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Das Bild „Junger Mann mit Medaillon“ stammt vom italienischen Renaissancemaler Sandro Botticelli.

© Auktionshaus Sotheby's

Versteigerung Botticelli: Blickkontakte

Sotheby’s versteigert in New York alte Meister und Skulpturen. Botticellis „Junger Mann mit Medaillon“ zählt zu den absoluten Highlights der Auktion.

Ganz so erwartungsvoll wie 2017 bei der Versteigerung von Leonardos „Salvator Mundi“ wird die Kunstwelt wohl nicht nach New York schauen, wenn Sotheby’s am 28. Januar das Bildnis „Junger Mann mit Medaillon“ des italienischen Malers Sandro Botticelli aufruft. Aber als Sensation kann man das Ereignis durchaus werten, weil immerhin das Werk eines der größten Künstler nicht nur der in Florenz begründeten Renaissance, sondern der europäischen Kunstgeschichte auf den Markt kommt. Allein mit dem Schätzpreis von 80 Millionen Dollar wird die Porträttafel auch in die internationale Auktionsgeschichte eingehen.

Botticelli hat vor allem durch die zu seiner Zeit bahnbrechenden mythologisch-allegorischen Gemälde „Primavera“ und „Geburt der Venus“ Weltruhm erlangt. Beide sind als kulturelles Allgemeingut, und sei es in der Werbung, präsent. Auch seine schönen, elegischen Madonnen trugen zum Klang seines Namens bei. Völlig unbekannt ist das Bild des jungen Mannes nicht, da es seit den 1930er Jahren mehrmals den Besitzer gewechselt hat und in prominenten Museen wie dem Städel in Frankfurt ausgestellt war. Auch in diesem Porträt erweist Botticelli sich als „moderner“ Maler, hat er doch dazu beigetragen, das in Italien zuvor übliche Profilbildnis zugunsten des Frontalansicht aufzugeben.

Er schaut einen an und hält dabei Distanz

Botticelli griff zu Tempera; die Ölmalerei hatte sich in seiner Heimat noch nicht etabliert. Dass er den „Jungen Mann mit Medaillon“ nicht gänzlich frontal gemalt hat, sollte man nicht etwa als zaghaft, vielmehr als psychologisch geschickt werten. Denn so verleiht er dem Blick seines Modells aufmerksame Präsenz; und so nimmt der junge Mann, fast noch ein Jüngling, über rund 550 Jahre hinweg Blickkontakt mit dem Betrachter auf, gibt aber zugleich aus den Augenwinkeln zu verstehen, dass man Distanz wahren soll. Er hat einen aristokratisch schmalen Kopf, ein makelloses Inkarnat und seidiges dunkelblondes Haar, halblang nach der Mode seiner Zeit. Auch das elegante dunkelblaue Gewand mit dem weiß abgesetzten Stehkragen betont seine Stellung. Sie wiederum setzt die Zugehörigkeit zu den humanistischen Kreisen in Florenz voraus. Er schaut ja auch wie ein junger Intellektueller.

Seine Identität ist ein Geheimnis

Und doch bleibt die Identität sein Geheimnis. Vermuten kann man sie in der Familie Medici oder in ihrem Umkreis, weil Lorenzo de’ Medici, genannt il Magnifico, Botticelli unter den Florentiner Malern bevorzugte. Der noble Unbekannte posiert vor einem dunklen Rahmen. In der Rückschau auf die jüngere Kunstgeschichte könnte dem Betrachter eine Stilverwandtschaft mit der Neuen Sachlichkeit auffallen, und dies wegen der klaren Konturen, der Flächenmalerei mit dem glatten, „unsichtbaren“ Pinselstrich. Überdies repräsentiert dieser junge Gebildete den Typus, den die Nazarener im 19. Jahrhundert – vermittelt durch Raffael – verehrt haben.

In seinen schmalen Händen präsentiert der junge Mann ein Medaillon aus dem 14. Jahrhundert, eigentlich schon mehr ein kleines Tondo, das dem Sieneser Maler Bartolomeo Bulgarini zugeschrieben wird. Erkennen lässt sich das Bild eines bärtigen Heiligen über goldn ornamentiertem Grund. Zum einen wird deutlich, dass Botticelli einen jungen Zeitgenossen darstellt, der sich offenbar zur Glaubenswelt oder der Philosophie dieses Heiligen bekennt. Zum anderen lässt sich das Medaillon als Vanitas-Symbol deuten: als die versteckte Botschaft des Malers Botticelli an sein Modell, dass auch dessen stolze Jugend nicht ewig währt.

Rembrandts Holztafel „Abraham und die Engel“ ist auf 20 Millionen Dollar taxiert.
Rembrandts Holztafel „Abraham und die Engel“ ist auf 20 Millionen Dollar taxiert.

© Auktionshaus Sotheby's

In eine andere Gedankenwelt führt ein zweites Highlight der Altmeister-Auktion, das Sotheby’s für immerhin 20 Millionen Dollar parat hält: die biblische Historie „Abraham und die Engel“ von Rembrandt. Es überrascht, dass er das im ersten Buch Mose beschriebene Ereignis, in dem noch von „drei Männern“ die Rede ist, auf eine Holztafel im Miniaturformat von 16 mal 21 Zentimetern gemalt hat. Sonst gestand er alttestamentlichen Themen sehr viel mehr Raum zu. Ob sich die „handliche“ Tafel ehemals als Geschenk eignen sollte? Oder als Bozzetto für eine große Leinwand? Jedenfalls hat das auf 1646 datierte Bild seit 1647 recht häufig die Besitzer gewechselt; unter ihnen sind Rembrandts namhafter Schüler Ferdinand Bol, sein Freund und Auftraggeber Jan Six sowie der im 18. Jahrhundert nach London emigrierte amerikanische Maler Benjamin West – eine überaus lange und interessante Provenienzgeschichte. 1848 tauchte die Tafel zum letzten Mal in einer Auktion auf und brachte 64 Pfund ein, wobei das Pfund damals hoch im Kurs stand.

Ein echter Rembrandt

Als Rembrandt „Abraham und die Engel“ malte, hatte er den Zenit seiner Karriere erreicht. Sein Stil mit der ihm eigenen Lichtregie war längst gefestigt. Bei dieser Historie setzte er in besonderem Maß auf seine Hell-Dunkel-Effekte. Rembrandt ließ den en face postierten Engel wie von innen heraus leuchten, als sei er selbst die – göttliche – Lichtquelle, die auf die beiden anderen Engel und den greisen Abraham strahlt. Der hat sie vor seinem Haus willkommen geheißen und bewirtet sie, während seine Frau Sara im Hintergrund lauscht. Deutlicher noch, tiefernst blickend, ist Sara auf dem Blatt „Abraham, die Engel bewirtend“ zu sehen, das Rembrandt genau zehn Jahre nach dem Ölbild radierte. Hier hat er die Szene in ein harmonisch komponiertes Hochformat übertragen.

So zierlich die Tafel „Abraham und die Engel“ ausfällt, nichts scheint vernachlässigt; das Bild erweist sich als „echter“ Rembrandt. Die klaren Konturen seiner Anfänge sind aufgelöst; der Pinselstrich ist locker, das Kolorit durchweg tonig, die Komposition ausgewogen; und die Figuren agieren lebhaft. Der erleuchtete Engel gestikuliert mit seiner rechten Hand; den linken nackten Fuß hat er auf einen mit Tüchern bedeckten Lehnstuhl gelegt – ein narratives Detail. Rembrandt hat den Bibeltext ausgesponnen: Die Engel waren erschöpft und suchten Ruhe, denn sie waren gekommen, „da der Tag am heißesten war“ (18,1). Er hat auch der Kulisse Aufmerksamkeit geschenkt. Sie zeigt auf der einen Seite eine archaische Landschaft, auf der anderen ein einfaches Holzhaus. Inmitten steht ein derart mächtiger Baum, als stamme er vom dritten Tag der Schöpfung, vom Anfang der Welt.

Sotheby’s New York, Master Paintings & Sculpture Art Part I, 28. Januar, www.sothebys.com

Angelika Storm-Rusche

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