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Auch ein Obachlosenlager unter einer Brücke zeigt James Benning.

© James Benning

"The United States of America" im Forum: Man sieht sich immer zweimal

James Benning bereist die USA - und zeigt, was er vorfindet, in 52 Einstellungen. Aber der Film hat einen finalen Twist. Da heißt es: aufmerksam bleiben!

Der weite Blick aufs Gebirge. Ein fast ausgetrocknetes Flussbett. Ein Wachturm neben einem mit Nato-Draht gesicherten Gefängnis. Blühende Obstbäume. Zwei Kühltürme eines Kraftwerks. Ein schmaler großstädtischer Straßenzug. Meeresbrandung. Vielfältig sind die Motive der langen. unbewegten und (wie immer bei James Benning) sorgfältig kadrierten Einstellungen, Menschen nur selten als Miniaturen darauf. 52 sind es insgesamt, davor jeweils – eher ungewöhnlich für den Filmemacher – schwarze Texttafeln, die die Orte und Bundesstaaten benennen und in alphabetischer Reihenfolge der Staaten sortieren.

So geht es von Heron Bay, Alabama über Illinois und Hawaii bis Kelly, Wyoming. Mit dabei auch Puerto Rico und der District of Columbia, die offiziell nicht als Bundesstaaten zählen (weitere Vorführungen am 18.2. um 21 Uhr im Cubix 7 sowie am 19.2. um 12 Uhr im Delphi-Kino).

Mehrfach schon in seiner langen und produktiven Werkbiografie hat Benning ältere Arbeiten und Motive wieder aufgegriffen. Auch „The United States of America“ hat einen filmischen Vorläufer mit dem gleichen Titel aus dem Jahr 1975, als Benning gemeinsam mit der Kollegin Bette Gordon im Auto die USA von Ost nach West durchquerte und die Kamera von der Rückbank aus die Reisenden selbst und die Orte vor der Frontscheibe filmte. Ein Roadmovie in schönstem Sinne, der die Bewegung durch das Land und die Begegnung im Wagen miteinander kurz schloss und die einzelnen Landschaften überblendete und verband.

Tondokumente setzen politische Akzente

Der neue Film verzichtet gänzlich auf solche Bewegung. Jede Einstellung und jeder Ort steht für sich, verbunden nur konzeptuell durch das Ordnungsprinzip der Tafeln und die Montage, die auf die Zelte von Obdachlosen in einer Unterführung eine sommerliche Landschaft und eine im Wind flatternde US-Flagge (New Milford, Connecticut) folgen lässt. Eine Art der topografischen Bestandsaufnahme, die an Bennings von 1999 bis 2002 realisierte kalifornische Trilogie anknüpft.

Im Sound filigran mit dem Originalton verflochtene Collagen, die neben Vogelgezwitscher und diversen Maschinengeräuschen mit historischen Tondokumenten auch deutlich politische Akzente setzen. Wenn der Filmemacher zu einem Baumwollfeld (Fayette, Mississippi) Bürgerrechtler über rassistische Gewalt sprechen lässt oder Woody Guthrie zwei Strophen von „This Land Is Your Land“ (Minier, Illinois) singt, ist dies mit vielen versammelten visuellen Americana auch eine programmatische Ansage gegen die Vereinnahmung des Patriotismus durch Trump und Konsorten.

Nicht zuletzt war James Benning immer schon auch ein Spieler und Humorist. In diesem Film beglückt er seine Fans mit vielen augenzwinkernden Referenzen und Anspielungen auf frühere Arbeiten. Der größten Spaß, den er sich herausnimmt, ist aber eine gewichtige Verschiebung im Verständnis des gesamten Films aus der Rückschau. Genaueres verraten werden soll hier aus Spoiling-Gründen nicht. Aber bitte bleiben Sie aufmerksam bis zum Abspann! Es könnte sein, dass Sie „The United States of America“ danach gleich ein zweites Mal sehen wollen.

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