aber das gleicht den Einbruch nicht aus.“

Dennoch mache man „irgendwie weiter“ und hofft, dass der Lockdown bald endet. „Ich erwarte, dass es nach der Wiedereröffnung wieder relativ normal läuft“, sagt Trautner. „Wir zehren von unserem Stammpublikum - viele freuen sich schon, bald wieder bei uns stöbern zu können.“

Enger Gürtel, kleine Brötchen

Etwas besser ging es da Händlern in Bundesländern wie Berlin, die dem Buch- und damit auch den Comichandel Öffnungen mit bestimmten Einschränkungen zugestanden: „Die Umsätze waren das Jahr über sehr unterschiedlich“, sagt Micha Wießler, Geschäftsführer von Modern Graphics mit drei Geschäften in Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Charlottenburg.

Micha Wießler in der Kreuzberger Filiale von "Modern Graphics".
Micha Wießler in der Kreuzberger Filiale von "Modern Graphics".

© Mike Wolff

„Zeitweise kamen wir schon fast an die Vorjahresumsätze ran, aber meistens lagen wir so zehn bis zwanzig Prozent darunter.“ Nach dem erneuten Lockdown im Dezember brach der Verkauf allerdings weiter ein und liegt jetzt eher bei 60 bis 70 Prozent des Vorjahres.

„Wir haben die Gürtel ein wenig enger geschnallt, bekommen Kurzarbeitergeld“, sagt Wießler. Das mache allerdings nur etwa zehn Prozent der Lohnsummen aus, da er und seine Beschäftigten nur geringfügig weniger arbeiteten als sonst.

Die Grober-Unfug-Filiale in Berlin-Mitte.
Die Grober-Unfug-Filiale in Berlin-Mitte.

© Grober Unfug

„Wir mussten im vergangenen Jahr kleinere Brötchen backen und unser Sortiment anpassen“, sagt Christoph Wienke, einer der Geschäftsführer des Comicladens „Grober Unfug“ mit zwei Geschäften in Mitte und Kreuzberg. „Im ersten Lockdown haben wir anfangs unsere Bestellungen um die Hälfte reduzieren müssen.“ So habe man zum Beispiel deutlich weniger Ware für Berlin-Besucher als sonst gebraucht, weil die eben nicht mehr kamen. „Inzwischen läuft es etwas stabiler, derzeit haben wir den Umfang der Bestellung neuer Ware um etwa 25 Prozent gegenüber normalen Zeiten reduziert.“

[Auf der Website www.comics-kaufen.de können Comicleserinnen und – leser sehen, welche Läden in ihrer Umgebung trotz der Krise entweder weiter geöffnet haben oder Buchlieferungen und Abholservices anbieten. Mehr dazu hier.]

Was staatliche Hilfen angeht, habe man versucht, es anfangs ohne diese Unterstützung schaffen, sagt Wienke. „Wir sind halt Unternehmer und haben schon andere schwierige Phasen durchgestanden.“ Aber wenn dann nur noch drei Kunden am Tag in den Laden kamen „und man trotzdem ein Höllengeld an Miete bezahlen muss“, dann brauche man eben irgendwann Hilfe, auch um keine Beschäftigten kündigen zu müssen.

Die staatlichen Hilfen, die sein Unternehmen bekommen habe, seien zum großen Teil für Miete draufgegangen. Wienke: „Ich fände es wichtig, dass die Politik Lösungen findet, wie man Unternehmer bei der Miete entlastet, ansonsten werden manche Gegenden, in denen viele Geschäfte sind, bald nur noch dahinvegetieren.“

Noch sind die meisten Comic-Händler trotz aller Herausforderungen optimistisch, dass sie die Krise überstehen werden, das hat auch PPM-Chef Poluda beobachtet. Aber wie viele letztendlich durchhalten, müsse man abwarten: „Ein Ende der Krise ist noch nicht in Sicht.“

Inspiriert durch die Krise

Neben den wirtschaftlichen Folgen hat die Coronakrise auch erste inhaltliche Spuren in den Comics aus deutschen Verlagen hinterlassen. Neben zahlreichen Online-Comics zur Pandemie liegen inzwischen auch die ersten gedruckten Werke vor, in denen Covid-19 eine Rolle spielt.

Josep Rodes verarbeitet in "Corona go home" Erfahrungen aus seinem Indien-Aufenthalt.
Josep Rodes verarbeitet in "Corona go home" Erfahrungen aus seinem Indien-Aufenthalt.

© Jaja

Mal ganz explizit, wie in dem von der Pandemie inspirierten neuen Buch von Ralf König, „Vervirte Zeiten“ – hier gibt es die Tagesspiegel-Rezension dazu. Oder auch das soeben im Jaja-Verlag erschienene illustrierte Tagebuch „Corona go home“ des spanisch-deutschen Zeichners Josep Rodes. Der hat den Ausbruch der Pandemie bei der Arbeit an einem Comic-Projekt in Indien erlebt und erzählt in diesem kurzweiligen Büchlein vom Alltag im Ausnahmezustand, der in Indien unter anderem dazu führte, dass westliche Ausländer wie er als angebliche Importeure des Virus einen schwierigen Stand hatten.

Andere Neuerscheinungen haben eher implizit mit dem Thema zu tun, so der Auftaktband eines neuen Ablegers der Disney-Reihe „Lustiges Taschenbuch“ aus dem Egmont-Ehapa-Verlag mit dem Titel „Weltreise“. Donald Duck, Micky Maus und Co. Reisen darin unter anderem durch Deutschland, die Schweiz, Norwegen und Italien – und das ganz ohne Angst vor Ansteckung.

Reisen trotz Corona: Das Cover des ersten Bandes der neuen "Weltreise"-Reihe der Lustigen Taschenbücher.
Reisen trotz Corona: Das Cover des ersten Bandes der neuen "Weltreise"-Reihe der Lustigen Taschenbücher.

© Egmont Ehapa

„Da die Lust zu reisen bei unseren Lesern bestimmt unendlich groß ist, wollten wir sie hier an die Hand nehmen, um zumindest mit den Entenhausenern einmal um die Welt zu reisen“, sagt Egmont-Ehapa-Sprecherin Anja Adam. „So können Abenteuer auf der ganzen Welt ganz sicher zu Hause genossen werden und geben vielleicht sogar die ein oder andere Inspiration für den nächsten Urlaub.“

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