zum Hauptinhalt
Fast schon Kunst. Blitze entladen sich während eines Gewitters bei Premnitz in Brandenburg.

© Julian Stähle/dpa-Zentralbild/dpa

Kolumne Alle Wetter (4): Blitz komm raus

Urlaubszeit ist Draußenzeit. Und wie war das Wetter?, wollen die anderen wissen. Diesen Sommer erzählen wir Geschichten davon, von Sonnenbrand bis Dauerregen.

Beim Wetter in der Kunst kommt einem schnell Giorgiones Bild „La tempesta“ in den Sinn. Das Gemälde hängt in der Accademia in Venedig und gehört, so klein es mit nur 82 mal 73 Zentimetern auch ist, wie Markusplatz, Canal Grande und Rialtobrücke zu den Touristenattraktionen der Stadt. Wer Venedig besucht, macht dem kleinen Meisterwerk von 1508 seine Aufwartung. Es gehört zu den großen Rätseln der Kunstgeschichte, was genau eigentlich dargestellt ist, welche Bedeutung der junge Mann mit Landsknechthose und Stecken auf der linken und die stillende Mutter auf der rechten Seite haben, deren Nacktheit nur an den Schultern von einem weißen Tuch bedeckt ist.

Das titelgebende Gewitter spielt sich im Hintergrund ab. Ein Blitz zuckt, finstere Regenwolken brauen sich über einer Renaissance-Stadt zusammen. Vom letzten Sonnenstrahl beleuchtet, heben sich die Stadtmauer, eine Kirchenkuppel, ein Geschlechterturm gegen den dunklen Himmel ab. Giorgione macht die Natur zum eigentlichen Bildthema. Der Blitz hat die gleiche Helligkeit und Kraft wie die Bluse des Soldaten und das Tuch der Mutter, die sich um die Naturgewalten nicht scheren. Gerade das macht die Szene so rätselhaft.

Kunst und Natur zu einem Werk verbünden

In der Malerei sollte das Wetter fortan zu einem eigenen Motiv werden, überall dort, wo es gefährlich werden kann – in den Bergen und auf See. Den längsten Blitz hat ein Holländer zu Lande gemalt, Albert Cuyp mit seinem „Gewitter über Dordrecht“ knapp 150 Jahre nach Giorgione. Aus den schwarzen Wolken faucht bei ihm ein Doppelblitz quer über das Bild und schlägt weit hinten neben einer Windmühle ein. Im Vordergrund liegen zwei Kühe, ebenfalls unbeeindruckt vom Drama am Himmel.

Walter de Maria schließlich erhob den Blitz zum Hauptdarsteller mit seinem „Lightning Field“, das er 1977 in der Wüste von New Mexico mit Hilfe von 400 Edelstahlstäben schuf. Der Land-ArtKünstler hatte die Vision, dass er den Blitz domestizieren könne – was ihm jedoch nicht gelang. Die Idee, dass sich Kunst und Natur zu einem Werk verbünden, hat dennoch etwas Bestechendes. Auch zum „Lightning Field“ pilgern die Kunstjünger. Während sie den Blitz bei Giorgione in Venedig mit Sicherheit zu sehen bekommen, hat in der Wüste von Catron County so mancher vergeblich gewartet.

Bisher erschienen: „Kugelblitz am Lago Maggiore“ (13. 7.), „Wo das Meer leuchtet (16. 7.); „Sonne, Meer und Cabrio“ (19. 7.).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false