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„Der Zylinder ist für viele das Symbol des eleganten Mannes“,  befindet der Ich-Erzähler in Edmund Edels episodenhaftem Roman „Mein Freund Felix“.

© imago/Arkivi

Aus dem Leben eines Salonlöwen: Edmund Edels Roman „Mein Freund Felix“ aus dem Berlin der späten Kaiserzeit

Frack, Smoking oder Cutaway? Und wie hoch darf der Stehumlegekragen sein? Für den Titelhelden des 1914 erschienenen, nun erneut aufgelegten Buches sind das existentielle Fragen.

Es ist schon mühsam, ja fast unmöglich, mit der Zeit Schritt zu halten, all ihre modischen Wendungen rechtzeitig zu erkennen und ihnen zu folgen. Im Frühjahr 1914 noch Tango lernen? „Zu spät mit Ihrem Tango, mein Lieber“, belehrt Felix, „der eleganteste Mann von Berlin W.W.“, sein Gegenüber. „Überholt. Auch dieser Maxixe ist schon ein altes Eisen, Furlana, mein Lieber, und weiß der Himmel, der Hottentottenrag.“

Auch die künstlerischen Vorlieben wechselt ein trendbewusster Mensch schneller als manch einer seine Socken. Der Naturalismus? Soeben noch der letzte Schrei, nun unmodern, für einen wie Felix, den „Mann des allerletzten Kulturseufzers“, damit passé. „Deshalb beliebte er neuerdings, alle Erscheinungen in einer Art Nebelstimmung wahrzunehmen, das Leben kubistisch, symbolistisch, futuristisch auf sich wirken zu lassen.“

Von Berlin W. nach Berlin W.W.

Dieser Felix, Liebhaber der neuesten Moden, ist die Titelfigur des dritten Bandes der Werkausgabe, die der Quintus Verlag dem zu Unrecht vergessenen satirischen Autor, Grafiker und Filmregisseur Edmund Edel (1863 - 1934) gewidmet hat. Im ersten, „Berlin W.“ betitelt, hatte dieser der Leserschaft „Ein paar Kapitel von der Oberfläche“ geboten, eine humorvoll-bissige Skizzierung der Gesellschaft des neuen Berliner Westens rund um den Kurfürstendamm. Es folgte der Roman „Der Snob“, der Titel spricht für sich.

„Mein Freund Felix“ verheißt nun „Abenteuerliches aus Berlin W.W.“, erweitert den Blick auf die Richtung Wannsee wachsenden Villenkolonien. Wie „Berlin W.“ bleibt „Mein Freund Felix“ episodenhaft, doch werden die Kapitel diesmal locker zusammengehalten durch den Titelhelden, dessen Leben ohne Tiefgang dem des Personals in Edels Erstling durchaus ebenbürtig ist.

Felix, der „Glückliche“, ist in der späten wilhelminischen Gesellschaft der Lebemann par excellence, vom herrschenden, im Kaiser personifizierten Militarismus immerhin nicht angekränkelt, ansonsten allen Versuchungen der „besseren“ Gesellschaft hingegeben. Arbeiten? Ja, ein bisschen, aber allzu zeitaufwendig ist die wohldotierte Tätigkeit als „Direktor einer G.m.b.H.“ nicht. Weitaus mehr Energie bringt Felix für seine zahllosen gesellschaftlichen Verpflichtungen auf und ist dazu unentwegt – eine Art Rolf Eden der Kaiserzeit – auf der Suche nach Eroberungen.

Wobei die Vertreterinnen des schönen Geschlechts keineswegs nur Opfer seiner Galanterien sind. Bei der Jagd nach Liebe gerät er öfter mal an die Falschen, die ihm betrügerisch oder auch gewitzt Paroli bieten, sodass er zuletzt mit ungedeckten Schecks dasteht oder gar mit einem Batisthemdchen samt -höschen. Die reizende Ellen, die ihn zum Kauf verführte und der er diese „herrlichen Kunstwerke intimer Frauenkleidung“ zugedacht hatte, ist da längst über alle Berge. Ja, sie dreht ihm sogar eine lange Nase, schickt eine Ansichtskarte, darauf ein Affe in feinster Damenwäsche.

Der Kragen - ein Indikator des sozialen Status

Felix führt eben ein Leben an der Oberfläche, selbst die Frage, wann Frack, Smoking oder gar Cutaway zu tragen sind, gewinnt da existentiellen Wert, ganz zu schweigen von der Höhe des Stehumlegekragens, steht sie doch „im Verhältnis zur sozialen Stellung des Trägers“: Assessorenkragen? Überlebensgroß. Künstlerkragen? Millimeterschmal.

Diese aus der Perspektive des Ich-Erzählers dargebotenen Exempel der Irrungen und Wirrungen seines Freundes Felix ist eine ebenso scharfsinnige wie amüsante, mit literarischen Anspielungen gespickte Diagnose der Berliner Gesellschaft, Monate vor dem Ersten Weltkrieg. Das Treiben auf den Parkettböden der Villen von Berlin W.W. erscheint da nachträglich wie ein Tanz auf dem Vulkan. Von dem scheint der elegante Autor Edmund Edel kaum etwas geahnt zu haben. Salonlöwe Felix erst recht nicht.

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