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Kultur: Anschwellender Farbgesang

Malerei, Zeichnung, Grafik: Gleich drei Galerien widmen Frank Badur Ausstellungen

Rupprecht Geiger hat es vorgemacht. Farbe kann ein Lebensthema sein. Bis ins hohe Alter arbeitete der am Sonntag verstorbene Maler Tag für Tag in seinem Atelier; noch zur Retrospektive anlässlich seines 100. Geburtstages gab er eine neue Edition heraus. Der Vergleich mit Frank Badur ist erlaubt, selbst wenn der Berliner Künstler als Mittsechziger dagegen wie ein junger Hupfer erscheint. Auch in seinem Werk ist kein Höhepunkt, keine Hauptzeit zu verzeichnen. „Frank Badur wird immer besser,“ sagt sein Galerist Hamish Morrison und freut sich auf „die nächsten zwanzig Jahre“.

Die Ausstellung in seinen Räumen gibt ihm recht. Hier ist kein Alterswerk zu sehen, keine irgendwie zu bestimmende mittlere Phase, sondern das Resultat einer lebenslangen Beschäftigung mit Farbe und Struktur, das Gegenwart ausstrahlt und trotzdem Vergangenheit und Zukunft in sich trägt. Diese Alterslosigkeit erwächst aus der Abstraktion, der Klassizität der Moderne, aus der sich auch Badurs Werk speist. Mondrian, Barnett Newman und Brice Marden stehen ihm Pate. Anfang der Achtziger lernte er die Farbfeldmalerei vor Ort bei einem Stipendienaufenthalt in den USA kennen. Wie diese Maler hat auch Badur sein Schaffen der Ausbalancierung von Farbfeldern, Lineaturen, unterschwelligen Kräften gewidmet. Eine ewige Kunst.

Und doch gibt es einen Termin für die Dreifach-Ausstellung, die den Maler, Zeichner und Grafiker gleichberechtigt nebeneinander präsentiert. Der Künstler feiert seinen 65. Geburtstag und scheidet nach fast einem Vierteljahrhundert als Lehrer an der Universität der Künste aus, wo der gebürtige Oranienburger selbst einst studierte. Wer heute durch Berlins Galerien geht oder die Bewerbungsmappen für Stipendien studiert, wird immer wieder auf seine Schüler stoßen, die nun ihrer eigenen Wege gehen.

Für diese große Wirkung ist sein eigenes Werk in der Stadt viel zu wenig bekannt. In den letzten Jahren war Badur in Sammelausstellungen in der Neuen Nationalgalerie, der Berlinischen Galerie, der Akademie der Künste zu sehen. Die letzte institutionelle Soloschau liegt lange zurück. Badurs Sammler sitzen vor allem in der Schweiz, in Süddeutschland und den USA. So erstaunlich es klingt, in der Kunsthauptstadt Berlin hat es die abstrakte Malerei noch immer schwer. Einst durch die Jungen Wilden, heute die Dominanz der Neuen Leipziger stehen die Nichtgegenständlichen immer hintenan.

Für den Rundumschlag in drei Berliner Galerien gibt es also allen Grund: Die Hamish Morrison Galerie zeigt Malerei, Frühsorge Contemporary Drawings gleich nebenan die Zeichnungen und Jordan Seydoux in der Auguststraße die Grafiken. Wo der Besucher beginnen sollte, lässt sich schwer sagen: Ob bei den fulminanten Gemälden, die in roten, blauen, türkisen, grauen Streifen erstrahlen und in jeder Größe – egal ob eine halben oder drei Meter breit (6000 bis 32 000 Euro) – die ehemalige Fabrikhalle mit gewaltigen Kraftfeldern aufladen? Oder bei den Zeichnungen, die das Repetitive, ja Meditative mit so viel Delikatesse vorführen? Oder vielleicht doch bei der Grafik, die hoch konzentriert Badurs Farbspiel demonstriert? Für die Ausstellung produzierte der Künstler eigens eine Serie mit neuer Technik, bei der MDF-Platten als Träger dienen, die durch den weichen Auftrag das Türkis, Orange und Blau erst richtig zum Vibrieren bringen (600 Euro).

Immer wieder wurde in Badurs Bilder die Spiritualität gesucht, der utopische Moment, der noch die frühen Abstrakten bewegte. Doch Badur sagt selbst: „Meine Werke sind nicht zweckgebunden, sie folgen keinem im voraus bestimmten Ziel, ihren Sinn tragen sie in sich selbst.“ Ihre Erfüllung finden sie im Rhythmus der Lineatur, im Zusammenklang der Farben. Tragen sie doch einmal einen Titel wie „Urushi-e“, „Hangzhou Painting“ oder „Katsina Yellow“, so berühren sie nur eine persönliche Erinnerung des Malers, verraten dem Betrachters nichts.

Anders verhält es sich mit dem Zeichnungs-Zyklus „Reflections on the Eisenman Grid“, das Bezug nimmt auf die Gitterstruktur des Berliner Mahnmals für die ermordeten Juden Europas. Doch ebenso wie bei dem Holocaust-Mahnmal die Stelen nichts repräsentieren, die sanften Höhenverschiebungen auf dem welligen Grund keine Erklärung liefern, genügt auch das zarte Netzwerk der Linien, der kräftige Duktus der grauen, schwarzen Balken in Badurs Zeichnungen sich selbst (24 Blatt, 40 000 Euro). Neben einem Gleichklang in der Rasterung mag die einzige Verbindung sein, dass Badur zu Emigranten in den USA persönliche Beziehungen unterhält, dass auch seine Malerei von den Verfolgungen der Nationalsozialisten geprägt ist: Das Erbe von abstrakter Malerei und Bauhaus kehrte aus den USA als Colorfield-Malerei wieder zurück nach Europa.

Zugleich scheinen in Badurs Kunst östliche Strömungen auf. Seit zwei Jahren arbeitet der Künstler im Rollbildformat, nennt seine langgestreckten Zeichnungen „Scrolls“ (6000 Euro). Mal zieht er die Linie mit dem Lineal, mal mit der Hand; schwarze, graue, weiße Balken in Gouache geben dazwischen Halt.

Wer die Musikalität von Badurs Zeichnungen noch nicht gesehen hat, hier ist sie evident. Rhythmus, Pausen, Klänge werden sichtbar, als hingen Partituren an der Wand. So hat der Künstler seinen Beitrag für die Ausstellung „Audiotour“ in der Temporären Kunsthalle, die zweiminütige Soundstücke von Berliner Künstlern vereint, „Scroll“ genannt. Sein Sohn komponierte für ihn eine asiatisch klingende Xylophon-Musik, die perlt, an- und abschwillt, die in sich selbst ergeht. Mit dem Borges-Zitat „Musik ist eine Sprache, die wir verwenden und verstehen, nicht übersetzen können“ ist die Ausstellung bei Morrison überschrieben. Der Badur-Dreiklang schwingt lange nach.

Hamish Morrison Galerie, Frühsorge Contemporary Drawings, Heidestr. 46-52, Jordan Seydoux, Auguststr. 22, bis 8. 1. Katalog (Kehrer Verlag) 29 €.

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