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US-Präsident Joe Biden.

© AFP/Shawn Thew

Rede zur Lage der Nation: Biden will sich Putin „nicht beugen“

US-Präsident Joe Biden hat in seiner Rede zur Lage der Nation eine klare Botschaft für den russischen Präsidenten. Er teilt zudem gegen Trump aus und warnt Israel. Auch sein Alter macht Biden zum Thema.

US-Präsident Joe Biden hat in seiner Rede zur Lage der Nation kräftig gegen seinen Rivalen Donald Trump und gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgeteilt.

Der 81-Jährige begann seine Ansprache vor dem gesamten Kongress am Donnerstag (Ortszeit) mit einer direkten Kritik an Trump, ohne dessen Namen zu nennen, weil dieser Putin indirekt aufgefordert hatte, in andere Nato-Staaten einzumarschieren, wenn diese nicht mehr für die Verteidigung ausgäben. „Nun, mein Vorgänger, ein ehemaliger republikanischer Präsident, sagte zu Putin, Zitat: Mach, was du willst“, sagte Biden und fügte weiter an: „Ich denke, das ist unerhört, gefährlich und inakzeptabel.“

Seine Worte wurden von Kongress mit tosendem Beifall begrüßt. Biden erklärte weiter, dass die USA Russland die Stirn bieten müsse: „Ich sage es hier vor dem Kongress, wir müssen uns gegen Putin stellen. Wir werden nicht weglaufen, wir werden uns nicht beugen.“

Trump lästert über Biden auf „Truth Social“

Der US-Präsident warf Trump und einigen Republikanern zudem vor, sie würden versuchen, die Wahrheit über den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu vertuschen. Trump schickte unterdessen fortlaufend Nachrichten über den von ihm gegründeten Social-Media-Kanal „Truth Social“, in denen er Biden beschimpfte.

Joe Biden nutzte die Rede auch, um erneut für ein 95 Milliarden Dollar schweres Hilfspaket für Waffen an die Ukraine und für Israel zu werben. Außerdem betonte er seine Unterstützung für Abtreibungsrechte. Der US-Präsident erläuterte noch einmal mit Nachdruck, dass wohlhabende Amerikaner und Unternehmen mehr Steuern zahlen müssten. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass eine solche Steuerreform verabschiedet wird, es sei denn, die Demokraten gewinnen bei der Wahl im November eine starke Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses, was nicht zu erwarten ist.

Biden grenzt sich bei Migration von Trump ab

Biden will sich beim im Wahlkampf wichtigen Thema Migration nicht an der Politik seines Vorgängers Trump orientieren. „Ich werde keine Familien trennen“, sagte der Demokrat. Er werde die Einreise von Menschen aufgrund ihres Glaubens nicht verbieten, sagte Biden.

Trump hatte nur eine Woche nach seinem Amtsantritt Einreiseverbot für Menschen aus mehreren überwiegend muslimisch geprägten Ländern verhängt und damit weltweit Entsetzen ausgelöst. Der Republikaner hatte außerdem illegal in die USA gelangte Familien für die gesamte Dauer ihres Asyl- oder Einwanderungsverfahrens in Gewahrsam nehmen lassen. Mit Blick auf eine aktuelle Äußerung Trumps sagte Biden weiter: „Ich werde Einwanderer nicht verteufeln und sagen, sie seien Gift im Blut unseres Landes.“

Die ultrarechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene rief bei der Rede immer wieder dazwischen. Sie trug unter anderem einen Anstecker, der an die in ihrem Heimatbundesstaat Georgia getötete Studentin Laken Riley erinnerte. Der Fall hatte zuletzt national Aufmerksamkeit erregt, weil der Hauptverdächtige ein Venezolaner ist, der nach Angaben der US-Behörden illegal in die USA eingereist ist.

Zwischenruferin: Die ultrarechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene während Bidens Rede zur Lage der Nation.
Zwischenruferin: Die ultrarechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene während Bidens Rede zur Lage der Nation.

© dpa/Pool EPA/Shawn Thew

„Laken Riley, eine unschuldige junge Frau, die von einem Illegalen getötet wurde – das ist richtig“, sagte Biden. Aber wie viele von den Tausenden von Menschen würden von Menschen getötet, die nicht ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land seien, so Biden weiter. „Ihren Eltern möchte ich sagen, dass sie in meinem Herzen sind, da ich selbst Kinder verloren habe. Ich verstehe das“, so Biden an Rileys Eltern gerichtet.

Die illegale Einwanderung in die USA ist eines der dominierenden Themen im Präsidentschaftswahlkampf. Zuletzt hatten die Republikaner im Kongress auf Geheiß Trumps ein eigentlich überparteilich ausgehandeltes Gesetz blockiert, das mehr Ressourcen zur Sicherung der US-Grenze und strengere Maßnahmen vorsah. Trump fürchtete einen legislativen Erfolg Bidens bei dem Thema im Wahlkampf. Derzeit deutet alles auf eine Neuauflage des Duells zwischen Biden und Trump hin. Biden kritisierte die Republikaner für ihr Vorgehen in seiner Lage zur Rede der Nation scharf.

Warnung an Israel

Biden warnte zudem Israel davor, die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen als „Druckmittel“ zu nutzen. „Humanitäre Hilfe darf keine zweitrangige Überlegung oder ein Druckmittel sein“, sagte Biden. Der Schutz und die Rettung unschuldiger Leben müsse Priorität haben, betonte er.

Er prangerte die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen an. „Mehr als 30.000 Palästinenser wurden getötet, von denen die meisten nicht der Hamas angehören“, sagte Biden. Seine Regierung hatte vorher angekündigt, das US-Militär wolle gemeinsam mit internationalen Partnern einen temporären Hafen an der Küste des Gazastreifens einrichten. So solle die Not leidende Zivilbevölkerung zusätzliche Hilfe auf dem Seeweg bekommen.

Für die Lieferung weiterer Hilfsgüter legte der US-Präsident einen Plan für den Bau eines temporären Hafens im Gazastreifen vor, den hochrangige Regierungsvertreter bereits zuvor angekündigt hatte.

In seiner Ansprache wiederholte Biden seine Forderung nach einer sofortigen sechswöchigen Waffenruhe. Das Abkommen würde „die Geiseln nach Hause bringen und die unerträgliche humanitäre Krise lindern“, sagte er. Zudem werde dadurch „etwas Dauerhafteres“ aufgebaut.

US-Präsident Joe Biden nach seiner Rede im Kongress.
US-Präsident Joe Biden nach seiner Rede im Kongress.

© AFP/Shawn Thew

Der US-Präsident betonte, dass Israel das Recht habe, die Gazastreifen herrschende Hamas als Reaktion auf deren brutalen Überfall am 7. Oktober anzugreifen. Die von den USA und der EU als Terrororganisation eingestufte Palästinenserorganisation könne „diesen Konflikt noch heute beenden“, indem sie die in den Gazastreifen verschleppten Geiseln freilasse, betonte er.

Bei dem Angriff der Hamas auf Israel waren israelischen Angaben zufolge etwa 1160 Menschen getötet sowie rund 250 als Geiseln verschleppt worden. Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mindestens 30.800 Menschen getötet. Nach fünf Monaten Krieg ist die humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet katastrophal.

Biden macht sein Alter zum Thema

Biden thematisierte derweil auch sein Alter. „In meiner Laufbahn hat man mir immer wieder gesagt, ich sei zu jung und zu alt. Ob jung oder alt, ich habe immer gewusst, was Bestand hat“, sagte der 81-Jährige. Es sei die Idee Amerikas, dass alle gleich geschaffen seien und es verdienten, das ganze Leben lang gleich behandelt zu werden. „Wir sind dieser Idee nie ganz gerecht geworden, aber wir haben uns auch nie von ihr entfernt. Und ich werde mich auch jetzt nicht von ihr entfernen.“

Bidens Alter gilt als seine größte Bürde im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf. Der Demokrat war 2021 als ältester Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus eingezogen und will bei der Wahl im November für eine weitere Amtszeit antreten. Sollte er erneut gewählt werden, wäre er am Ende seiner zweiten Amtszeit 86 Jahre alt. In Teilen der Bevölkerung und in Bidens eigener Partei hält sich der Enthusiasmus für seine Wiederwahlkampagne daher in Grenzen.

Der Demokrat macht regelmäßig Schlagzeilen mit Patzern und Versprechern. Bei der langen und viel beachteten Rede zur Lage der Nation stand Biden deswegen unter besonderer Beobachtung.

Konkurrenten aus den Reihen der Republikaner, allen voran Bidens voraussichtlicher Herausforderer bei der Wahl im November, sein Amtsvorgänger Trump, nutzen solche Fauxpas ausgiebig, um Bidens mentale und körperliche Fitness infrage zu stellen – auch wenn Trump selbst nur vier Jahre jünger ist und selbst regelmäßig peinliche Fehler macht.

Die im Fernsehen übertragene und von Millionen Amerikanern verfolgte Rede („State of the Union“) könnte die größte Bühne für den demokratischen Präsidenten gewesen sein, um Wähler zu erreichen. Meinungsumfragen zeigen derzeit, dass Biden und Trump im Rennen eng beieinanderliegen. (Reuters, dpa, AFP)

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