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Aleppos Altstadt nach dem Beben am 7. Februar.

© AFP / LOUAI BESHARA

„Wir brauchen direkt Hilfsgüter“: Syriens Kurden erwarten keine Erdbeben-Hilfe von Assad und Erdogan

Am Tag nach dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet wurden kurdische Stellungen in Nordsyriens Autonomieregion von der türkischen Armee beschossen.

Nur circa 24 Stunden nach dem verheerenden Beben im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat Ankaras Armee kurdische Stellungen bombardiert. Das türkische Verteidigungsministerium teilte via Twitter mit, kurdische YPG-Einheiten hätten zuvor vom nordsyrischen Tel Rifat aus einen südtürkischen Grenzposten angegriffen, weshalb man einen „Vergeltungsschlag“ geführt habe.

Die kurdischen De-facto-Streitkräfte YPG wiederum erklärten, man habe dort keine Einheiten stationiert. Tote soll es auf beiden Seiten nicht gegeben haben. Tel Rifat befindet sich nahe Afrin, einer 2018 von der Türkei und verbündeten Islamisten besetzten Region in Nordwestsyrien, der Ort selbst wird derzeit aber nicht von Ankara oder Islamisten kontrolliert.

„Das Erdbeben hat auch unsere Region getroffen, diverse Schulen sind zerstört, wir suchen noch nach Vermissten“, sagte Dilber Yousef dem Tagesspiegel. Yousef ist De-facto-Bildungsministerin in Nordsyriens kurdisch geprägter Autonomieregion. „Wir brauchen humanitäre Hilfe.“

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Die Selbstverwaltung der Autonomieregion widersetzt sich seit zehn Jahren sowohl Syriens Rebellen als auch der Damaszener Zentralregierung. Immer wieder drohte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan zudem mit einer Großinvasion.

Dilber Yousef ist De-facto-Bildungsministerin in Syriens kurdischer Autonomieregion.
Dilber Yousef ist De-facto-Bildungsministerin in Syriens kurdischer Autonomieregion.

© TSP / Hannes Heine

„Für uns stellt sich die Frage, ob die internationale Gemeinschaft sieht“, sagte Yousef, „dass sich das Regime in Damaskus nicht für uns einsetzen wird, dass wir also direkt Hilfsgüter brauchen.“ Die Türkei, mit der man 600 Kilometer Grenze teile, boykottiere die auch Rojava genannte Region ohnehin.

Die Region heißt formal „Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien“, in der Posten paritätisch mit Frau und Mann besetzt werden und alle Ethnien und Konfessionen vertreten sind. Regiert wird das Gebiet von einer Koalition unter Führung der säkularen PYD. Die Partei steht ideengeschichtlich der militanten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahe, die sich mit dem türkischen Staat seit Jahrzehnten heftige Kämpfe liefert.

Kann das Aufräumen nach dem Erdbeben doch Erdogan nutzen?

De-facto-Bildungsministerin Yousef befindet sich derzeit auf einem Berlin-Besuch, um sich mit deutschen Bildungsexperten zu vernetzen. In der Assad-Dynastie waren Syriens Kurden einer Arabisierung unterworfen. Als sich das Regime während des Bürgerkriegs aus vielen Städten im Norden zurückzog, wurden neue Lehrpläne eingeführt.

In den ersten Jahren werde je nach Ort in den Muttersprachen Kurdisch, Arabisch und Aramäisch gelehrt, sagte Yousef, später käme eine Zweitsprache hinzu, um die Verständigung in der multiethnischen Region zu erleichtern – so beherrschten Syriens junge Kurden nach wie vor Arabisch.

Syriens Kurden fürchten, Erdogan und seiner islamischen AKP könne das Wiederaufbauen nach dem Beben im Wahlkampf nutzen – trotz der Vorwürfe, die Regierung habe Katastrophenwarnungen ignoriert. Der türkische Staatschef will am 14. Mai über Parlament und Präsidenten abstimmen lassen.

Obwohl die Türkei zur Nato gehört, unterhält Erdogan gute Beziehungen zu Kreml-Chef Wladimir Putin – Russland ist wiederum Schutzmacht von Herrscher Baschar al Assad. Auch das spüren sie in Nordsyrien. Dilber Yousef, berichtet: Zunehmend würden Moskaus Vertreter in Syrien die Selbstverwaltung dazu drängen, sich der Zentralregierung unterzuordnen.

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