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© Stuttmann

Panzer, Putin, Pointen: Klaus Stuttmann zieht Bilanz

Der Tagesspiegel-Karikaturist bringt die Widersprüche der Welt mit souveränem Strich auf den Punkt. In seinem neuen Sammelband schaut er zurück auf 2022.

Scherz und Schmerz liegen bei Klaus Stuttmann nah beieinander. In seinen politischen Karikaturen bringt der Tagesspiegel-Zeichner die Abgründe der Weltlage oft so humorvoll und zugleich schonungslos auf den Punkt, dass es beim Betrachten wehtut. Wie auf der aus drei Szenen bestehenden Bilderfolge, die er am 24. Februar dieses Jahres veröffentlicht hat und die sich jetzt auch in seinem als Buch veröffentlichten Jahresrückblick findet.

„Woll’n wir ihn reinlassen?!“ fragt da einer von vier Herren mit rheinischen Narrenkappen auf dem Kopf. Auf dem nächsten Bild ist eine Explosion zu sehen, Steine und Splitter fliegen durch die Luft. Auf dem dritten thront Wladimir Putin auf einem Panzer, um ihn herum legt sich der Staub. „Helau! Da bin ich!“, hat der Zeichner dem russischen Präsidenten in den Mund gelegt.

Diese Karikatur veröffentlichet Klaus Stuttmann am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine.

© Stuttmann

Wohl kaum ein anderer Karikaturist schafft es, Tag für Tag die Widersprüchlichkeiten unserer Welt so zu verdichten wie Klaus Stuttmann. Die anfangs beschriebene Sequenz zeigt eine seiner typischen Methoden: Mit skizzenhaftem, aber exakten Strich nimmt er zwei aktuelle Vorgänge ins Visier, kombiniert und kontrastiert sie miteinander und gibt dem Ganzen dann eine Pointe, die das Ergebnis zu einem unverwechselbaren Stuttmann-Werk macht, das mehr ist als die Summe seiner Teile.

„Es ist eine einzigartige Gabe, derart komplizierte Sachverhalte auf den Punkt zu bringen, mit wenigen Strichen und Worten zu skizzieren, die Absurdität der Realität in pointierten Witz zu fassen“, lobt im Vorwort des Sammelbandes Achim Frenz, Museumsleiter der caricatura Frankfurt. „Was so leichtfüßig in den Arbeiten Stuttmanns herüberkommt, braucht viel Wissen, hohes Reflexionsvermögen, Humor und Beobachtungsgabe.“

Klaus Stuttmann: „Karikaturen 2022“, Schaltzeit-Verlag, Softcover, 200 Karikaturen, 228 Seiten, farbig, ISBN: 978-3-946972-66-2, 25 Euro

© Tagesspiegel / Klaus Stuttmann / Schaltzeit

Leserinnen und Lesern des Tagesspiegels ist Stuttmanns Strich wohlvertraut, viele von ihnen beginnen ihre morgendliche Zeitungslektüre mit der Betrachtung des neuen Werkes von „KS“, wie der 73-Jährige jedes seiner am digitalen Tablet gezeichneten Werke signiert. Was beim Betrachten seines Jahrgangswerkes aus den vergangenen zwölf Monaten mehr ins Auge fällt als bei der täglichen Lektüre: Wie unglaublich vielfältig und einfallsreich er auch bei Dauerthemen immer wieder neue Gedanken und Bildideen findet, sodass man seiner Arbeiten – im Gegensatz zu manchen Nachrichten zu eben jenen Themen - nie überdrüssig wird.

Mit dem Überfall Russland auf die Ukraine am 24. Februar war Stuttmanns Jahresthema für 2022 gesetzt. 75 Karikaturen hat er seitdem zu jenem Krieg gezeichnet – mehr als doppelt so viele wie zum Dauerbrenner-Thema der Vorjahre, der Coronavirus-Pandemie. In einem Bild kommentiert er das mit bitterer Ironie. Zwei ängstliche Fernsehzuschauer sitzen da vor dem Bildschirm, über dem die Worte „Krieg! Ukraine! Flüchtlinge!“ im Raum stehen. Hinter den beiden krallt sich das Coronavirus ans Sofa, so wie Stuttmann es seit 2020 immer wieder gezeichnet hat: Als menschenähnliche Kreatur mit Noppenkopf. In seiner Sprechblase ist der Ausruf zu lesen. „Ey, ihr Ignoranten! Mich gibt’s auch noch!“

Was auch auffällt im Vergleich zu früheren Jahren: Die führenden Akteure der deutschen Innenpolitik spielen bei Stuttmann weniger prägnante Rollen als es in seinen Karikaturen lange Zeit Angela Merkel tat, die der Zeichner mehr als 800 Mal verewigt hat und die er, nur halb im Scherz, mal als seine Muse bezeichnet hat. Ihr Nachfolger als Kanzler erscheint in den Karikaturen deutlich weniger prägnant. Sein Gesicht ist meist nur eine verkniffene Knautschvisage, deren Träger hier als wenig überzeugender Krisenbewältiger erscheint.

Aber man erkennt ihn sofort, auch wenn er nur mit wenigen Linien skizziert ist. Das ist ebenfalls Teil der Stuttmannschen Kunst, lobt Museumsdirektor Frenz: „Ein Strich, der es schafft, die wesentlichen Merkmale der Gezeichneten hervorzuheben. Ihre ureigensten Charaktereigenschaften ebenso widerzuspiegeln wie ihre aktuelle Verfasstheit und Gemütslage.“

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