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Nach den jüngsten mutmaßlichen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten kriminellen Banden in Schweden mit drei Toten binnen weniger als zwölf Stunden will Ministerpräsident Ulf Kristersson das Militär um Hilfe bitten.

© AFP/Jonathan Nackstrand

Update

„Wir werden die Banden zur Strecke bringen“: Schwedens setzt Militär gegen Gang-Gewalt ein

Das skandinavische EU-Land erlebt gerade eine Mordserie bisher ungekannten Ausmaßes. Regierungschef Kristersson schaltet nun die Armee mit der Unterstützung der Polizei beauftragt.

| Update:

Die Welle an Morden durch Banden in Schweden reißt nicht ab. Allein in den vergangenen vier Wochen wurden mindestens elf Menschen erschossen, viele weitere wurden verletzt – darunter auch Unbeteiligte. Dies ergab eine Zählung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders SVT. Damit ist der September der blutigste Monat seit vier Jahren. Unter den Toten ist auch ein 13-jähriger Junge, dessen Leiche mit einem Kopfschuss in einem Wald gefunden wurde.

Nach den jüngsten mutmaßlichen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten kriminellen Gangs in Schweden mit drei Toten binnen weniger als zwölf Stunden kündigte Ministerpräsident Ulf Kristersson in einer Pressekonferenz am Freitag an, dass das Militär die Polizei bei der Bekämpfung der Bandenkriminalität unterstützen werde.

Nächste Woche will die Regierung nach Angaben des Premiers die Streitkräfte anweisen, der Polizei Personal und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Damit soll die Polizei in die Lage versetzt werden, das besondere Fachwissen im Verteidigungssektor, einschließlich Risikobewertung und IT-Forensik, zu nutzen, berichtete die Zeitung „Dagens Nyheter“ von der Pressekonferenz.

„In einem zweiten Schritt muss das Gesetz dahingehend geändert werden, dass den Polizeibehörden mehr Möglichkeiten eingeräumt werden, Unterstützung anzufordern, wenn die Verteidigungskräfte über Fachwissen verfügen“, sagte Kristersson.

Auch Justizminister Gunnar Strömmer nahm an dem Treffen am Freitag teil. Wie genau die Regierung das Gesetz ändern will, damit die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften und der Polizei vertieft werden kann, ist noch nicht klar. „Die Regierung wird sich in Kürze mit der Frage befassen, wie wir mit den Gesetzesänderungen verfahren wollen, die notwendig sind, um die Unterstützung noch umfassender zu gestalten“, sagt er.

Kristersson will „die Banden zur Strecke bringen“

Bereits in einer am Donnerstag im Fernsehen übertragenen Ansprache äußerte sich Kristersson zum Problem der Bandenkriminalität in seinem Land. „Wir werden die Banden zur Strecke bringen. Wir werden die Banden besiegen“, sagte er, wie SVT online berichtete.

So etwas hat Schweden noch nie erlebt. Kein anderes Land in Europa erlebt so etwas.

Ulf Kristersson, Schwedens Ministerpräsident

„Wir werden sie vor Gericht stellen. Sind sie schwedische Staatsbürger, werden sie mit sehr langen Haftstrafen eingesperrt. Sind es ausländische Staatsbürger, werden sie außerdem ausgewiesen“, sagte Kristersson.

„Immer mehr Kinder und völlig unschuldige Menschen sind von dieser extremen Gewalt betroffen“, sagte Regierungschef Kristersson in seiner Fernsehansprache. „So etwas hat Schweden noch nie erlebt. Kein anderes Land in Europa erlebt so etwas.“

„Eine verantwortungslose Einwanderungspolitik und eine gescheiterte Integration haben uns hierhergeführt“, sagte der Premier weiter. Ausgrenzung und Parallelgesellschaften böten den Nährboden für kriminelle Banden. „Dort können sie rücksichtslos Kinder anwerben und künftige Mörder ausbilden“, sagte der Regierungschef.

„Die schwedische Gesetzgebung ist nicht für Bandenkriege und Kindersoldaten ausgelegt, aber das ändern wir jetzt“, sagte er und verwies auf eine Reihe von Maßnahmen, die die Regierung in den Bereichen Migration und Kampf gegen Kriminalität ergriffen habe oder ergreife.

Jugendgefängnisse sollten gebaut werden, um junge Straftäter von erwachsenen Kriminellen zu trennen. Außerdem werde daran gearbeitet, dass alle Kinder die schwedische Sprache lernten.

„Wir mobilisieren die notwendigen Mittel, alles liegt auf dem Tisch“, sagte Kristersson weiter. „Ich hoffe, dass sich alle Parteien im schwedischen Parlament für die notwendigen, wirksamen und bahnbrechenden Maßnahmen starkmachen können“, sagte er.

Schweden kämpft seit Jahren mit Gewalt von Gangs

Am Mittwochabend war kurz nach 19 Uhr in einem wohlhabenden Vorort von Stockholm ein junger Mann in der Nähe einer Sportanlage erschossen worden, auf der gerade ein Training mit Kindern stattfand. Wenige Stunden später wurden in einem anderen Vorort nach Polizeiangaben zwei Menschen verletzt, von denen einer später starb.

Drei Verdächtige wurden festgenommen. In der Nacht zum Donnerstag starb schließlich eine 25 Jahre alte Frau bei einer Explosion in einem Vorort von Uppsala.

Die Lage in Uppsala und im Rest des Landes ist sehr ernst.

Catarina Bowall von der Polizei in Uppsala

Catarina Bowall, Chefin der Polizei in Uppsala sagte: „Die Kriminalität hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Die Lage in Uppsala und im Rest des Landes ist sehr ernst.“

Catarina Bowall, Chefin der Polizei in Uppsala, ist wegen der Lage alarmiert.
Catarina Bowall, Chefin der Polizei in Uppsala, ist wegen der Lage alarmiert.

© Imago/TT/Henrik Montgomery

Schweden ringt seit Jahren mit der grassierenden Bandenkriminalität, immer wieder gibt es Schüsse und vorsätzlich herbeigeführte Explosionen. Dabei sterben regelmäßig Menschen, häufig junge Männer oder Minderjährige.

Es wird vermutet, dass der Großteil der Morde mit einem internen Konflikt innerhalb des sogenannten Foxtrot-Netzwerks zu tun hat, in dem zwei Flügel der Gang sich gegenseitig bekämpfen. Im Zentrum des Konflikts soll der mit Haftbefehl gesuchte 36-jährige Rawa Majid stehen, der das Netzwerk anführt.

Majid ist in Schweden unter dem Namen „Der kurdische Fuchs“ bekannt und soll sich mit einem 33 Jahre alten anderen führenden Mitglied des Netzwerks, Ismail Abdo („Erdbeere“), überworfen haben.

Beide sollen sich in der Türkei versteckt haben. Viele der Gewalttaten richten sich nach Angaben der Polizei gegen Verwandte von Bandenangehörigen. (lem)

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