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Vor der Pandemie: 2018 fand die Max-und-Moritz-Preisverleihung noch analog auf der Bühne statt.

© Lars von Törne

Comic-Auszeichnung: Mit Max und Moritz ins digitale Zeitalter

Am Freitag wird wieder der renommierte Max-und-Moritz-Preis verliehen – wegen der Pandemie erstmals nicht auf großer Bühne, sondern im Internet.

Dass diese Notlösung gerade bei der 20. Jubiläumsverleihung genutzt werden muss, passt irgendwie schon wieder zu der wechselvollen Historie des Comic-Preises, der erstmals 1984 anlässlich des 1. Internationalen Comic-Salons Erlangen verliehen wurde.

Die Veranstaltung wie auch der Preis wurden angestoßen vom Interessenverband Comic (ICOM), einem Zusammenschluss von Comic-Schaffenden aus dem deutschsprachigen Raum, der sich damals regelmäßig in Erlangen zu Jahrestreffen versammelte und dafür die Unterstützung des dortigen Kulturamtes gewinnen konnte.

Von der ersten Verleihung an im gleichen Design überreicht: Die Max-und-Moritz-Medaillen.
Von der ersten Verleihung an im gleichen Design überreicht: Die Max-und-Moritz-Medaillen.

© Bernd Boehner Internationaler Comic-Salon Erlangen

Der erste Preisstifter

Für die Finanzierung der Preisgelder konnte der ICOM den Bulls-Pressedienst in Frankfurt am Main an Bord holen – eine durchaus zwiespältige, bis 2012 andauernde Partnerschaft, bevor Ausrichtung und Finanzierung des Preises ausschließlich auf die Stadt Erlangen übergingen.

Denn zum einen ermöglichte das Bulls-Geld vom Start weg den für den ICOM besonders wichtigen Hauptpreis für den besten deutschsprachigen Comic-Künstler mit einem veritablen Geldbetrag zu dotieren und den Max-und-Moritz-Preis sogar einmal in Hamburg zu verleihen, als dort für einige Jahre ein zweites großes Comic-Festival in Deutschland stattfand.

Erste Preisverleihung mit Svante Setterblad (l., Preisstifter Bulls Press), Chris Scheuer, Chris Browne und Eckart Sackmann.
Erste Preisverleihung mit Svante Setterblad (l., Preisstifter Bulls Press), Chris Scheuer, Chris Browne und Eckart Sackmann.

© Bernd Boehner Internationaler Comic-Salon Erlangen

Gleichzeitig bekam Bulls aber auch "seine" Kategorie für den besten Comic-Strip spendiert, in der der Pressedienst fast immer mit seinen eigenen in Deutschland vertriebenen Zeitungs-Serien wie "Hägar", "Calvin und Hobbes" oder "Zits" reüssieren konnte.

In erster Linie erwies sich der Max-und-Moritz-Preis bei der Betrachtung der frühen Siegerlisten aber als Kind seiner Zeit, denn in den 1980er und 1990er Jahren huldigte die deutschsprachige Comic-Szene beinahe bedingungslos den großen Vorbildern der amerikanischen und insbesondere franko-belgischen Comic-Kultur.

So fanden sich in der Kategorie "Beste deutschsprachige Comic-Publikationen" dann auch fast ausschließlich Übersetzungen aus dem Ausland – nicht einmal ein für die 1980er Jahre so herausragendes Werk wie "Der bewegte Mann" von Ralf König fand die Gnade der damaligen Jury.

2004 wird Asterix-Zeichner Albert Uderzo mit dem Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk ausgezeichnet.
2004 wird Asterix-Zeichner Albert Uderzo mit dem Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk ausgezeichnet.

© Erich Malter Internationaler Comic-Salon Erlangen:

Viel internationale Prominenz

Dafür gelang es aber viele internationale Comic-Stars mit dem Max-und-Moritz-Preis auszuzeichnen. Begonnen hat der Reigen 1990 mit Art Spiegelman, der noch einen "Spezialpreis der Jury" für sein Holocaust-Werk "Maus" erhielt.

Vielleicht auch weil Spiegelman diese Preisvergabe mit dem legendären Spruch "Better a Sonderpreis than a Sonderkommando" kommentierte, wurde fortan ein "Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk" vergeben, der an so bedeutende Comic-Künstler wie Carl Barks ("Dagobert Duck"), Will Eisner ("The Spirit"), André Franquin ("Gaston") oder Albert Uderzo ("Asterix") gehen sollte und von diesen zumeist auch noch persönlich entgegengenommen werden konnte.

Selbstbildnis Art "Maus" Spiegelmans bei der Preisverleihung an ihn 1990 vor dem Erlanger "Katzen"-Auditorium.
Selbstbildnis Art "Maus" Spiegelmans bei der Preisverleihung an ihn 1990 vor dem Erlanger "Katzen"-Auditorium.

© Illustration Art Spiegelman

Zuletzt kamen in dieser "Königsklasse" mit Ralf König und in diesem Jahr Anke Feuchtenberger sogar erste deutsche Comic-Künstler zum Zuge.

Überhaupt öffnete sich der Max-und-Moritz-Preis zunehmend der heimischen Comic-Produktion. So wurde 1993 erstmals eine (Unter-)Kategorie für Eigenproduktionen eingeführt, die heute zu den begehrtesten überhaupt gehört. Und andere wie jene für die besten Comic-Strips oder Kinder-Comics wurden immer mehr zu einer Domäne hiesiger Comic-Schaffender, für die heute mindestens vier Kategorien reserviert sind.

1992 nimmt Ralf König als Dragqueen von Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg die Auszeichnung als bester deutschsprachiger Comic-Künstler entgegen.
1992 nimmt Ralf König als Dragqueen von Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg die Auszeichnung als bester deutschsprachiger Comic-Künstler entgegen.

© Georg Pöhlein Internationaler Comic-Salon Erlangen

Neue Zeiten

Ganz besonders kann der Wandel an der Zusammensetzung der Max-und-Moritz-Jury abgelesen werden, die anfangs einem reinen Männer-Club glich. Ganz gleich ob es die Vertreter des ICOMs waren oder Abgesandte des Erlanger Kulturamtes und des Bulls-Pressedienstes, ja selbst die Jury-Mitglieder aus dem akademischen oder journalistischen Bereich waren über die ersten Jahre wie selbstverständlich immer Männer.

Erst ab 1996 gelang es, wenigstens einen Jury-Platz mit einer Frau zu besetzen. Wirklich tiefgreifende Änderungen gab es aber erst ab 2014. Jetzt erhöhte sich der Frauenanteil kontinuierlich von Preisverleihung zu Preisverleihung, bis dieses Jahr erstmals eine mehrheitlich weiblich zusammengesetzte Max-und-Moritz-Jury tagte – auch international ein absolutes Novum für einen so bedeutenden Comic-Preis.

Jury 2020 im Corona-Look: Andrea Heinze, Andreas C. Knigge, Christine Vogt, Christian Gassen, Bodo Birk, Katinka Kornacker und Isabel Kreitz.
Jury 2020 im Corona-Look: Andrea Heinze, Andreas C. Knigge, Christine Vogt, Christian Gassen, Bodo Birk, Katinka Kornacker und Isabel Kreitz.

© Erich Malter, Internationaler Comic-Salon Erlangen

Diese Zusammensetzung spiegelt sehr gut die heutige Comic-Landschaft im deutschsprachigen Raum wieder. Denn nicht nur ein großer Teil der Comic-Werke wird inzwischen von Künstlerinnen verfasst, auch die Mehrheit der dem Comic verpflichteten Museen wird von Frauen geleitet und im Feuilleton – gerade in den Kulturradios – besprechen immer mehr Journalistinnen Comics.

Internet-Plattform für die ganze Szene

Vor allem muss der Max-und-Moritz-Preis jetzt aber beweisen, dass er seine zuletzt stark gestiegene Reputation auch in einem Jahr ohne Comic-Salon Erlangen bewahren kann. Die Nutzung des Internets, die zuvor fast ausschließlich beim Publikumspreis erfolgte, kann dazu beitragen, den Preis weiter zu modernisieren. Insbesondere die Präsentation der nominierten Titel mittels Video-Clips im Vorfeld der Verleihung könnte durchaus beibehalten werden.

Klassiker: Max und Moritz sind bei der Preisverleihung - hier 2012 an Flix - auch auf der Bühne präsent.
Klassiker: Max und Moritz sind bei der Preisverleihung - hier 2012 an Flix - auch auf der Bühne präsent.

© Lars von Törne

Man kann gespannt sein, wie viele Zuschauer am Freitag, dem 10. Juli, ab 19 Uhr auf www.comic-salon.de gehen, um sich im Livestream die diesjährige Bekanntgabe der Max-und-Moritz-Gewinner anzusehen.

Gleichzeitig wird dies der Auftakt für den Digitalen Comic-Salon sein, bei dem unter dem Hashtag #csedigital zahlreiche Beiträge wie Videointerviews, Podcasts, Workshops und Live-Zeichensessions im Internet präsentiert werden. Dafür ist die gesamte Comicszene aufgerufen, eigene Beiträge einzureichen, der dann auf den Seiten des Comic-Salons präsentiert werden. Hier gibt es das Programm des Auftaktwochenendes, weitere Präsentationen sind für die kommenden Wochen geplant.

Redaktioneller Hinweis: Unser Autor Martin Jurgeit ist an der Organisation des Max-und-Moritz-Publikumspreises beteiligt.

Martin Jurgeit

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