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Eine der Stuttmann-Karikaturen aus dem aktuellen Sammelband.

© Klaus Stuttmann für den Tagesspiegel

Klaus Stuttmanns Jahresrückblick: Kriege, Klima, Knautschgesichter

Klaus Stuttmann hat einen neuen Jahres-Sammelband veröffentlicht. Dieser zeigt den Tagesspiegel-Karikaturisten auf der Höhe seiner Kunst.

Bürgergeld und Klima-Kleber, Rüstungsexporte und Künstliche Intelligenz, Wohnungsnot und die Lage im Nahen Osten – es gibt wohl kein aktuelles Thema, das Klaus Stuttmann im zu Ende gehenden Jahr nicht mit einer pointierten Zeichnung kommentiert hat. Der Karikaturist sei ein „Universalgelehrter“, schreibt der Autor und Kabarettist Bernd Gieseking im Vorwort zu Stuttmanns aktuellem Jahres-Sammelband, der kürzlich erschienen ist.

Rund 200 Karikaturen sind darin versammelt, in denen der inzwischen 74-jährige Zeichner sich auf der Höhe seiner Kunst zeigt. Mit teilweise grimmigem Witz kommentiert er Putins Krieg in der Ukraine und die deutsche Innenpolitik, die Erderwärmung und den Hamas-Überfall auf Israel sowie den Gazakrieg.

Porträts und Pointen

Seit bald 30 Jahren zeichnet der studierte Kunsthistoriker politische Karikaturen für den Tagesspiegel, seit 2003 veröffentlicht er hier und bei einigen anderen Medien täglich einen Kommentar zur Weltlage. Im aktuellen Rückblick wird besonders anschaulich, dass Stuttmann die zwei Kerndisziplinen der politischen Karikatur so meisterhaft beherrscht wie nur wenige Vertreter seiner Zunft: Porträts und Pointen.

Klaus Stuttmann mit einem Selbstporträt in seiner Wohnung in Berlin-Kreuzberg.
Klaus Stuttmann mit einem Selbstporträt in seiner Wohnung in Berlin-Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gerade bei Figuren, die in seinem Portfolio noch neu sind, zeigt sich das handwerkliche Vermögen des gebürtigen Schwaben, der seit den 1970er Jahren in Berlin lebt. Olaf Scholz zum Beispiel war bei Stuttmann in den ersten Karikaturennur ein runder Kahlkopf ohne nennenswerte Konturen oder prägnante Gesichtszüge. Inzwischen hat der Zeichner, der seit Jahren statt Papier und Stift mit dem digitalen Tablet arbeitet, beim Kanzler ein markantes Knautschgesicht herausgearbeitet, das Charakter vermittelt, auch wenn die oft zusammengekniffenen Augen nie wirklich erkennen lassen, was in ihm vorgeht.

Oder Christian Lindner. Der war bei Stuttmann auf seinen ersten Karikaturen vor fünf Jahren kaum mehr als ein blonder Bubikopf mit glattem Pokerface. Inzwischen lassen zusätzliche Falten und Bartstoppel den FDP-Chef und Finanzminister erwachsener aussehen, und auch ein wenig verschlagener. Zwar zeichnet ihn Stuttmann nach wie vor meist mit demonstrativer Unschuldsmiene. Aber die wird in der Regel durch einen vielsagenden Blick konterkariert, der zu Interpretationen einlädt. Auf dem Bild oben auf dieser Seite kann man darin zum Beispiel eine Mischung aus Trotz und Schadenfreude erkennen.

Bei den Pointen setzt Stuttmann in der Regel darauf, eine oder zwei Ecken weiterzudenken. Ein wiederkehrendes Rezept ist die Verbindung zweier aktueller Themen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben – aber in der Kombination mehr ergeben als die Summe ihrer Teile.

Mit Putin auf dem Sofa

Zum Beispiel bei einer von vielen Putin-Karikaturen, die sich im Sammelband finden: Da fläzt sich der russische Präsident, den Stuttmann konsequent im Halbstarken-Look mit freiem Oberkörper, patriotischen Tätowierungen und Armeehose zeichnet, mit einem Bier auf dem Sofa, den Blick auf den Fernseher gerichtet, wo die Nachrichten laufen. „Vier Oscars für ‚Im Westen nichts Neues‘“, lautet die Meldung. Putins Antwort: „So einen grausamen, brutalen Kriegsfilm könnte ich mir niemals angucken.“

Andere Karikaturen entwickeln ihre Pointen daraus, dass Stuttmann anschauliche Bilder für politische Floskeln oder abstrakte Konzepte findet. So wenn er Friedrich Merz, der bei ihm gelegentlich etwas Wahnhaftes ausstrahlt, in einen Kran setzt und eine Abrissbirne schwingen lässt. Damit attackiert der CDU-Chef und Oppositionsführer eine brüchig aussehende Wand, die an einer Stelle bereits ein großes Loch hat. Während die Ziegel durch die Gegend fliegen, sagt Merz: „Ich will ja nur beweisen, dass sie hält, unsere Brandmauer zur AfD.“

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