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Gunzenhauser

© ddp

Neue Museen: Der Osten leuchtet

Erstes Sammlermuseum der neuen Bundesländer: Alfred Gunzenhauser überlässt Chemnitz seine Kollektion deutscher Moderne.

Die Geschichte ist so schön, man kann sie nicht oft genug erzählen: Wie die Chemnitzer Museumsdirektorin Ingrid Mössinger den Münchner Sammler Alfred Gunzenhauser begeisterte, wie sie den 81-jährigen Ex-Galeristen ins Manchester des Ostens lotste, wo er sein’ Lebtag noch nicht gewesen war und seine 2500 Bilder umfassende Kollektion platzieren sollte. Die Begegnung ist nun nicht länger nur Legende: Heute eröffnet Bundespräsident Horst Köhler das Museum Gunzenhauser – und nicht in München, Dresden oder Leipzig, sondern in Chemnitz in einem Sparkassenbau.

Allerdings ist das Haus nicht irgendeine Bankfiliale, sondern ein Hauptwerk von Stadtbaurat Fred Otto, der hier 1930 seine Visitenkarte für das Neue Bauen abgab. Darin besteht auch die Pointe der Geschichte: Das Hauptgewicht der Sammlung Gunzenhauser liegt bei der Neuen Sachlichkeit, und Chemnitz besaß das passende Gehäuse dazu mit dem kühlen Charme dieser Phase, der Stein gewordenen Akkuratesse jener Zeit.

Die Eröffnung des Museums Gunzenhauser setzt ein Zeichen. Seht her, in Chemnitz, einst Karl-Marx-Stadt, eröffnet das erste Sammlermuseum im Osten. Bürgermeisterin Barbara Ludwig beantwortet die offenkundige Frage gleich selbst: Warum die Kollektion hierher gehört? Ist doch klar: Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff, alles Söhne dieser Stadt, deren Werke seit den Säuberungsaktionen der Nazis verschwunden waren, befinden sich in der Sammlung. Mit ihr kehrt Verlorenes zurück.

Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit (Kosten: 9,5 Millionen Euro) steht das nüchtern-elegante Eckgebäude wieder wie ein Ausrufezeichen da. Die helle Travertinfassade ragt selbstbewusst in die Höhe und nimmt mit ihrer geschwungenen Glasfassade die Dynamik des sie umbrandenden Straßenverkehrs auf. Rein äußerlich ist das Haus wieder dort angelangt, wo es schon einmal vor einem Dreivierteljahrhundert war – ein Paradebeispiel der Moderne. Das Baudenkmal wurde perfekt restauriert. Statt eines Bankensignets steht Museum Gunzenhauser in die Fassade eingraviert; vor einzelne Fenster sind Vitrinen montiert, in denen die Porträts der Künstler leuchten.

Mit dem Eintritt in das Gebäude beginnt der Bruch, wird der Funktionswandel signalisiert. Das Innere ist entkernt; zugunsten ganzer Galerieetagen wurden die Mini-Büros aufgelöst, an die außen nur noch die schmalen Fenster erinnern. Das Berliner Architekturbüro Staab, in Museumsumbauten erfahren und derzeit mit der Sanierung des Dresdner Albertinums betraut, fand zu einer klaren Lösung. Sämtliche Geschosse bleiben um den zentralen Lichthof angelegt, die Fensterseite wurde von innen geschlossen, um Hängeflächen zu gewinnen. Tageslicht fällt nur hofseitig ein. Den Clou bildet die zentrale, rot ausgemalte Treppe, die als geschlossener Wandelgang in die Höhe führt und den Besucher magisch bis ins oberste Geschoss hochzieht.

Dort stößt er auf das erste in Öl gemalte Selbstbildnis von Otto Dix aus dem Jahr 1912, das den 21-Jährigen mit Wanderhut zeigt. Es ist ein Schlüsselwerk der Kollektion, die mit 270 Bildern weltweit über das größte Dix-Konvolut verfügt. Die oberste Etage bleibt ihm reserviert, neben Werken von Conrad Felixmüller, dem anderen Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Mit jedem Raum erlebt der Besucher mehr, was für ein Coup Chemnitz mit Gunzenhauser gelungen ist. Tatsächlich wäre es ein Jammer, wenn die expressiven Kriegsgouachen, die Porträts, die bitterbösen Beobachtungen aus den Bordells und von der Straße, die späten, entrückten Landschaftsgemälde im Bestand eines Museums in München, Leipzig oder Dresden aufgegangen wären. In Chemnitz überzeugte den Sammler der eigene Bau. Und für die Stadt, der er den 150 Millionen Euro schweren Schatz als Stiftung für 150 Jahre übergab, hat er Gutes getan.

Auch das nächste Geschoss ist fulminant: Hier kommt eine atemberaubende Suite von Jawlensky-Porträts zusammen. Gunzenhauser gehört weltweit der zweitgrößte Bestand an Werken des Russen. Mit jedem Bild folgt der Besucher dem Maler weiter in die Abstraktion, bis die Gesichter nur noch aus Farbflecken und Linien bestehen. Allerdings besteht darin auch die Gefahr zunehmender Gleichförmigkeit. Die Werke sind millimetergenau mit gleichem Abstand voneinander gehängt, so dass Spannungslosigkeit in die aufregende Reihung einzieht und nicht die Bilder, sondern Stützpfeiler den Raum dominieren. Das zweite Geschoss zeigt den Sammler in seinem Eigensinn. Sprunghaft landet der Besucher in der Nachkriegszeit bei den ungegenständlichen Baumeister, Schumacher, Nay und Thieler. Der weitere Abstieg ins Untergeschoss kommt einem Absturz gleich.

Hier bilden Warhol, der Neusachliche Georg Schrimpf und der Maler-Bildhauer Horst Antes eine krude Mischung. Hier sind fortan Wechselausstellungen geplant; für die Eröffnungsschau fehlte am Ende offenbar die Kraft für eine substanzielle Hängung. Gleichwohl ist die Premiere des ersten Sammlermuseums in den neuen Ländern gelungen. Weitere mögen folgen. Direktorin Mössinger hat schon neue Objekte anvisiert. Schließlich bietet Chemnitz noch einige Architekturschätze der Moderne, die mit Kunst zu füllen wären.

Museum Gunzenhauser, ab 2. 12. Info: www.chemnitz.de

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