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"Horse Opera", der Berlinale-Forums-Beitrag von Moyra Davey.

© Moyra Davey

73. Berlinale: Die Filme des Forums im Überblick

Lust auf die Berlinale? In unserer Reihe mit Tipps zu den Sektionen des Festivals hier das Wichtigste zum Forum.

Eine Frauenklinik in Paris. Patientinnen, die Kinder gebären, Chemotherapien bekommen, eine Abtreibung möchten oder eine Geschlechtsumwandlung: „Notre corps“ von Claire Simon. Eine Reise durch die kriegsversehrte Ukraine, von West nach Ost, Alltag zwischen Ruinen, Posieren vor zerschossenen Panzern, Waffentraining für freiwillige Soldat:innen: „In Ukraine“ von Tomasz Wolski und Piotr Pawlus. Eine Spurensuche in die Hölle von Verschleppung und Folter: Der Exil-Iraner Mehran Tamadon rekonstruiert in „Where God is Not“ mit drei Regime-Opfern minutiös ihre traumatischen Gefängniserlebnisse. Tamadon zeigt einen weiteren Film über die gewaltsame Unterdrückung von Regimekritikern in der Sektions Encounters.

28 Filme umfasst das Hauptprogramm des Forums, viele davon sind Dokumentarfilme. Dazu gehören auch Volker Koepps geobiografischer Dreistünder „Gehen und Bleiben“, in dem er mit Uwe-Johnson-Gefährten und -Lesern die ostdeutschen Landschaften des Schriftstellers erkundet, unter anderem mit Peter Kurth und Hans-Jürgen Syberberg.

Oder „El juicio“ aus Argentinien, mit Gerichtsaufnahmen aus dem Prozess 1985 gegen Junta-Mitglieder der Militärdiktatur, mit den Gesichern der Angeklagten - und auf der Tonspur sind die Opfer des Regimes zu hören. Oder „Allensworth“ über die älteste selbstverwaltete afroamerikanische Gemeinde Kaliforniens, wie immer in langen Einstellungen gedreht von Forum-Stammgast James Benning

Rekonstruktion einer Folterkammer. Mehran Tamadon und Mazyar Ebrahimi in „Where God Is Not“.

© l'Atelier Documentaire

Essayfilme haben eine lange Tradition in der Forums-Sektion, diesmal finden sich einige, die ausprobieren, was geschieht, wenn Bild und Ton eigentlich nicht zusammengehören.

In „Horse Opera“ sind Vögel, Hunde und schnaubende, pinkelnde Pferde auf einem ländlichen Gut zu sehen, während die US-Regisseurin Mayra Davey nicht ohne Selbstironie von wilden New Yorker Partys berichtet – all das, was im Lockdown-Retreat wie eine Kunde aus vorvergangener Zeit anmutet.

Fiona Tan liest in „Dearest Fiona“ aus den Briefen ihres australischen Vaters vom Ende der 80er Jahre, die sie als Studentin in Amsterdam erhielt, dazu zeigt sie teils bezaubernd kolorierte, hundert Jahre alte Archivfilm-Ausschnitte vom ländlichen Leben in den Niederlanden. „Between Revolutions“ montiert Aufnahmen aus der Zeit der iranischen Revolution und den Ceausescu-Jahren in Rumänien mit einem halbfiktionalen Briefwechsel zweier Studentinnen in Teheran und Bukarest.

Tragikomische Studie über Gesicht und Identität. „The Face of the Jellyfish“ von Melisa Liebenthal.

© Gentil Cine SRL/Zona Audiovisua

Aus Argentinien kommt „The Face of the Jellyfish“ von Melisa Liebenthal. Eines Morgens wacht die Lehrerin Marina auf und hat ein anderes Gesicht. Eines, das sie nicht mag. Bin ich noch ich, wenn ich ganz anders aussehe? Liebenthal hat eine spielerische, tragikomische Studie über Biometrie, Identität und gegenseitiges Erkennen gedreht, ein Film, in dem auch die Gesichter von Katzen und Quallen vermessen werden.

Für Debatten wird vermutlich Selma Doboracs Gewaltstudie „De Facto“ sorgen, eine Textcollage, deren formale Konsequenz an Romuald Karmakars „Hamburger Lektionen“ erinnert. Die Schauspieler Christoph Bach und Cornelius Obonya sitzen im Pötzleinsdorfer Schlosspark in Wien in einem weißen Pavillon an einem schwarzglänzenden Tisch und tragen drastische Täterberichte vor, auch Philosophisches über das Böse. Die Quellen erfährt man allerdings nicht.  

"Mammalia", der Berlinale-Forums-Beitrag von Sebastian Mihăilescu.

© MicroFilm

Klar, das Forum zeigt auch Genrefilme, aber solche der experimentelleren Art, etwa die Sekten-Horror-Mystery-Tragikomödie „Mammalia“, die spielerische Identitäts-Etüde „The Face of a Jellyfish“ über eine junge Lehrerin, deren Gesicht sich so sehr verändert, dass sie sich selbst nicht mehr erkennt, und den Science-Fiction „Notes from Eremocene“: Die Regisseurin schickt Botschaften an ihr künftiges Ich und skizziert ein Erdzeitalter, in dem Blockchains und Künstliche Intelligenz die Welt mit zu retten versuchen.

In der Reihe „Fiktionsbescheinigung“ lässt sich unter anderem Yüksel Yavuz‘ „Mein Vater, der Gastarbeiter“ von 1995 wiederentdecken, eine eindrückliche Erzählung über die erste Gastarbeitergeneration.

Und das FORUM EXPANDED steht unter dem Motto „An Atypical Orbit“. Viele der 33 Arbeiten aus 19 Ländern kreisen um persönliche und politische Vermächtnisse, verlorene Familienmitglieder, Exil- und Diskriminierungserfahrungen sowie dekoloniale Perspektivwechsel. Installationen sind im Silent Green im Wedding und in der kanadischen Botschaft zu sehen. 

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