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Eine Szene aus der Graphic Novel „Ducks“ von Kate Beaton.

© Zwerchfell/Reprodukt

Die besten Comics des Jahres: Erdöl-Drama „Ducks“ führt Kritiker-Bestenliste für 2023 an

30 deutschsprachige Journalistinnen und Journalisten haben die besten Comics des Jahres gewählt. Hier gibt es das Ergebnis

Es war im vergangenen Jahr eines der Lieblingsbücher von Barack Obama und wurde in den USA mit zahlreichen Branchenpreisen ausgezeichnet. Jetzt ist der autobiografische Comic „Ducks – zwei Jahre in den Ölsanden“ der Kanadierin Kate Beaton von einer deutschen Kritikerjury zum besten Comic des Jahres 2023 gewählt worden.

In ihrer Graphic Novel, deren Titel auf im Abwasser der Förderfelder verendende Enten anspielt, erzählt die 1983 geborene Beaton mit klarem, aufgeräumtem Zeichenstrich von den zwei Jahren, in denen sie nach dem Studium auf den Erdölfeldern im abgelegenen Nordwesten der Provinz Alberta gearbeitet hat – als eine der wenigen Frauen in einer rauen, von Männern und dem Raubbau an der Natur dominierten Umgebung.

Die Jury besteht aus 30 deutschsprachigen Journalistinnen und Journalisten, die alle drei Monate die aus ihrer Sicht besten neuen Comic-Veröffentlichungen bewerten. Der Tagesspiegel präsentiert die Ergebnisse in Kooperation mit der Fachzeitschrift „buchreport“, der Website Comic.de und dem Radiosender RBB Kultur. Die Jahresbestenliste ergibt sich aus den kumulierten Abstimmungsergebnissen der vergangenen vier Quartale.

Eine Seite aus Kate Beatons „Ducks“.
Eine Seite aus Kate Beatons „Ducks“.

© Reprodukt/Zwerchfell

Auch die beiden anderen Juryfavoriten des Jahres sind (auto-)biografische Arbeiten und stammen von Zeichnerinnen – angesichts der lange vorherrschenden Dominanz männlicher Autoren in der Comicszene eine durchaus bemerkenswerte Entwicklung.

Anke Feuchtenbergers grafische Erzählung „Genossin Kuckuck“ wurde auf Platz zwei gewählt. Der verschachtelte Episodencomic der 1963 in Ost-Berlin geborenen Künstlerin ist autobiografisch inspiriert. Feuchtenberger erzählt in einer Mischung aus realistisch anmutenden Passagen sowie an Märchen erinnernden Fabel- und Traumsequenzen vom Aufwachsen eines Mädchens in einem ostdeutschen Dorf in den 1960er Jahren und ihrem Erwachsenwerden bis in die Jahre nach dem Mauerfall 1989.

Knapp dahinter auf Platz drei kam das aktuelle Buch der Münchener Zeichnerin Barbara Yelin: „Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung“. Der Comic basiert auf der Lebensgeschichte einer Holocaust-Überlebenden, die die Zeichnerin Barbara Yelin 2019 kennengelernt hat. Im Zentrum der mit kunstvollen Tusche- und Buntstiftbildern erzählten Geschichte stehen die langen Gespräche der beiden Frauen über Arbels Erlebnisse in der NS-Zeit, weitere traumatische Erlebnisse als Waisenkind in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die lebenslangen Auswirkungen des Erlebten. 

Auf Platz vier findet sich ein weiterer dokumentarischer Comic: Der Comicreportage-Band „Berichte aus der Ukraine 2 - Tagebuch einer Invasion“ des Italieners Igort. Darin verarbeitet der 1958 geborene Zeichner, der seit langem eine enge Verbindung zur Ukraine hat, Erzählungen und Erlebnisse bezüglich der Zeit sei dem russischen Überfall im Februar 2022. Der Titel ist, wie auch die drei ersten Jury-Favoriten, beim Berliner Verlag Reprodukt erschienen, wobei „Ducks“ eine Kooperation mit dem Stuttgarter Zwerchfell-Verlag ist.

Persönliche Erfahrungen mit Judenhass und eine komplexe Familiengeschichte sind das Thema des auf Platz fünf gewählten Titels: „Die Synagoge“ von Joann Sfar. Darin zieht der französische Zeichner, der international für seine auch als Film erfolgreiche Serie „Die Katze des Rabbiners“ bekannt wurde, eine selbstkritische Lebensbilanz und erzählt vom omnipräsenten Antisemitismus in seinem Land.

Auf Platz 6 kam das neue Album der frankobelgischen Klassiker-Reihe „Spirou und Fantasio“, das von vielen Fans mit Spannung erwartet worden war: „Der Tod von Spirou“ des Trios Olivier Schwartz, Sophie Guerrive und Benjamin Abitan. Der Hotelpage und sein Reporter-Freund ergründen darin das Geheimnis einer Unterwasserstadt.

Der maritime Psychothriller „1629, oder die erschreckende Geschichte der Schiffbrüchigen der Jakarta“, dessen erster Band auf Deutsch beim Splitter-Verlag erschienen ist, kam auf Platz sieben. Darin erzählen die Franzosen Xavier Dorison (Szenario) und Thimothée Montaigne (Zeichnungen) eine dramatische Geschichte, die auf einem realen Ereignis basiert.

Auf den achten Platz wählte die Jury das aquarellierte Frühwerk eines japanischen Künstlers, der in den vergangenen Jahrzehnten vor allem als Schöpfer von Animationsfilmen wie „Chihiros Reise ins Zauberland“ internationalen Ruhm erlangte: Hayao Miyazakis erstmals 1983 veröffentlichten Märchen-Manga „Shunas Reise“.

Die Strip-Sammlung „Die Rache der Bücher“, in der sich der Brite Tom Gauld humorvoll mit der Welt der Literatur auseinandersetzt, wurde auf Platz neun gewählt. Der Band versammelt aktuelle Arbeiten des Zeichners für den „Guardian“

Platz zehn belegt der erste Band von Chloé Cruchaudets zweiteiliger Erzählung „Céleste“ mit dem Untertitel „Gewiss, Monsieur Proust“. Darin erzählt die französische Zeichnerin vor dem Hintergrund der Pariser Belle Époque von der ungewöhnlichen Beziehung des Schriftstellers Marcel Proust zu seiner Haushälterin Céleste Albaret.

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