zum Hauptinhalt
Ukrainische Soldaten feuern eine 122-mm-Haubitze auf russische Stellungen an der Frontlinie.

© dpa/Alex Babenko

US-General Hodges rügt Nato scharf: „Der Westen hat nie gesagt, dass unser Ziel ein ukrainischer Sieg ist“

Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, kritisiert die Unterstützer Kiews wie die USA und Deutschland scharf. Der General a.D. fordert Raketenlieferungen.

Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, hält einen Erfolg der ukrainischen Offensive für möglich. Die Gegenoffensive sei nicht gescheitert, „aber sie ist eindeutig nicht so schnell vorangekommen, wie man es sich gewünscht hätte“, sagte Hodges der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Dies liege auch daran, dass der Westen den Ukrainern nicht die Waffen geliefert hätte, die benötigt würden. Sie müssten ohne nennenswerte Luftstreitkräfte und ohne Kurzstrecken-Präzisionswaffen kämpfen. „Ohne die würden wir niemals einen amerikanischen oder deutschen Soldaten in einen Kampf gegen solche Verteidigungsanlagen schicken“, sagte der General.

Dass es noch nicht den erwarteten Durchbruch im Süden gegeben habe, begründete Hodges so: „Das Problem ist, dass der Westen, angeführt von den USA und Deutschland, nie gesagt hat, dass unser Ziel ein ukrainischer Sieg ist. Und weil wir uns nicht verpflichtet haben, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen, haben wir zu wenig geliefert. Eben solche Kurzstreckenraketen, mit denen man Stützpunkte und logistische Knotenpunkte angreifen kann und die Krim unhaltbar machen kann für die russische Marine.“

Ich würde diese Leute gerne fragen: ‘Warum gebt ihr nicht einfach Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern auf?

Ben Hodges, ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa

Der Westen habe wiederholt die Fähigkeiten der ukrainischen Armee unterschätzt: „Natürlich versucht sie, ihre Vorstöße zu koordinieren und alles einzusetzen, was sie hat, um eine örtliche Überlegenheit zu erreichen, aber die Soldaten müssen sich an die Bedingungen vor Ort anpassen.“ Die Vorstöße seien durch die vielen Landminen erschwert.

„Noch schwerer wird die Sache dadurch, dass Soldaten von der russischen Artillerie beschossen werden, während sie die Minen räumen“, sagte Hodges.

Zudem seien die Russen nicht dumm. Sie hätten ausgenutzt, dass der Westen Monate benötigt hätte, um Waffen zu liefern und währenddessen ihre Verteidigungslinien ausgebaut. „Denken Sie nur mal an die amerikanischen Operationen ,Desert Shield‘ oder ,Desert Storm‘. Bevor wir irgendeinen Soldaten losschickten, haben Kampfflugzeuge die irakischen Artilleriestellungen, Stützpunkte und logistischen Knotenpunkte in Grund und Boden gebombt. Die Ukrainer können das nicht tun“, sagte Hodges weiter.

Der General warf der US-Regierung in dem Interview auch eine Art „Selbstabschreckung“ vor, die Ukraine ausreichend zu unterstützen.

„Ich denke, die Biden-Regierung ist übermäßig besorgt, dass Russland den Krieg mit Atomwaffen eskalieren könnte, wenn sich abzeichnet, dass es die Krim verlieren könnte. Selbstverständlich will keiner so eine Eskalation. Aber ich fürchte, die amerikanische Regierung denkt in einer Absolutheit darüber nach, die sie zögern lässt.“

Für in Deutschland immer wieder aufkommende Forderungen nach einem Waffenstillstand und Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigte Hodges kein Verständnis. „Die Krim ist das entscheidende Landstück in diesem Krieg. Solange Russland sie besetzt hält, kann es alle ukrainischen Häfen blockieren“, sagte der General.

Hodges bezweifelt, dass Putin sich an Abkommen halten würde

Selbst wenn Mariupol und Berdjansk befreit würden, könnten die Ukrainer mit diesen Häfen niemals etwas anfangen, solange die Krim besetzt sei, weil die Russen das Asowsche Meer blockierten, so der US-Soldat. Die drei anderen großen Häfen, Odessa, Cherson und Mykolajiw, könnten von der russischen Marine und Luftwaffe ständig angegriffen werden.

So würden die Ukrainer niemals ihre Wirtschaft wiederaufbauen können. Das bedeute aus seiner Sicht, so Hodges, dass fünf Millionen ukrainische Flüchtlinge vor allem in Polen und Deutschland nicht zurückkehren könnten und im Zweifel noch mehr kommen würden.

Hoges weiter: „Jeder, der sagt: ‘Liebe Ukrainer, die Krim müsst ihr wohl abtreten’ hat keine Ahnung von Wirtschaft und Geographie. Ich würde diese Leute gerne fragen: ‘Warum gebt ihr nicht einfach Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern auf?’ Das würde Deutschland niemals tun, aber genau das verlangen wir von der Ukraine.“

Es gebe auch keine Garantie, dass Russland sich an irgendeinen Friedensschluss halten würde, solange man es nicht dazu zwinge, sagte Hodges weiter. „So war es bisher immer. Bismarck hat einmal gesagt, dass kein Vertrag mit Russland das Papier wert ist, auf dem er geschrieben steht. Es wäre naiv, zu glauben, dass sich das ausgerechnet jetzt ändert.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false