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Dirigent Markus Stenz.

© Kaupo Kikkas

Antrittskonzert von Markus Stenz: Sinfonieorchester der Hochschule für Musik Hanns Eisler

Bei seinem Antrittskonzert präsentiert der neue Dirigierprofessor Markus Stenz mit Studierenden im Konzerthaus Werke von Rachmaninow und Tschaikowsky. 

Von Keno-David Schüler

Die Uraufführungen von Sergej Rachmaninows erstem Klavierkonzert sowie seiner ersten Sinfonie hatte keinen glücklichen Ausgang genommen. Der Komponist stürzte nach dem letzteren Debakel gar in eine tiefe Lebenskrise. Sein Nervenarzt verschreibt im Jahre 1900 eine neue Kompositionsaufgabe.

„Das wird großartige Musik werden“: so lag die ärztliche Expertise durchaus richtig. Das zweite Konzert für Klavier und Orchester in c-Moll avanciert noch zu Lebzeiten zu einem der populärsten Werke des Russen, und kann als das wohl am häufigsten aufgeführte Klavierkonzert überhaupt gelten.

Auch Peter Tschaikowsky fühlt sich 1876, nach jahrelangen Depressionen und Geldsorgen, ausgelaugt. Da tritt wie aus dem Nichts eine mysteriöse Gönnerin, Nadesha von Meck, in sein Leben, die in liebevoller Brieffreundschaft nicht nur zur wichtigen Seelenstütze gerät, sondern überdies durch die von ihr gespendete Leibrente das finanzielle Prekariat beendet.

Die vierte Sinfonie in f-Moll wird im Januar 1878 fertiggestellt und sei, so Tschaikowsky, in „Liebe und glühender Begeisterung“ geschrieben. So stellen beide Werke wichtige Wendepunkte, (vorläufige) Happy Ends, in den Biografien zweier großer Musikerpersönlichkeiten dar. Wie das klingt, erleben das Publikum im Konzerthaus, wenn die Klangmassen unter weitgespannten Melodiebögen in den Saal fluten.

Die Rivalität zwischen Orchester und Klavier ist traditionell in der Gattung Klavierkonzert angelegt: So wetteifert auch Rachmaninows überbordender Klaviersatz mit üppiger Orchestrierung. Den Herausforderungen des notorisch schwierigen Klavierparts stellt sich Seoyoung Jang. Sie studiert im Konzertexamen an der Hochschule Hanns Eisler und spielt heute ihre Abschlussprüfung. Die junge, bereits mit internationalen Preisen und Auszeichnungen bedachte, Koreanerin ist schon seit ihrem Bachelor in Berlin. Zunächst übt sich die Solistin in nobler Zurückhaltung, ordnet sich dem Orchester unter – so wie in der Partitur angelegt.

Über einige, zunächst eher blasse, solistische Kommentare übernimmt das Klavier dann immer mehr die Kontrolle. Während Jang in den fusionierten Pas de deux von Solostimme und Orchester im Kopfsatz durch Bremsen des Agitato-Drives des Orchesters eigenwillige Spannung kreiert, hält sie sich spätestens ab dem poco più mosso im zweiten Satz nicht mehr zurück.

Durchaus professionell musiziert und in gelungener Bewältigung dieses „Monsters“ von Klavierkonzert lässt sich doch etwas von jener tollkühn virtuosen Wildheit vermissen, die für dieses Repertoire so essenziell ist. Die junge Künstlerin sollte weiterhin an ihrem Profil arbeiten, sich auf die Suche nach dem Besonderen begeben, und Mut haben, die eigenen Ideen umsetzen. So bleibt eher die Erinnerung an ihr Kopfschütteln und Nicken, hinter dem sie sich nun wirklich nicht verstecken muss.

Schon der erste Orchestereinsatz im Rachmaninow hatte mit sattem Streichersound aufhorchen lassen. Auch bei Tschaikowsky kann das junge Ensemble musikalisch auftrumpfen. Markus Stenz, ganz ohne Stock, findet zu gänzlich befreiter Kommunikation: Seine gelösten Gesten vermitteln die Expertise des Älteren mit der geballten Power der jungen Generation.

Ebendiese Energie überträgt sich aufs Publikum, wenn die Antiquität beziehungsweise der Spuk der Mittelsätze in die großen Blecheffekte im kunterbunten, volksfesthaften Kehraus des letzten Satzes aufgehen. Glückliches Ende auf ganzer Linie! Auch wenn dem Programm eine weitere klangsprachliche Facette zu wünschen gewesen wäre, um die opulenten Klangbomben zu neutralisieren.

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