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Poetischer Realist. Theodor Fontane.

© dpa

200 Jahre Fontane: Fontane trifft Knesebeck

Zum 200. Geburtstag des Schriftstellers gibt es Lesungen, Lounges, Game-Festivals, Slams, Ausstellungen. Ein Highlight sticht besonders heraus. Die Kolumne Fundstücke.

Es sprudelt zu Fontane in diesem Jubiläumsjahr tatsächlich aus vielen Quellen. Wer das offizielle „Fontane. 200“-Programm durchsieht, stößt da allein in Berlin-Brandenburg auf 43 Orte, die das F-Jahr feiern, bis hin zum 200. Geburtstag am 30. Dezember. So gibt es eine „Fontaneske“, eine „Fontane Lounge“, die Ankündigung „Havel Slam meets Fontane“, ein Fontane-„GameCamp“ plus „GameFestival“; neben Vorträgen und Gesprächen („Der Nebelfürst – Eine Reise ins Blaue“ mit Martin Mosebach und Denis Scheck) beispielsweise: ein künstlerisch-literaturwissenschaftlicher Abend „Fontane gelesen, geflüstert, getastet und gebärdet“ oder „Der Stechlin – Ein getanztes Naturdrama“, aus Motiven des Romans sei „eine Performance für ein optisches Windkonzert“.

Die so genannte „Leitausstellung“ im schön sanierten und modern erweiterten Museum Neuruppin, unweit der Löwenapotheke, über der Fontane geboren wurde, ist freilich eine Enttäuschung. Es sind im Grunde nur drei Originalstücke aus Fontanes Besitz zu sehen: eine Standuhr, ein Schullineal und eine kleine Skizze Schinkels, der gleichfalls aus Neuruppin stammte. Eine Entdeckung verspricht indes etwas weiter südlich am Neuruppiner See die „Wanderin durch die Mark Brandenburg“. In der Ausstellung des Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau geht es um Marie Goslich als „erste Fotojournalistin Europas im 19. Jahrhundert“. Von der 1859 in Frankfurt/Oder geborenen Fotografin hatte ich zuvor noch nie gehört.

Eine Entdeckungsreise

Mein Fontane-Fundstück im großen Jubiläumsreigen aber ist am Seeufer gleich gegenüber von Wustrau im Dörfchen Karwe die Miniausstellung „Fontane trifft Knesebeck“. Nahe der Feldsteinkirche liegt offen, ohne Mauern und Zäune herum, das ehemalige Rittergut der Freiherrn von dem Knesebeck. Vom einstigen Barockschloss, das in der DDR-Zeit verfiel und 1983 abgerissen wurde, zeugt nur noch ein winziges Modell am Rande des Parkplatzes. Aber ein schönes Ensemble roter Backsteinbauten, der Scheune aus dem 17. Jahrhundert, Wohnhäusern am See und einem stilvoll ausgebauten früheren Pferdestall ist das Werk des heutigen Besitzers Krafft von dem Knesebeck, der nach der Wende das enteignete Familiengut peu à peu zurückgekauft, restauriert und neu gestaltet hat. Er führt auch selbst durch die kleine, feine Fontane-Knesebeck-Ausstellung im Ex-Stall (Sa/So und nach Vereinbarung, bis 15. Oktober: www.fontane-200.de).

Fontane hat Karwe und die Knesebecks 1859 und 1864 besucht und in seinen „Wanderungen“ verewigt. Das Schloss erschien ihm zwar etwas spukhaft, doch schon der Auftakt, die Schilderung einer nächtlichen „Seeschlacht“ zwischen den Fischerflotten aus Wustrau und Karwe, wirkt spektakulär. Dass wir heute neben dem offenbar einzigen noch vorhandenen Erstdruck von Fontanes Karwe-Erlebnissen in der „Neuen Preußischen Kreuz-Zeitung“ vom 25. Dezember 1859 noch einige reizvolle, mit allerlei Geschichte(n) behaftete Gemälde, Manuskripte, königliche Karikaturen (von Friedrich Wilhelm IV. eigener Hand), Möbel und andere Originale wie mit Fontanes Augen sehen, verdankt sich auch einem historischen Glücksfall. Denn als die Rote Armee 1945 das Anwesen besetzte und den damaligen Schlossherrn verhaften wollte, erinnerte sich der russische Kommandant an seinen Geschichtsunterricht: König Friedrich Wilhelms Feldmarschall Carl Friedrich von dem Knesebeck nämlich hatte einst mit dem Zaren den Plan geschmiedet, Napoleon in die Weiten des russischen Reichs zu locken, um dessen Grande Armée dort aufzureiben.

Also ließ der Kommandant den Nachfahren des Verbündeten frei und erlaubte ihm, alles, was er in Säcken in einer Nacht bis zum Morgengrauen aus dem Schloss tragen könne, zu behalten. Es waren viele der jetzigen Ausstellungsstücke. Hierüber informiert auch das vorzügliche illustrierte Katalogbuch von Gabriele Radecke, Krafft von dem Knesebeck und Günter Rieger „Fontane trifft Knesebeck. Eine Entdeckungsreise nach Karwe“.

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