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Finnlands Ministerpräsidentin Marin

© Geisler-Fotopress

Nordstaaten: gut, Deutschland: Nachholbedarf: Warum nur wenige Demokratien krisenfest sind

Die Welt ist nicht erst seit 2022 im Krisenmodus. Die Art des Regierens hat sich daran kaum angepasst. Was sich ändern muss. Ein Gastbeitrag.

In vielen Staaten schwindet das Zutrauen in die Fähigkeit von Demokratien, die aktuellen Probleme zu lösen. Zugleich rücken die Corona-Pandemie, die Klimakatastrophe und die Energiekrise die Frage nach staatlicher Handlungsfähigkeit so stark in den Fokus der Öffentlichkeit, wie schon lange nicht mehr.

Auch wenn die Corona-Pandemie in den OECD- und EU-Staaten so etwas wie ein Weckruf war, gibt es weiter beträchtlichen Verbesserungsbedarf. Zu wenig Regierungen gelingt es, proaktiv über Ressortgrenzen hinweg zu steuern. Zudem schaffen es Staaten nur selten, eine Kultur des wissensbasierten Austausches zu etablieren und dabei alle gesellschaftlich relevanten Akteure einzubeziehen.

Das zeigt unsere Auswertung der Sustainable Governance Indicators (SGI). Mit dem Monitor erfasst die Bertelsmann Stiftung seit mehr als zehn Jahren Fortschritte der OECD- und EU-Staaten in der Qualität des vorausschauenden Regierens.

157
Indikatoren werden für die Untersuchung abgefragt. Sie ergeben ein detailliertes Profil der Stärken und Schwächen der Staaten.

Die Leitfrage der Sustainable Governance Indicators lautet: Wie lassen sich nachhaltige Politikergebnisse und eine größere Langfristorientierung in der Politik erzielen? Dafür werden 41 Staaten der OECD und EU auf Basis dreier Indizes bewertet und verglichen: dem Sustainable Policies Index, der konkrete Politikergebnisse misst, dem Robust Democracy Index zur Messung der Demokratiequalität und dem Good Governance Index, der die Regierungsführung beurteilt. 157 Indikatoren zeigen ein detailliertes Profil der Stärken und Schwächen der Staaten.   

Finnland, Neuseeland, Kanada und Dänemark schaffen nach wie vor die besten institutio­nellen Voraussetzungen für eine proaktive Koordinierung politischer Projekte und Maßnahmen bis zu ihrer Umsetzung. In Finnland z.B. überwacht das Amt der Premierministerin die Umsetzungsfortschritte kontinuierlich und steuert effektiv die Kommunikation zwischen den Ministerien. Deutschland liegt nur auf Platz 18.

Immer mehr Staaten erreichen selbstgesteckte Ziele nicht

In 21 Staaten gab es Stagnation und Rückschritte bei der Politikkoordination. Wir registrieren, dass es in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr Staaten gegeben hat, in denen Regierungen ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreicht haben (17 Staaten) als Staaten, in denen diese Fähigkeit zugenommen hat (8 Staaten).

In nahezu der Hälfte der Industriestaaten behindert die Blockadehaltung verschiedener politischer Lager die Suche nach parteiübergreifenden Lösungen. Zusammenarbeit ist aber notwendig, da komplexe Probleme wie die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft einen langfristig tragfähigen Kompromiss aller wichtigen politischen Akteure erfordern.

Allerdings sind in der zurückliegenden Dekade nicht im gleichen Maße die Anstrengungen von Regierungen gestiegen, eine breite Wissensbasis und öffentliche Unterstützung aufzubauen. In 14 Ländern spielt externes Fachwissen bei komplexen Weichenstellungen wie in der Klima- und Energiepolitik gar keine oder nur eine geringe Rolle. Insgesamt ist in diesen Ländern die Einbeziehung von Experten für die Öffentlichkeit häufig nicht nachvollziehbar oder erfolgt sehr spät.

18 Länder haben Nachholbedarf bei der Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure. An der Spitze des Rankings zu den Bemühungen von Regierungen, einen gesellschaftlichen Konsens zu stiften, stehen Norwegen, die Schweiz, Kanada, Dänemark und Schweden. Immerhin: Deutschland rangiert auf einem guten 8. Rang.

Vorausschauendes Regieren erfordert zudem, die Politik anhand einer geeigneten Datenbasis und eines öffentlichen Verfahrens fortlaufend zu überprüfen und an neue Gegebenheiten anzupassen.

Angeführt wird das Ranking zu einer wirksamen Strategieentwicklung erneut von Dänemark und Finnland. Deutschland belegt nur den 16. Platz. Bedenklich: Nachhaltigkeit spielt dabei in den meisten Ländern kaum eine Rolle. In 23 Staaten werden Politikvorschläge kaum auf ihre Vereinbarkeit mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen UN-Nachhaltigkeitszielen geprüft.

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